Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.Drittes Buch. Venezianer Tommaso Luini, kopire den Meister auch sonst so genau,dass man ihn "il Caravaggino" nenne. Meistens wären es Lombarden, wie Gio. Serodine; aber einer seiner wildesten turcimanni sei ein Römer, Prospero Orsi. Keiner aber reiche an Monsu Valentin [+ 1632], den sogar der Cardinal Francesco (bei den Barberini scheine jetzt schon die blosse französische Nationalität eine Empfehlung) ins Herz geschlossen und ihm ein Gemälde für Sankt Peter verschafft habe. Das Verdienst gebühre ihm unstreitig, dass er für die Nachwelt die Gesellschaft auf- bewahrt habe, in der sie sich alle am wohlsten fühlten, auch der welcher die Kuppel von Sankt Peter und die welche sonst nur visioni di angeli malten. -- Ueberhaupt, fuhr er fort, drängen sich seit einiger Zeit die forastieri in auffallender Weise in den Vordergrund. In Neapel sehe man die Einheimischen, sonst so eifersüchtig, im Gefolge eines kleinen Valencianers, wol nicht bloss weil er im Palazzo Reale residirt, sondern weil er in Kraft und Schönheit des Pinsels alle hinter sich lässt. Da sei am Hofe des Granduca Ferdinand II Justus Sustermans, als Bild- nissmaler ohne Nebenbuhler. Auch der andere jetzt am Hof des Katho- lischen Königs geschätzte flamenco [Rubens] habe ja hier seinen Aus- gang genommen; noch keiner von da oben habe sich der guten italienischen Manier mit soviel Glück angenähert. "Nachdem wir in einer Hosteria an Piazza Navona gespeist hatten, Drittes Buch. Venezianer Tommaso Luini, kopire den Meister auch sonst so genau,dass man ihn „il Caravaggino“ nenne. Meistens wären es Lombarden, wie Gio. Serodine; aber einer seiner wildesten turcimanni sei ein Römer, Prospero Orsi. Keiner aber reiche an Monsù Valentin [† 1632], den sogar der Cardinal Francesco (bei den Barberini scheine jetzt schon die blosse französische Nationalität eine Empfehlung) ins Herz geschlossen und ihm ein Gemälde für Sankt Peter verschafft habe. Das Verdienst gebühre ihm unstreitig, dass er für die Nachwelt die Gesellschaft auf- bewahrt habe, in der sie sich alle am wohlsten fühlten, auch der welcher die Kuppel von Sankt Peter und die welche sonst nur visioni di angeli malten. — Ueberhaupt, fuhr er fort, drängen sich seit einiger Zeit die forastieri in auffallender Weise in den Vordergrund. In Neapel sehe man die Einheimischen, sonst so eifersüchtig, im Gefolge eines kleinen Valencianers, wol nicht bloss weil er im Palazzo Reale residirt, sondern weil er in Kraft und Schönheit des Pinsels alle hinter sich lässt. Da sei am Hofe des Granduca Ferdinand II Justus Sustermans, als Bild- nissmaler ohne Nebenbuhler. Auch der andere jetzt am Hof des Katho- lischen Königs geschätzte flamenco [Rubens] habe ja hier seinen Aus- gang genommen; noch keiner von da oben habe sich der guten italienischen Manier mit soviel Glück angenähert. „Nachdem wir in einer Hosteria an Piazza Navona gespeist hatten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0314" n="288"/><fw place="top" type="header">Drittes Buch.</fw><lb/> Venezianer Tommaso Luini, kopire den Meister auch sonst so genau,<lb/> dass man ihn „<hi rendition="#i">il Caravaggino</hi>“ nenne. Meistens wären es Lombarden,<lb/> wie Gio. Serodine; aber einer seiner wildesten <hi rendition="#i">turcimanni</hi> sei ein Römer,<lb/> Prospero Orsi. Keiner aber reiche an Monsù Valentin [† 1632], den<lb/> sogar der Cardinal Francesco (bei den Barberini scheine jetzt schon<lb/> die blosse französische Nationalität eine Empfehlung) ins Herz geschlossen<lb/> und ihm ein Gemälde für Sankt Peter verschafft habe. 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Damaso’s<lb/> hinauf, und nachdem wir die Grotesken Raphaels betrachtet hatten, ging<lb/> Don Roque zu der Wache, die er anwies, mir jederzeit den Eintritt zu ge-<lb/> statten, wenn ich nach dem Jüngsten Gericht Michelangelo’s, oder nach<lb/> den Sachen Raphaels zeichnen wolle. Vor diesen trafen wir viele junge<lb/> Maler, die das grosse Gemälde studirten, wo die Theologie mit der<lb/> Philosophie in Einklang gesetzt wird und in der Mitte das höchste Gut<lb/> auf dem Altar steht, ebenso wie das gegenüber, wo der Urbinate den<lb/> h. Paulus vorgestellt hat, wie er zu Athen den Philosophen predigt.<lb/> Wir gingen dann noch weiter hinauf, und kamen in einen ungeheuer langen<lb/> Gang, der Corridor der Cleopatra genannt. Er wurde vor mehr als zwei-<lb/> hundert Jahren von Julius II gebaut, um die Wohnung Alexander VI mit<lb/> dem Ritiro im Garten oben auf dem Hügel zu verbinden. Dieser Gang<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [288/0314]
Drittes Buch.
