zum Ergötzen der Damen betrunken machte. Tirso der Komö- diendichter in der Kutte lässt durch seinen Carrasco die Tole- daner auffordern, statt dem h. Rochus Sankt Noah Feste zu feiern:
que en tal tierra el ser borracho es calidad, no es locura (La Villana de la Sagra I, 11).
Leonardo lud sich zuweilen Bauern ein, liess sie sich be- trinken und erzählte ihnen spasshafte Geschichten, dann eilte er ins Nebenzimmer, ihre Grimassen zu skizziren. Velazquez hatte das vielleicht gelesen, er fischte sich Männer aus dem Volke auf, wie sie bis dahin noch nicht auf der Leinwand gesehen worden waren und brachte sie in die für ein Bacchusstück geeignete Situation und Stimmung. Die Gesellschaft ist ziemlich bunt: ein Soldat, ein Dudelsackpfeifer, ein Bettler und einige schwer de- finirbare Senioren. Sind es Lastträger (mozos de cordel), oder Küfer, oder abgedankte Lanzknechte, aus denen Landstreicher geworden sind, -- wie umgekehrt die Armee sich aus Land- streichern rekrutirte? Oder die "Blüthe der Tuna", das eisgraue Laster? Vielleicht aber sind es nach des Malers Meinung nur arme alte Bauern, Söhne der Sierra, von ehernen Knochen, unter harter Arbeit und rauhen Stössen des Lebenswinds verwet- tert, zwei Menschenalter lang geröstet von trockner Sommer- sonnengluth und gepeitscht von eisigen Stürmen. Diese sind es, welchen die Sendung des fremden Gottes gilt, nicht müssigen Schwelgern. Dem Tagelöhner bringt er einen Lichtstrahl in sein dunkles Dasein, "Freiheit im Reich der Träume", dieser Wohlthäter der Menschheit.
Dieser Wohlthäter ist, wenn man bloss das Bild hier fragte, ein junger Lebemann, der von seiner guten Gesellschaft gelang- weilt, ein Bedürfniss der Herablassung empfindet und einen neuen Sport entdeckt in dem Jubel des Deus nobis haec otia fecit dieses zusammengekehrten Häufleins armer Teufel -- ihrem breiten Lachen, grotesken Geberden und dem aufgewühlten Schlamm ihres Rothwälsch. "Ich war (denn Prinz Heinz' Schilderung passt darauf wie gegossen) mit drei bis vier Ochsenköpfen zwischen drei bis vier Oxhöften. Ich habe den allertiefsten Ton der Leut- seligkeit angeschlagen. Ja Mensch, ich habe mit einer Rotte von Küfern Brüderschaft gemacht, und kann sie alle bei ihrem Taufnamen nennen". Der umgestürzte Becher am Boden entglitt wahrscheinlich dem knienden Soldaten, der eben für sein Probestück bekränzt wird 1). Nachdem wird der Toast getrunken werden, für
1) Guzman de Alfarache (I, 2, 5) beschreibt ein solches Gelage von Cofrades
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Die Borrachos.
zum Ergötzen der Damen betrunken machte. Tirso der Komö- diendichter in der Kutte lässt durch seinen Carrasco die Tole- daner auffordern, statt dem h. Rochus Sankt Noah Feste zu feiern:
que en tal tierra el ser borracho es calidad, no es locura (La Villana de la Sagra I, 11).
Leonardo lud sich zuweilen Bauern ein, liess sie sich be- trinken und erzählte ihnen spasshafte Geschichten, dann eilte er ins Nebenzimmer, ihre Grimassen zu skizziren. Velazquez hatte das vielleicht gelesen, er fischte sich Männer aus dem Volke auf, wie sie bis dahin noch nicht auf der Leinwand gesehen worden waren und brachte sie in die für ein Bacchusstück geeignete Situation und Stimmung. Die Gesellschaft ist ziemlich bunt: ein Soldat, ein Dudelsackpfeifer, ein Bettler und einige schwer de- finirbare Senioren. Sind es Lastträger (mozos de cordel), oder Küfer, oder abgedankte Lanzknechte, aus denen Landstreicher geworden sind, — wie umgekehrt die Armee sich aus Land- streichern rekrutirte? Oder die „Blüthe der Tuna“, das eisgraue Laster? Vielleicht aber sind es nach des Malers Meinung nur arme alte Bauern, Söhne der Sierra, von ehernen Knochen, unter harter Arbeit und rauhen Stössen des Lebenswinds verwet- tert, zwei Menschenalter lang geröstet von trockner Sommer- sonnengluth und gepeitscht von eisigen Stürmen. Diese sind es, welchen die Sendung des fremden Gottes gilt, nicht müssigen Schwelgern. Dem Tagelöhner bringt er einen Lichtstrahl in sein dunkles Dasein, „Freiheit im Reich der Träume“, dieser Wohlthäter der Menschheit.
