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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Vertreibung der Moriscos.
Köpfe malen könne. Der Maler erwiderte: Diese Herren machen
mir ein grosses Kompliment: ich wenigstens kenne keinen, der
einen Kopf gut zu malen verstände. Aber er beruhigte sich nicht
dabei: so wenig er die Ansicht seiner Collegen über den Werth
der Köpfe theilte, so wusste er sich doch Manns genug, auch
auf dem Boden der historischen Malerei einen Gang mit ihnen
wagen zu können.

Man kam auf den Einfall einer Concurrenz, eines Maler-
tourniers, und vielleicht war es Velazquez selbst, der dem Könige
diese ritterliche Form des Austrags vorschlug.

Der König stellte also ein Thema aus der Nationalgeschichte,
das seine vier Maler, Carducho, Cajesi, Nardi, Velazquez jeder
in derselben Grösse behandeln sollten: drei Ellen (varas) Höhe,
fünf Breite 1). Eine Kommission hatte über den Sieger zu entschei-
den. Gegenstand und Preisrichter waren so gewählt, dass sich
beide Parteien nicht beschweren konnten.

Es war die unter dem Vater des Königs ausgeführte Ver-
treibung der Moriscos aus Valencia (1609). Die Politik hatte
schon lange zu einer solchen Massregel gegen den unversöhn-
lichen Feind im Herzen des Landes gedrängt; durchgesetzt wurde
sie durch den Glaubenseifer des Erzbischofs Ribera von Valencia,
einer der Leuchten der spanischen und der katholischen Prälatur.
Diese verhängnissvolle That galt natürlich dem damaligen Spanier
mit seiner Ueberzeugung von der Unfehlbarkeit des überlieferten
politisch-kirchlichen Systems für das glorreichste Ereigniss des
Jahrhunderts, die letzte Besiegelung der Befreiung von der
afrikanischen Invasion, für die heroische That eines heiligen
Königs:


por el tercero santo, el mar profundo
al Africa paso (sentencia justa),
despreciando sus barbaros tesoros,
las ultimas reliquias de los moros
.

Lope, corona tragica, 1627.

Freilich bedeuteten diese "Barbarenschätze" nicht viel weni-
ger als den Wolstand eines Reichs, denn die Austreibung von hun-
derttausenden einer fleissigen Landbevölkerung war nur ein Glied
in der Kette selbstmörderischer Handlungen, durch die Spanien

1) Inventare des Schlosses vom J. 1686 und 1703. Otro quadro del mismo
tamanno [wie Rubens Sabinerinnen] la Expulsion de los Moriscos por el Sr. Rey
D. Phelipe tercero original de mano de Diego de Velazquez.

Die Vertreibung der Moriscos.
Köpfe malen könne. Der Maler erwiderte: Diese Herren machen
mir ein grosses Kompliment: ich wenigstens kenne keinen, der
einen Kopf gut zu malen verstände. Aber er beruhigte sich nicht
dabei: so wenig er die Ansicht seiner Collegen über den Werth
der Köpfe theilte, so wusste er sich doch Manns genug, auch
auf dem Boden der historischen Malerei einen Gang mit ihnen
wagen zu können.

Man kam auf den Einfall einer Concurrenz, eines Maler-
tourniers, und vielleicht war es Velazquez selbst, der dem Könige
diese ritterliche Form des Austrags vorschlug.

Der König stellte also ein Thema aus der Nationalgeschichte,
das seine vier Maler, Carducho, Cajesi, Nardi, Velazquez jeder
in derselben Grösse behandeln sollten: drei Ellen (varas) Höhe,
fünf Breite 1). Eine Kommission hatte über den Sieger zu entschei-
den. Gegenstand und Preisrichter waren so gewählt, dass sich
beide Parteien nicht beschweren konnten.

