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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Zweites Buch.

Einen unverhofften Anlass sollte ihm die hohe Politik ver-
schaffen, zu der ihm in den letzten Jahren gelungen war in Be-
ziehungen zu treten. Die Gelegenheit kam von England. Seit dem
Anfang des Jahres 1627 hatte der englische Minister durch Bal-
thasar Gerbier Rubens, dem Vertrauten der Infantin, Mitthei-
lungen machen lassen über den Wunsch der englischen Regie-
rung, mit Spanien Frieden zu schliessen. Man sieht nun, wie er
die Aktenstücke, in deren Besitz er gelangt ist, zu benutzen
sucht, um eine Sendung nach Madrid zu bekommen. Natür-
lich wollte der dortige Staatsrath, oder Olivares, sobald schien
dass es England Ernst sei, von jenen Schriftstücken genauere
Kenntniss haben. So schrieb der König am 1. Mai 1628 an seine
Tante. Der Maler erklärte sich nun erbötig, die Briefe zu
übergeben, bemerkte jedoch, dass er selbst dabei nöthig sei, um
sie zu erklären, und schlug vor, Philipp möge eine Vertrauens-
person bezeichnen, der er sie in Brüssel vorlegen könne, oder
aber, wenn es S. M. beliebe, man möge ihn selbst nach Madrid
rufen. Das Interesse der Infantin hierfür gewann er durch die
Aussicht, ihr die Bildnisse der Neffen und Nichten zu bringen,
die sie nie im Leben gesehen hatte; auch einige für den König
ausgeführte Arbeiten könnte er dann persönlich übergeben. Der
spanische Staatsrath (in dem auch der Kunstfreund und Verehrer
des Rubens, Leganes sass) erklärte sich mit dem letztern Vor-
schlag einverstanden (4. Juli); der König fügte dem Beschluss
noch die Bemerkung hinzu, "man solle Rubens nicht zureden zu
kommen, sondern ihm die Entscheidung anheimstellen" 1), d. h.,
er soll wissen, dass seine Anwesenheit der spanischen Regierung
geschäftlich ganz einerlei ist, dass ihm aber der König, der seine
Absichten wol errathen hat, darin gern freie Hand lässt; die
Reise ist seine Privatangelegenheit.

Zu verwundern wäre es, wenn diess Auftreten des flämischen
Malers als diplomatico espannol ganz ohne Murren des spanischen
Formalismus hingenommen worden wäre. In einem Brief des Königs
an die Infantin vom 15. Juni 1627 wird diesem Aergerniss in
starken Worten Ausdruck gegeben. "Ich glaube Ew. Hoheit sagen
zu sollen, dass ich sehr übel vermerkt habe, wie als Minister so gros-
ser Materien ein Maler hereingebracht wird, eine Sache die für diese
Monarchie, wie leicht begreiflich, etwas sehr Herabsetzendes hat,

1) Pero en esto no se ha de hacer instancia, sino dejar que el, como interes
suyo, lo disponga. Gachard a. a. O. 92.
Zweites Buch.

Einen unverhofften Anlass sollte ihm die hohe Politik ver-
schaffen, zu der ihm in den letzten Jahren gelungen war in Be-
ziehungen zu treten. Die Gelegenheit kam von England. Seit dem
Anfang des Jahres 1627 hatte der englische Minister durch Bal-
thasar Gerbier Rubens, dem Vertrauten der Infantin, Mitthei-
lungen machen lassen über den Wunsch der englischen Regie-
rung, mit Spanien Frieden zu schliessen. Man sieht nun, wie er
die Aktenstücke, in deren Besitz er gelangt ist, zu benutzen
sucht, um eine Sendung nach Madrid zu bekommen. Natür-
lich wollte der dortige Staatsrath, oder Olivares, sobald schien
dass es England Ernst sei, von jenen Schriftstücken genauere
Kenntniss haben. So schrieb der König am 1. Mai 1628 an seine
Tante. Der Maler erklärte sich nun erbötig, die Briefe zu
übergeben, bemerkte jedoch, dass er selbst dabei nöthig sei, um
sie zu erklären, und schlug vor, Philipp möge eine Vertrauens-
person bezeichnen, der er sie in Brüssel vorlegen könne, oder
aber, wenn es S. M. beliebe, man möge ihn selbst nach Madrid
rufen. Das Interesse der Infantin hierfür gewann er durch die
Aussicht, ihr die Bildnisse der Neffen und Nichten zu bringen,
die sie nie im Leben gesehen hatte; auch einige für den König
ausgeführte Arbeiten könnte er dann persönlich übergeben. Der
spanische Staatsrath (in dem auch der Kunstfreund und Verehrer
des Rubens, Leganés sass) erklärte sich mit dem letztern Vor-
schlag einverstanden (4. Juli); der König fügte dem Beschluss
noch die Bemerkung hinzu, „man solle Rubens nicht zureden zu
kommen, sondern ihm die Entscheidung anheimstellen“ 1), d. h.,
er soll wissen, dass seine Anwesenheit der spanischen Regierung
geschäftlich ganz einerlei ist, dass ihm aber der König, der seine
Absichten wol errathen hat, darin gern freie Hand lässt; die
Reise ist seine Privatangelegenheit.

