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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die zwölf Gemälde.
des Cav. Joseph von Arpino, des Massimo Stanzioni und des
Orazio Gentileschi. Es waren folgende, die er auch lobend be-
schreibt:

Guido, Paris die Helena ans Ufer begleitend.
Guercino, Dido auf dem Scheiterhaufen.
Pietro da Cortona, Raub der Sabinerinnen; "für das köstlichste
Werk dieses Meisters erkannt".
"Valentin von Colombi", die fünf Sinne, in einem Zimmer bei
der Tafel, in Form einer freundlichen Conversation.
Sacchi, "die göttliche Fürsichtigkeit auf einem majestätischen
Stuhl, zwischen vielem umstehenden himmlischen Frauenzim-
mer göttlicher Tugenden gesessen".
Lanfranco, Diana, Calisto und Actäon.
Domenichino, Diana, "allen vorigen wo nicht vorzuziehen, doch zur
Wette entgegenzusetzen".
Poussin, die Pest.
Sandrart, Seneca's Tod, bei Fackelbeleuchtung.

Ist nun jene Vermuthung einer Mitwirkung des Velazquez
wahrscheinlich zu machen? -- Von Seiten der Zeit lässt sich nichts
einwenden. Alle waren um 1630 am Leben, von kaum einem
lässt sich das Alibi beweisen. Zwei Gemälde sind auch nach
anderweitigen Angaben grade damals entstanden: Poussins Pest
1630, Guercino's Dido 1631. Die Gegenstände mythologischer
Natur stimmen zu dem Geschmack Philipp IV, der aus andern
Aufträgen dieser Art bekannt ist.

Befremdlich ist freilich, dass kein einziges von den zwölf
Gemälden an seinen Bestimmungsort gelangt ist, denn in den
königlichen Inventaren ist keines erwähnt, wol aber sind von
den meisten (vielleicht von allen) die ersten Käufer und Besitzer
bis auf den heutigen Tag nachzuweisen. Sie sind meist in Rom
geblieben. Der Raub der Helena von Guido und die Dido von
Guercino sind noch heute im Palast Spada. Letztere soll für die
Königin Anna von Frankreich bestimmt gewesen sein, und war
in Bologna drei Tage ausgestellt 1). Der Raub der Sabinerinnen
vom Cav. d'Arpino kam aus dem Palast Sacchetti in die Kapitols-
galerie. Die Pest Poussin's wurde nach Felibien 2) für sechzig
Scudi einem Bildhauer Mattheo verkauft, später erwarb sie der

1) Ritratti di celebri pittori del sec. XVII, disegnati, ed intagliati da Ottavio
Lioni. Roma 1731. p. 92.
2) Entretiens sur les vies des plus exc. peintres. Paris 1685. IV, 258.

Die zwölf Gemälde.
des Cav. Joseph von Arpino, des Massimo Stanzioni und des
Orazio Gentileschi. Es waren folgende, die er auch lobend be-
schreibt:

Guido, Paris die Helena ans Ufer begleitend.
Guercino, Dido auf dem Scheiterhaufen.
Pietro da Cortona, Raub der Sabinerinnen; „für das köstlichste
Werk dieses Meisters erkannt“.
Valentin von Colombi“, die fünf Sinne, in einem Zimmer bei
der Tafel, in Form einer freundlichen Conversation.
Sacchi, „die göttliche Fürsichtigkeit auf einem majestätischen
Stuhl, zwischen vielem umstehenden himmlischen Frauenzim-
mer göttlicher Tugenden gesessen“.
Lanfranco, Diana, Calisto und Actäon.
Domenichino, Diana, „allen vorigen wo nicht vorzuziehen, doch zur
Wette entgegenzusetzen“.
Poussin, die Pest.
Sandrart, Seneca’s Tod, bei Fackelbeleuchtung.

Ist nun jene Vermuthung einer Mitwirkung des Velazquez
wahrscheinlich zu machen? — Von Seiten der Zeit lässt sich nichts
einwenden. Alle waren um 1630 am Leben, von kaum einem
lässt sich das Alibi beweisen. Zwei Gemälde sind auch nach
anderweitigen Angaben grade damals entstanden: Poussins Pest
1630, Guercino’s Dido 1631. Die Gegenstände mythologischer
Natur stimmen zu dem Geschmack Philipp IV, der aus andern
Aufträgen dieser Art bekannt ist.

