Hut (oder Hund?); vier venezianische Buhlerinnen; das Ge- mälde einer Braut 1).
Dagegen hat Rubens, der klassische Maler der Jesuitende- votion, in dem erzkatholischen Spanien weder für den König noch für eine Kirche christliche Bilder gemalt; nur jene zwei für Leganes und Cardenas sind bekannt. Erst später sandte er dem Hospital seiner Nation in Madrid ein vorzügliches Werk, das ganz von seiner Hand war. Es ist die Marter des heil. An- dreas und befindet sich noch in der neuerbauten Kapelle jenes Hospitals. Wenn er in der Wahl heiliger Bilder dem Zug seines Herzens folgte, ergriff er gern Stoffe, wo physische Qual oder schmachtende Wollust mit mystischer Verzücktheit sich mischte. Als er am Abend seines Lebens für das ihm als Schauplatz der Kindheit werthe heilige Köln ein eigenhändiges, mit besondrer Liebe gearbeitetes Werk stiften wollte, ersann er ein Gemälde, das man als den Triumph des Grässlichen bezeichnen kann. So malte er für Madrid den Apostel wie er, nachdem er zwei Tage lang, umgeben von seinen Getreuen, am Kreuze gehangen, auf Befehl des Proconsuls losgebunden werden soll, aber auf sein Gebet von einem himmlischen Glanz verhüllt und der Umgebung entrückt seinen Geist aufgiebt. Wenig Bilder giebt es, die so geistreich gemalt sind: das himmlische Licht kämpft mit dem irdischen Dunkel wie mit einem ungestüm bewegten Meer.
Nur ein Gemälde ist bekannt, das ihm eine spanische Scenerie eingegeben hat; es ist zugleich eine Erinnerung an sein Zusam- mensein mit Velazquez, der ihn auf dem Ausflug nach dem Es- corial begleitete. Bei dieser Gelegenheit erklommen sie einen Gipfel der unwirthlichen Sierra, welche das Kloster Philipp II beherrscht. Von der Höhe der Sierra tocada (so genannt von ihrer beständigen Verschleierung in Wolken), dem schneebedeck- ten Gipfel der Sierra S. Juan en Malagon, nahm er eine Skizze des Escorial auf, der hier in der Tiefe zu einem Schmuckkäst- chen verkleinert erscheint, "mit dem Dorf und der Allee, Fres- neda mit den beiden Teichen, der Strasse nach Madrid, das am Horizont auftaucht". "Das Gebirge, schreibt er im April 1640 an B. Gerbier, ist sehr hoch und steil, und schwer herauf wie herunter zu kommen; wir sahen die Wolken tief unter uns,
1) Vielleicht: Una Veneciana vestida de raso blanco con bordaduras de oro, en la mano derecha un abentador de palma y una punta de una hoja verde en los pechos. Inventar von 1636. Pieza en que S. M. negocia en el cuarto bajo de verano.
Rubens in Madrid.
Hut (oder Hund?); vier venezianische Buhlerinnen; das Ge- mälde einer Braut 1).
Dagegen hat Rubens, der klassische Maler der Jesuitende- votion, in dem erzkatholischen Spanien weder für den König noch für eine Kirche christliche Bilder gemalt; nur jene zwei für Leganés und Cárdenas sind bekannt. Erst später sandte er dem Hospital seiner Nation in Madrid ein vorzügliches Werk, das ganz von seiner Hand war. Es ist die Marter des heil. An- dreas und befindet sich noch in der neuerbauten Kapelle jenes Hospitals. Wenn er in der Wahl heiliger Bilder dem Zug seines Herzens folgte, ergriff er gern Stoffe, wo physische Qual oder schmachtende Wollust mit mystischer Verzücktheit sich mischte. Als er am Abend seines Lebens für das ihm als Schauplatz der Kindheit werthe heilige Köln ein eigenhändiges, mit besondrer Liebe gearbeitetes Werk stiften wollte, ersann er ein Gemälde, das man als den Triumph des Grässlichen bezeichnen kann. So malte er für Madrid den Apostel wie er, nachdem er zwei Tage lang, umgeben von seinen Getreuen, am Kreuze gehangen, auf Befehl des Proconsuls losgebunden werden soll, aber auf sein Gebet von einem himmlischen Glanz verhüllt und der Umgebung entrückt seinen Geist aufgiebt. Wenig Bilder giebt es, die so geistreich gemalt sind: das himmlische Licht kämpft mit dem irdischen Dunkel wie mit einem ungestüm bewegten Meer.