Zu verwundern wäre es, wenn diess Auftreten des flämischen
Malers als diplomático español ganz ohne Murren des spanischen
Formalismus hingenommen worden wäre. In einem Brief des Königs
an die Infantin vom 15. Juni 1627 wird diesem Aergerniss in
starken Worten Ausdruck gegeben. „Ich glaube Ew. Hoheit sagen
zu sollen, dass ich sehr übel vermerkt habe, wie als Minister so gros-
ser Materien ein Maler hereingebracht wird, eine Sache die für diese
Monarchie, wie leicht begreiflich, etwas sehr Herabsetzendes hat,

1) Pero en esto no se ha de hacer instancia, sino dejar que él, como interes
suyo, lo disponga. Gachard a. a. O. 92.
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[236/0260] Zweites Buch. Einen unverhofften Anlass sollte ihm die hohe Politik ver- schaffen, zu der ihm in den letzten Jahren gelungen war in Be- ziehungen zu treten. Die Gelegenheit kam von England. Seit dem Anfang des Jahres 1627 hatte der englische Minister durch Bal- thasar Gerbier Rubens, dem Vertrauten der Infantin, Mitthei- lungen machen lassen über den Wunsch der englischen Regie- rung, mit Spanien Frieden zu schliessen. Man sieht nun, wie er die Aktenstücke, in deren Besitz er gelangt ist, zu benutzen sucht, um eine Sendung nach Madrid zu bekommen. Natür- lich wollte der dortige Staatsrath, oder Olivares, sobald schien dass es England Ernst sei, von jenen Schriftstücken genauere Kenntniss haben. So schrieb der König am 1. Mai 1628 an seine Tante. Der Maler erklärte sich nun erbötig, die Briefe zu übergeben, bemerkte jedoch, dass er selbst dabei nöthig sei, um sie zu erklären, und schlug vor, Philipp möge eine Vertrauens- person bezeichnen, der er sie in Brüssel vorlegen könne, oder aber, wenn es S. M. beliebe, man möge ihn selbst nach Madrid rufen. Das Interesse der Infantin hierfür gewann er durch die Aussicht, ihr die Bildnisse der Neffen und Nichten zu bringen, die sie nie im Leben gesehen hatte; auch einige für den König ausgeführte Arbeiten könnte er dann persönlich übergeben. Der spanische Staatsrath (in dem auch der Kunstfreund und Verehrer des Rubens, Leganés sass) erklärte sich mit dem letztern Vor- schlag einverstanden (4. Juli); der König fügte dem Beschluss noch die Bemerkung hinzu, „man solle Rubens nicht zureden zu kommen, sondern ihm die Entscheidung anheimstellen“ 1), d. h., er soll wissen, dass seine Anwesenheit der spanischen Regierung geschäftlich ganz einerlei ist, dass ihm aber der König, der seine Absichten wol errathen hat, darin gern freie Hand lässt; die Reise ist seine Privatangelegenheit. Zu verwundern wäre es, wenn diess Auftreten des flämischen Malers als diplomático español ganz ohne Murren des spanischen Formalismus hingenommen worden wäre. In einem Brief des Königs an die Infantin vom 15. Juni 1627 wird diesem Aergerniss in starken Worten Ausdruck gegeben. „Ich glaube Ew. Hoheit sagen zu sollen, dass ich sehr übel vermerkt habe, wie als Minister so gros- ser Materien ein Maler hereingebracht wird, eine Sache die für diese Monarchie, wie leicht begreiflich, etwas sehr Herabsetzendes hat, 1) Pero en esto no se ha de hacer instancia, sino dejar que él, como interes suyo, lo disponga. Gachard a. a. O. 92.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/260>, abgerufen am 22.11.2024.