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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die zwölf Gemälde.
wie in Elysiums Alleen. Diese romanischen "Brudernationen"
trennte dazumal nicht bloss der Krieg und der Wettkampf ihrer
Eifersucht: mehr noch das Selbstgefühl und die Selbstgenüg-
samkeit ihrer Kultur.

Beider Sehnsucht richtete sich nach Rom, und beiden wurde
sie erfüllt im dreissigsten Jahre; dem einen nach hartem Kampf.
Auch der Franzose ward, nur ohne sein Zuthun, ja mit Wider-
streben an den Hof gezogen, und gewann die Gunst des Cardinal-
ministers und des Königs, der ihm einmal sagte, sein Abendmahl
sei ihm so lieb wie seine Kinder. Aber er sehnte sich in seiner
Tuilerienwohnung nach Rom, und die Rückkehr erleichterte der
Tod seiner Gönner. Velazquez führte wol eher Wissbegier als
Werdelust nach Italien und er studirte die Antike und Michel-
angelo mehr wie ein vornehmer Liebhaber. Während selten ein
Künstler so unberührt von römischen Einflüssen von dannen gezo-
gen ist, so giebt es keinen Maler, der so wie Poussin seine ganze
Kunst aus den Trümmern der Alten, den Poeten, der römischen
Landschaft sich neu erschaffen. Jener seine Weise fertig mit-
bringend, am spanischen Platz und in der Villa Medici malend,
ganz wie im Cuarto bajo des Alcazar; dieser die Malerei vom Fun-
dament aus sich neu construirend; losgelöst von Vaterland, Amt,
Nationalität, Ueberlieferung, seinem Ideal nachgehend, einer ma-
niera magnifica
, zu der auch die Grösse des Gegenstandes: Hel-
dengeschichten, Schlachten, göttliche Dinge gehören; erste Regel,
die Minutien zu vermeiden; die Farbe nur Schmeichelei zur
Ueberredung der Augen 1). So kehrt jener bald zurück an den
förmlichsten Hof der Welt, um fortzufahren zu arbeiten als
Hofbeamter, -- dieser blieb, zu schaffen frei wie ein Dichter. Den
Idealisten, der Malerei und Plastik für eine einzige Kunst er-
klärte, hätte W. Bürger (S. 4) als Antipoden des Velazquez
nennen können: le peintre le plus sculpteur qui fut jamais.

Die zwölf Gemälde.

Hier begegnet uns eine Nachricht, die, wenn sie sich als
glaubwürdig erwiese, unseren Vorstellungen von dem Verhältniss
des Velazquez zu Roms Künstlerwelt mehr Bestimmtheit geben

1) Osservazioni di Nicolo Pussino sopra la pittura e dell' esempio de' buoni
maestri. In G. P. Bellori, le vite de' pittori. Rom 1728, p. 300 ff.

Die zwölf Gemälde.
wie in Elysiums Alleen. Diese romanischen „Brudernationen“
trennte dazumal nicht bloss der Krieg und der Wettkampf ihrer
Eifersucht: mehr noch das Selbstgefühl und die Selbstgenüg-
samkeit ihrer Kultur.

Beider Sehnsucht richtete sich nach Rom, und beiden wurde
sie erfüllt im dreissigsten Jahre; dem einen nach hartem Kampf.
Auch der Franzose ward, nur ohne sein Zuthun, ja mit Wider-
streben an den Hof gezogen, und gewann die Gunst des Cardinal-
ministers und des Königs, der ihm einmal sagte, sein Abendmahl
sei ihm so lieb wie seine Kinder. Aber er sehnte sich in seiner
Tuilerienwohnung nach Rom, und die Rückkehr erleichterte der
Tod seiner Gönner. Velazquez führte wol eher Wissbegier als
Werdelust nach Italien und er studirte die Antike und Michel-
angelo mehr wie ein vornehmer Liebhaber. Während selten ein
Künstler so unberührt von römischen Einflüssen von dannen gezo-
gen ist, so giebt es keinen Maler, der so wie Poussin seine ganze
Kunst aus den Trümmern der Alten, den Poeten, der römischen
Landschaft sich neu erschaffen. Jener seine Weise fertig mit-
bringend, am spanischen Platz und in der Villa Medici malend,
ganz wie im Cuarto bajo des Alcazar; dieser die Malerei vom Fun-
dament aus sich neu construirend; losgelöst von Vaterland, Amt,
Nationalität, Ueberlieferung, seinem Ideal nachgehend, einer ma-
niera magnifica
, zu der auch die Grösse des Gegenstandes: Hel-
dengeschichten, Schlachten, göttliche Dinge gehören; erste Regel,
die Minutien zu vermeiden; die Farbe nur Schmeichelei zur
Ueberredung der Augen 1). So kehrt jener bald zurück an den
förmlichsten Hof der Welt, um fortzufahren zu arbeiten als
Hofbeamter, — dieser blieb, zu schaffen frei wie ein Dichter. Den
Idealisten, der Malerei und Plastik für eine einzige Kunst er-
klärte, hätte W. Bürger (S. 4) als Antipoden des Velazquez
nennen können: le peintre le plus sculpteur qui fut jamais.