Nur ein Gemälde ist bekannt, das ihm eine spanische Scenerie eingegeben hat; es ist zugleich eine Erinnerung an sein Zusam- mensein mit Velazquez, der ihn auf dem Ausflug nach dem Es- corial begleitete. Bei dieser Gelegenheit erklommen sie einen Gipfel der unwirthlichen Sierra, welche das Kloster Philipp II beherrscht. Von der Höhe der Sierra tocada (so genannt von ihrer beständigen Verschleierung in Wolken), dem schneebedeck- ten Gipfel der Sierra S. Juan en Malagon, nahm er eine Skizze des Escorial auf, der hier in der Tiefe zu einem Schmuckkäst- chen verkleinert erscheint, „mit dem Dorf und der Allee, Fres- neda mit den beiden Teichen, der Strasse nach Madrid, das am Horizont auftaucht“. „Das Gebirge, schreibt er im April 1640 an B. Gerbier, ist sehr hoch und steil, und schwer herauf wie herunter zu kommen; wir sahen die Wolken tief unter uns,
1) Vielleicht: Una Veneciana vestida de raso blanco con bordaduras de oro, en la mano derecha un abentador de palma y una punta de una hoja verde en los pechos. Inventar von 1636. Pieza en que S. M. negocia en el cuarto bajo de verano.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><list><item><pbfacs="#f0269"n="245"/><fwplace="top"type="header">Rubens in Madrid.</fw><lb/>
Hut (oder Hund?); vier venezianische Buhlerinnen; das Ge-<lb/>
mälde einer Braut <noteplace="foot"n="1)">Vielleicht: Una Veneciana vestida de raso blanco con bordaduras de oro,<lb/>
en la mano derecha un abentador de palma y una punta de una hoja verde en los<lb/>
pechos. Inventar von 1636. Pieza en que S. M. negocia en el cuarto bajo de verano.</note>.</item></list><lb/><p>Dagegen hat Rubens, der klassische Maler der Jesuitende-<lb/>
votion, in dem erzkatholischen Spanien weder für den König<lb/>
noch für eine Kirche christliche Bilder gemalt; nur jene zwei<lb/>
für Leganés und Cárdenas sind bekannt. Erst später sandte er<lb/>
dem Hospital seiner Nation in Madrid ein vorzügliches Werk,<lb/>
das ganz von seiner Hand war. Es ist die Marter des heil. An-<lb/>
dreas und befindet sich noch in der neuerbauten Kapelle jenes<lb/>
Hospitals. Wenn er in der Wahl heiliger Bilder dem Zug seines<lb/>
Herzens folgte, ergriff er gern Stoffe, wo physische Qual oder<lb/>
schmachtende Wollust mit mystischer Verzücktheit sich mischte.<lb/>
Als er am Abend seines Lebens für das ihm als Schauplatz der<lb/>
Kindheit werthe heilige Köln ein eigenhändiges, mit besondrer<lb/>
Liebe gearbeitetes Werk stiften wollte, ersann er ein Gemälde,<lb/>
das man als den Triumph des Grässlichen bezeichnen kann. So<lb/>
malte er für Madrid den Apostel wie er, nachdem er zwei Tage<lb/>
lang, umgeben von seinen Getreuen, am Kreuze gehangen, auf<lb/>
Befehl des Proconsuls losgebunden werden soll, aber auf sein<lb/>
Gebet von einem himmlischen Glanz verhüllt und der Umgebung<lb/>
entrückt seinen Geist aufgiebt. Wenig Bilder giebt es, die so<lb/>
geistreich gemalt sind: das himmlische Licht kämpft mit dem<lb/>
irdischen Dunkel wie mit einem ungestüm bewegten Meer.</p><lb/><p>Nur <hirendition="#i">ein</hi> Gemälde ist bekannt, das ihm eine spanische Scenerie<lb/>
eingegeben hat; es ist zugleich eine Erinnerung an sein Zusam-<lb/>
mensein mit Velazquez, der ihn auf dem Ausflug nach dem Es-<lb/>
corial begleitete. Bei dieser Gelegenheit erklommen sie einen<lb/>
Gipfel der unwirthlichen Sierra, welche das Kloster Philipp II<lb/>
beherrscht. Von der Höhe der <hirendition="#i">Sierra tocada</hi> (so genannt von ihrer<lb/>
beständigen Verschleierung in Wolken), dem schneebedeck-<lb/>
ten Gipfel der Sierra S. Juan en Malagon, nahm er eine Skizze<lb/>
des Escorial auf, der hier in der Tiefe zu einem Schmuckkäst-<lb/>
chen verkleinert erscheint, „mit dem Dorf und der Allee, Fres-<lb/>
neda mit den beiden Teichen, der Strasse nach Madrid, das am<lb/>
Horizont auftaucht“. „Das Gebirge, schreibt er im April 1640<lb/>
an B. Gerbier, ist sehr hoch und steil, und schwer herauf wie<lb/>
herunter zu kommen; wir sahen die Wolken tief unter uns,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[245/0269]
Rubens in Madrid.