Venezianer Tommaso Luini, kopire den Meister auch sonst so genau,
dass man ihn „il Caravaggino“ nenne. Meistens wären es Lombarden,
wie Gio. Serodine; aber einer seiner wildesten turcimanni sei ein Römer,
Prospero Orsi. Keiner aber reiche an Monsù Valentin [† 1632], den
sogar der Cardinal Francesco (bei den Barberini scheine jetzt schon
die blosse französische Nationalität eine Empfehlung) ins Herz geschlossen
und ihm ein Gemälde für Sankt Peter verschafft habe. Das Verdienst
gebühre ihm unstreitig, dass er für die Nachwelt die Gesellschaft auf-
bewahrt habe, in der sie sich alle am wohlsten fühlten, auch der welcher
die Kuppel von Sankt Peter und die welche sonst nur visioni di angeli
malten. — Ueberhaupt, fuhr er fort, drängen sich seit einiger Zeit die
forastieri in auffallender Weise in den Vordergrund. In Neapel sehe
man die Einheimischen, sonst so eifersüchtig, im Gefolge eines kleinen
Valencianers, wol nicht bloss weil er im Palazzo Reale residirt, sondern
weil er in Kraft und Schönheit des Pinsels alle hinter sich lässt. Da
sei am Hofe des Granduca Ferdinand II Justus Sustermans, als Bild-
nissmaler ohne Nebenbuhler. Auch der andere jetzt am Hof des Katho-
lischen Königs geschätzte flamenco [Rubens] habe ja hier seinen Aus-
gang genommen; noch keiner von da oben habe sich der guten italienischen
Manier mit soviel Glück angenähert.
„Nachdem wir in einer Hosteria an Piazza Navona gespeist hatten,
die Gemälde und Münzen in den Buden betrachtet und über die Re-
den der Quacksalber gelacht, verabschiedete ich mich von meinen Be-
gleitern und kehrte in den Albergo zurück, um zu ruhen. Darauf begab
ich mich nach der Piazza S. Trinidad, wo mich der Gentilhombre des Cardi-
nals an dem Brunnen mit seinem Wagen treffen wollte. Dieser vor kurzem
enthüllte Brunnen hat die seltsame Form einer Barke und ist die letzte
Arbeit Pedro Bernini’s, der vor wenigen Monaten starb, des Vaters
jenes Lorenzo. Im Vatican angelangt, stiegen wir in den Hof S. Damaso’s
hinauf, und nachdem wir die Grotesken Raphaels betrachtet hatten, ging
Don Roque zu der Wache, die er anwies, mir jederzeit den Eintritt zu ge-
statten, wenn ich nach dem Jüngsten Gericht Michelangelo’s, oder nach
den Sachen Raphaels zeichnen wolle. Vor diesen trafen wir viele junge
Maler, die das grosse Gemälde studirten, wo die Theologie mit der
Philosophie in Einklang gesetzt wird und in der Mitte das höchste Gut
auf dem Altar steht, ebenso wie das gegenüber, wo der Urbinate den
h. Paulus vorgestellt hat, wie er zu Athen den Philosophen predigt.
Wir gingen dann noch weiter hinauf, und kamen in einen ungeheuer langen
Gang, der Corridor der Cleopatra genannt. Er wurde vor mehr als zwei-
hundert Jahren von Julius II gebaut, um die Wohnung Alexander VI mit
dem Ritiro im Garten oben auf dem Hügel zu verbinden. Dieser Gang
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