Es war die unter dem Vater des Königs ausgeführte Ver-
treibung der Moriscos aus Valencia (1609). Die Politik hatte
schon lange zu einer solchen Massregel gegen den unversöhn-
lichen Feind im Herzen des Landes gedrängt; durchgesetzt wurde
sie durch den Glaubenseifer des Erzbischofs Ribera von Valencia,
einer der Leuchten der spanischen und der katholischen Prälatur.
Diese verhängnissvolle That galt natürlich dem damaligen Spanier
mit seiner Ueberzeugung von der Unfehlbarkeit des überlieferten
politisch-kirchlichen Systems für das glorreichste Ereigniss des
Jahrhunderts, die letzte Besiegelung der Befreiung von der
afrikanischen Invasion, für die heroische That eines heiligen
Königs:


por el tercero santo, el mar profundo
al Africa pasó (sentencia justa),
despreciando sus bárbaros tesoros,
las últimas reliquias de los moros
.

Lope, corona tragica, 1627.

Freilich bedeuteten diese „Barbarenschätze“ nicht viel weni-
ger als den Wolstand eines Reichs, denn die Austreibung von hun-
derttausenden einer fleissigen Landbevölkerung war nur ein Glied
in der Kette selbstmörderischer Handlungen, durch die Spanien

1) Inventare des Schlosses vom J. 1686 und 1703. Otro quadro del mismo
tamaño [wie Rubens Sabinerinnen] la Expulsion de los Moriscos por el Sr. Rey
D. Phelipe terçero original de mano de Diego de Velazquez.
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[231/0255] Die Vertreibung der Moriscos. Köpfe malen könne. Der Maler erwiderte: Diese Herren machen mir ein grosses Kompliment: ich wenigstens kenne keinen, der einen Kopf gut zu malen verstände. Aber er beruhigte sich nicht dabei: so wenig er die Ansicht seiner Collegen über den Werth der Köpfe theilte, so wusste er sich doch Manns genug, auch auf dem Boden der historischen Malerei einen Gang mit ihnen wagen zu können. Man kam auf den Einfall einer Concurrenz, eines Maler- tourniers, und vielleicht war es Velazquez selbst, der dem Könige diese ritterliche Form des Austrags vorschlug. Der König stellte also ein Thema aus der Nationalgeschichte, das seine vier Maler, Carducho, Cajesi, Nardi, Velazquez jeder in derselben Grösse behandeln sollten: drei Ellen (varas) Höhe, fünf Breite 1). Eine Kommission hatte über den Sieger zu entschei- den. Gegenstand und Preisrichter waren so gewählt, dass sich beide Parteien nicht beschweren konnten. Es war die unter dem Vater des Königs ausgeführte Ver- treibung der Moriscos aus Valencia (1609). Die Politik hatte schon lange zu einer solchen Massregel gegen den unversöhn- lichen Feind im Herzen des Landes gedrängt; durchgesetzt wurde sie durch den Glaubenseifer des Erzbischofs Ribera von Valencia, einer der Leuchten der spanischen und der katholischen Prälatur. Diese verhängnissvolle That galt natürlich dem damaligen Spanier mit seiner Ueberzeugung von der Unfehlbarkeit des überlieferten politisch-kirchlichen Systems für das glorreichste Ereigniss des Jahrhunderts, die letzte Besiegelung der Befreiung von der afrikanischen Invasion, für die heroische That eines heiligen Königs: por el tercero santo, el mar profundo al Africa pasó (sentencia justa), despreciando sus bárbaros tesoros, las últimas reliquias de los moros. Lope, corona tragica, 1627. Freilich bedeuteten diese „Barbarenschätze“ nicht viel weni- ger als den Wolstand eines Reichs, denn die Austreibung von hun- derttausenden einer fleissigen Landbevölkerung war nur ein Glied in der Kette selbstmörderischer Handlungen, durch die Spanien 1) Inventare des Schlosses vom J. 1686 und 1703. Otro quadro del mismo tamaño [wie Rubens Sabinerinnen] la Expulsion de los Moriscos por el Sr. Rey D. Phelipe terçero original de mano de Diego de Velazquez.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/255>, abgerufen am 22.11.2024.