Dieser Wohlthäter ist, wenn man bloss das Bild hier fragte, ein junger Lebemann, der von seiner guten Gesellschaft gelang- weilt, ein Bedürfniss der Herablassung empfindet und einen neuen Sport entdeckt in dem Jubel des Deus nobis haec otia fecit dieses zusammengekehrten Häufleins armer Teufel — ihrem breiten Lachen, grotesken Geberden und dem aufgewühlten Schlamm ihres Rothwälsch. „Ich war (denn Prinz Heinz’ Schilderung passt darauf wie gegossen) mit drei bis vier Ochsenköpfen zwischen drei bis vier Oxhöften. Ich habe den allertiefsten Ton der Leut- seligkeit angeschlagen. Ja Mensch, ich habe mit einer Rotte von Küfern Brüderschaft gemacht, und kann sie alle bei ihrem Taufnamen nennen“. Der umgestürzte Becher am Boden entglitt wahrscheinlich dem knienden Soldaten, der eben für sein Probestück bekränzt wird 1). Nachdem wird der Toast getrunken werden, für
1) Guzman de Alfarache (I, 2, 5) beschreibt ein solches Gelage von Cofrades
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Die Borrachos.
zum Ergötzen der Damen betrunken machte. Tirso der Komö-
diendichter in der Kutte lässt durch seinen Carrasco die Tole-
daner auffordern, statt dem h. Rochus Sankt Noah Feste zu feiern:
que en tal tierra el ser borracho
es calidad, no es locura (La Villana de la Sagra I, 11).
Leonardo lud sich zuweilen Bauern ein, liess sie sich be-
trinken und erzählte ihnen spasshafte Geschichten, dann eilte er
ins Nebenzimmer, ihre Grimassen zu skizziren. Velazquez hatte
das vielleicht gelesen, er fischte sich Männer aus dem Volke auf,
wie sie bis dahin noch nicht auf der Leinwand gesehen worden
waren und brachte sie in die für ein Bacchusstück geeignete
Situation und Stimmung. Die Gesellschaft ist ziemlich bunt: ein
Soldat, ein Dudelsackpfeifer, ein Bettler und einige schwer de-
finirbare Senioren. Sind es Lastträger (mozos de cordel), oder
Küfer, oder abgedankte Lanzknechte, aus denen Landstreicher
geworden sind, — wie umgekehrt die Armee sich aus Land-
streichern rekrutirte? Oder die „Blüthe der Tuna“, das eisgraue
Laster? Vielleicht aber sind es nach des Malers Meinung nur
arme alte Bauern, Söhne der Sierra, von ehernen Knochen,
unter harter Arbeit und rauhen Stössen des Lebenswinds verwet-
tert, zwei Menschenalter lang geröstet von trockner Sommer-
sonnengluth und gepeitscht von eisigen Stürmen. Diese sind es,
welchen die Sendung des fremden Gottes gilt, nicht müssigen
Schwelgern. Dem Tagelöhner bringt er einen Lichtstrahl in
sein dunkles Dasein, „Freiheit im Reich der Träume“, dieser
Wohlthäter der Menschheit.
Dieser Wohlthäter ist, wenn man bloss das Bild hier fragte,
ein junger Lebemann, der von seiner guten Gesellschaft gelang-
weilt, ein Bedürfniss der Herablassung empfindet und einen
neuen Sport entdeckt in dem Jubel des Deus nobis haec otia fecit
dieses zusammengekehrten Häufleins armer Teufel — ihrem breiten
Lachen, grotesken Geberden und dem aufgewühlten Schlamm
ihres Rothwälsch. „Ich war (denn Prinz Heinz’ Schilderung passt
darauf wie gegossen) mit drei bis vier Ochsenköpfen zwischen
drei bis vier Oxhöften. Ich habe den allertiefsten Ton der Leut-
seligkeit angeschlagen. Ja Mensch, ich habe mit einer Rotte
von Küfern Brüderschaft gemacht, und kann sie alle bei ihrem
Taufnamen nennen“. Der umgestürzte Becher am Boden entglitt
wahrscheinlich dem knienden Soldaten, der eben für sein Probestück
bekränzt wird 1). Nachdem wird der Toast getrunken werden, für
1) Guzman de Alfarache (I, 2, 5) beschreibt ein solches Gelage von Cofrades
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/283>, abgerufen am 22.11.2024.
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