Die zwölf Gemälde.

Hier begegnet uns eine Nachricht, die, wenn sie sich als
glaubwürdig erwiese, unseren Vorstellungen von dem Verhältniss
des Velazquez zu Roms Künstlerwelt mehr Bestimmtheit geben

1) Osservazioni di Nicolò Pussino sopra la pittura e dell’ esempio de’ buoni
maestri. In G. P. Bellori, le vite de’ pittori. Rom 1728, p. 300 ff.
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[291/0317] Die zwölf Gemälde. wie in Elysiums Alleen. Diese romanischen „Brudernationen“ trennte dazumal nicht bloss der Krieg und der Wettkampf ihrer Eifersucht: mehr noch das Selbstgefühl und die Selbstgenüg- samkeit ihrer Kultur. Beider Sehnsucht richtete sich nach Rom, und beiden wurde sie erfüllt im dreissigsten Jahre; dem einen nach hartem Kampf. Auch der Franzose ward, nur ohne sein Zuthun, ja mit Wider- streben an den Hof gezogen, und gewann die Gunst des Cardinal- ministers und des Königs, der ihm einmal sagte, sein Abendmahl sei ihm so lieb wie seine Kinder. Aber er sehnte sich in seiner Tuilerienwohnung nach Rom, und die Rückkehr erleichterte der Tod seiner Gönner. Velazquez führte wol eher Wissbegier als Werdelust nach Italien und er studirte die Antike und Michel- angelo mehr wie ein vornehmer Liebhaber. Während selten ein Künstler so unberührt von römischen Einflüssen von dannen gezo- gen ist, so giebt es keinen Maler, der so wie Poussin seine ganze Kunst aus den Trümmern der Alten, den Poeten, der römischen Landschaft sich neu erschaffen. Jener seine Weise fertig mit- bringend, am spanischen Platz und in der Villa Medici malend, ganz wie im Cuarto bajo des Alcazar; dieser die Malerei vom Fun- dament aus sich neu construirend; losgelöst von Vaterland, Amt, Nationalität, Ueberlieferung, seinem Ideal nachgehend, einer ma- niera magnifica, zu der auch die Grösse des Gegenstandes: Hel- dengeschichten, Schlachten, göttliche Dinge gehören; erste Regel, die Minutien zu vermeiden; die Farbe nur Schmeichelei zur Ueberredung der Augen 1). So kehrt jener bald zurück an den förmlichsten Hof der Welt, um fortzufahren zu arbeiten als Hofbeamter, — dieser blieb, zu schaffen frei wie ein Dichter. Den Idealisten, der Malerei und Plastik für eine einzige Kunst er- klärte, hätte W. Bürger (S. 4) als Antipoden des Velazquez nennen können: le peintre le plus sculpteur qui fut jamais. Die zwölf Gemälde. Hier begegnet uns eine Nachricht, die, wenn sie sich als glaubwürdig erwiese, unseren Vorstellungen von dem Verhältniss des Velazquez zu Roms Künstlerwelt mehr Bestimmtheit geben 1) Osservazioni di Nicolò Pussino sopra la pittura e dell’ esempio de’ buoni maestri. In G. P. Bellori, le vite de’ pittori. Rom 1728, p. 300 ff.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/317>, abgerufen am 24.11.2024.