Befremdlich ist freilich, dass kein einziges von den zwölf
Gemälden an seinen Bestimmungsort gelangt ist, denn in den
königlichen Inventaren ist keines erwähnt, wol aber sind von
den meisten (vielleicht von allen) die ersten Käufer und Besitzer
bis auf den heutigen Tag nachzuweisen. Sie sind meist in Rom
geblieben. Der Raub der Helena von Guido und die Dido von
Guercino sind noch heute im Palast Spada. Letztere soll für die
Königin Anna von Frankreich bestimmt gewesen sein, und war
in Bologna drei Tage ausgestellt 1). Der Raub der Sabinerinnen
vom Cav. d’Arpino kam aus dem Palast Sacchetti in die Kapitols-
galerie. Die Pest Poussin’s wurde nach Félibien 2) für sechzig
Scudi einem Bildhauer Mattheo verkauft, später erwarb sie der

1) Ritratti di celebri pittori del sec. XVII, disegnati, ed intagliati da Ottavio
Lioni. Roma 1731. p. 92.
2) Entretiens sur les vies des plus exc. peintres. Paris 1685. IV, 258.
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[293/0319] Die zwölf Gemälde. des Cav. Joseph von Arpino, des Massimo Stanzioni und des Orazio Gentileschi. Es waren folgende, die er auch lobend be- schreibt: Guido, Paris die Helena ans Ufer begleitend. Guercino, Dido auf dem Scheiterhaufen. Pietro da Cortona, Raub der Sabinerinnen; „für das köstlichste Werk dieses Meisters erkannt“. „Valentin von Colombi“, die fünf Sinne, in einem Zimmer bei der Tafel, in Form einer freundlichen Conversation. Sacchi, „die göttliche Fürsichtigkeit auf einem majestätischen Stuhl, zwischen vielem umstehenden himmlischen Frauenzim- mer göttlicher Tugenden gesessen“. Lanfranco, Diana, Calisto und Actäon. Domenichino, Diana, „allen vorigen wo nicht vorzuziehen, doch zur Wette entgegenzusetzen“. Poussin, die Pest. Sandrart, Seneca’s Tod, bei Fackelbeleuchtung. Ist nun jene Vermuthung einer Mitwirkung des Velazquez wahrscheinlich zu machen? — Von Seiten der Zeit lässt sich nichts einwenden. Alle waren um 1630 am Leben, von kaum einem lässt sich das Alibi beweisen. Zwei Gemälde sind auch nach anderweitigen Angaben grade damals entstanden: Poussins Pest 1630, Guercino’s Dido 1631. Die Gegenstände mythologischer Natur stimmen zu dem Geschmack Philipp IV, der aus andern Aufträgen dieser Art bekannt ist. Befremdlich ist freilich, dass kein einziges von den zwölf Gemälden an seinen Bestimmungsort gelangt ist, denn in den königlichen Inventaren ist keines erwähnt, wol aber sind von den meisten (vielleicht von allen) die ersten Käufer und Besitzer bis auf den heutigen Tag nachzuweisen. Sie sind meist in Rom geblieben. Der Raub der Helena von Guido und die Dido von Guercino sind noch heute im Palast Spada. Letztere soll für die Königin Anna von Frankreich bestimmt gewesen sein, und war in Bologna drei Tage ausgestellt 1). Der Raub der Sabinerinnen vom Cav. d’Arpino kam aus dem Palast Sacchetti in die Kapitols- galerie. Die Pest Poussin’s wurde nach Félibien 2) für sechzig Scudi einem Bildhauer Mattheo verkauft, später erwarb sie der 1) Ritratti di celebri pittori del sec. XVII, disegnati, ed intagliati da Ottavio Lioni. Roma 1731. p. 92. 2) Entretiens sur les vies des plus exc. peintres. Paris 1685. IV, 258.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/319>, abgerufen am 28.11.2024.