Hut (oder Hund?); vier venezianische Buhlerinnen; das Ge-
mälde einer Braut 1).
Dagegen hat Rubens, der klassische Maler der Jesuitende-
votion, in dem erzkatholischen Spanien weder für den König
noch für eine Kirche christliche Bilder gemalt; nur jene zwei
für Leganés und Cárdenas sind bekannt. Erst später sandte er
dem Hospital seiner Nation in Madrid ein vorzügliches Werk,
das ganz von seiner Hand war. Es ist die Marter des heil. An-
dreas und befindet sich noch in der neuerbauten Kapelle jenes
Hospitals. Wenn er in der Wahl heiliger Bilder dem Zug seines
Herzens folgte, ergriff er gern Stoffe, wo physische Qual oder
schmachtende Wollust mit mystischer Verzücktheit sich mischte.
Als er am Abend seines Lebens für das ihm als Schauplatz der
Kindheit werthe heilige Köln ein eigenhändiges, mit besondrer
Liebe gearbeitetes Werk stiften wollte, ersann er ein Gemälde,
das man als den Triumph des Grässlichen bezeichnen kann. So
malte er für Madrid den Apostel wie er, nachdem er zwei Tage
lang, umgeben von seinen Getreuen, am Kreuze gehangen, auf
Befehl des Proconsuls losgebunden werden soll, aber auf sein
Gebet von einem himmlischen Glanz verhüllt und der Umgebung
entrückt seinen Geist aufgiebt. Wenig Bilder giebt es, die so
geistreich gemalt sind: das himmlische Licht kämpft mit dem
irdischen Dunkel wie mit einem ungestüm bewegten Meer.
Nur ein Gemälde ist bekannt, das ihm eine spanische Scenerie
eingegeben hat; es ist zugleich eine Erinnerung an sein Zusam-
mensein mit Velazquez, der ihn auf dem Ausflug nach dem Es-
corial begleitete. Bei dieser Gelegenheit erklommen sie einen
Gipfel der unwirthlichen Sierra, welche das Kloster Philipp II
beherrscht. Von der Höhe der Sierra tocada (so genannt von ihrer
beständigen Verschleierung in Wolken), dem schneebedeck-
ten Gipfel der Sierra S. Juan en Malagon, nahm er eine Skizze
des Escorial auf, der hier in der Tiefe zu einem Schmuckkäst-
chen verkleinert erscheint, „mit dem Dorf und der Allee, Fres-
neda mit den beiden Teichen, der Strasse nach Madrid, das am
Horizont auftaucht“. „Das Gebirge, schreibt er im April 1640
an B. Gerbier, ist sehr hoch und steil, und schwer herauf wie
herunter zu kommen; wir sahen die Wolken tief unter uns,
1) Vielleicht: Una Veneciana vestida de raso blanco con bordaduras de oro,
en la mano derecha un abentador de palma y una punta de una hoja verde en los
pechos. Inventar von 1636. Pieza en que S. M. negocia en el cuarto bajo de verano.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/269>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.