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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Gespräche über die Malerei.
von diesem Pfahl im Fleisch zu befreien. Nicht viel weniger als
ein Drittel unsres Buches nehmen die sieben Gutachten ein, welche
den Antrag der Maler bei dem Finanzcolleg befürworten sollten.
Darunter waren Namen wie Lope de Vega und Jauregui. --
Der Process wurde zu ihren Gunsten entschieden. --

Diese Streitfrage giebt zum Theil die Stimmung der Dialogos,
die voll sind von Jeremiaden über die Geringschätzung der Kunst
in Spanien, ein altes, schon von Francisco de Holanda behandeltes
und dem Michelangelo in den Mund gelegtes Thema. Damit wech-
seln Beispielsammlungen für die Ehren der Kunst, vom Alterthum
bis auf das erstaunliche Register (im achten Buche) der Mäcene,
Liebhaber und Sammler der Stadt Madrid. Die Erregtheit des
beifallbedürftigen Künstlergemüths oscillirt zwischen diesen
entgegengesetzten Vorstellungen. Er glaubte dabei für eine
Lebensfrage der Kunst einzutreten. Denn alles Steigen und
Sinken der Kunst hängt ab von der Achtung und Gunst der
Könige und Monarchen 1). Und einer seiner Sachwalter, der Jurist
Juan de Butron, meint, Spanien fehlten nicht Talente oder Stu-
dien, sondern Schutz, Belohnungen, Gönnerschaften 2).

Indess diese Steuerfrage war doch nur die gelegentliche,
äusserliche Tendenz des Buchs; ein viel tieferes Anliegen des
Verfassers ist die Auseinandersetzung mit dem Naturalismus.
Sein Hass gegen diesen entspringt dem "Eifer für die Hochhal-
tung der Malerei, der Angst vor ihrem Ruin" 3). Er lässt den
jungen Freund sein Befremden äussern, wo denn in dem vorge-
tragenen Lehrgebäude jene Art der Malerei bleibe, "so lebendig
und natürlich, dass sie alle in Bewunderung und Erstaunen setzt,
und die darin besteht, dass man die Sache, die man nachmachen
will, vor Augen sich stellt und behält". Diese Frage giebt dem
Meister das Stichwort zu einer heftigen Polemik. Das besondere
Interesse des Systems einer Künstlerpartei wird sofort mit jener
allgemeinen Angelegenheit, dem Kampf für die Noblesse der
Malerei solidarisch gemacht. Der Gedankengang ist folgender:
Die Würde, die wir für unsere Kunst beanspruchen, verdankt
sie ihrem intellektuellen Charakter, ihrer "Wissenschaftlichkeit".

1) Todas las cosas tienen alientos, y desmayos, segun son estimadas y favore-
cidas de los Reyes y Monarcas S. 86.
2) Juan de Butron, discursos apologeticos. Madrid 1626 am Schluss. Diess
Werk ist unter den spanischen Schriften über Malerei wol das unergiebigste.
3) Er schreibe zeloso de su estimacion, temoroso de su ruina. S. 19. Aehn-
lich Franc. Albano bei Malvasia, Felsina II, 144 (il precipitio, e la totale ruina).
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Die Gespräche über die Malerei.
von diesem Pfahl im Fleisch zu befreien. Nicht viel weniger als
ein Drittel unsres Buches nehmen die sieben Gutachten ein, welche
den Antrag der Maler bei dem Finanzcolleg befürworten sollten.
Darunter waren Namen wie Lope de Vega und Jauregui. —
Der Process wurde zu ihren Gunsten entschieden. —

Diese Streitfrage giebt zum Theil die Stimmung der Diálogos,
die voll sind von Jeremiaden über die Geringschätzung der Kunst
in Spanien, ein altes, schon von Francisco de Holanda behandeltes
und dem Michelangelo in den Mund gelegtes Thema. Damit wech-
seln Beispielsammlungen für die Ehren der Kunst, vom Alterthum
bis auf das erstaunliche Register (im achten Buche) der Mäcene,
Liebhaber und Sammler der Stadt Madrid. Die Erregtheit des
beifallbedürftigen Künstlergemüths oscillirt zwischen diesen
entgegengesetzten Vorstellungen. Er glaubte dabei für eine
Lebensfrage der Kunst einzutreten. Denn alles Steigen und
Sinken der Kunst hängt ab von der Achtung und Gunst der
Könige und Monarchen 1). Und einer seiner Sachwalter, der Jurist
Juan de Butron, meint, Spanien fehlten nicht Talente oder Stu-
dien, sondern Schutz, Belohnungen, Gönnerschaften 2).

Indess diese Steuerfrage war doch nur die gelegentliche,
äusserliche Tendenz des Buchs; ein viel tieferes Anliegen des
Verfassers ist die Auseinandersetzung mit dem Naturalismus.
Sein Hass gegen diesen entspringt dem „Eifer für die Hochhal-
tung der Malerei, der Angst vor ihrem Ruin“ 3). Er lässt den
jungen Freund sein Befremden äussern, wo denn in dem vorge-
tragenen Lehrgebäude jene Art der Malerei bleibe, „so lebendig
und natürlich, dass sie alle in Bewunderung und Erstaunen setzt,
und die darin besteht, dass man die Sache, die man nachmachen
will, vor Augen sich stellt und behält“. Diese Frage giebt dem
Meister das Stichwort zu einer heftigen Polemik. Das besondere
Interesse des Systems einer Künstlerpartei wird sofort mit jener
allgemeinen Angelegenheit, dem Kampf für die Noblesse der
Malerei solidarisch gemacht. Der Gedankengang ist folgender:
Die Würde, die wir für unsere Kunst beanspruchen, verdankt
sie ihrem intellektuellen Charakter, ihrer „Wissenschaftlichkeit“.

1) Todas las cosas tienen alientos, y desmayos, segun son estimadas y favore-
cidas de los Reyes y Monarcas S. 86.
2) Juan de Butron, discursos apologéticos. Madrid 1626 am Schluss. Diess
Werk ist unter den spanischen Schriften über Malerei wol das unergiebigste.
3) Er schreibe zeloso de su estimacion, temoroso de su ruina. S. 19. Aehn-
lich Franc. Albano bei Malvasia, Felsina II, 144 (il precipitio, e la totale ruina).
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[225/0249] Die Gespräche über die Malerei. von diesem Pfahl im Fleisch zu befreien. Nicht viel weniger als ein Drittel unsres Buches nehmen die sieben Gutachten ein, welche den Antrag der Maler bei dem Finanzcolleg befürworten sollten. Darunter waren Namen wie Lope de Vega und Jauregui. — Der Process wurde zu ihren Gunsten entschieden. — Diese Streitfrage giebt zum Theil die Stimmung der Diálogos, die voll sind von Jeremiaden über die Geringschätzung der Kunst in Spanien, ein altes, schon von Francisco de Holanda behandeltes und dem Michelangelo in den Mund gelegtes Thema. Damit wech- seln Beispielsammlungen für die Ehren der Kunst, vom Alterthum bis auf das erstaunliche Register (im achten Buche) der Mäcene, Liebhaber und Sammler der Stadt Madrid. Die Erregtheit des beifallbedürftigen Künstlergemüths oscillirt zwischen diesen entgegengesetzten Vorstellungen. Er glaubte dabei für eine Lebensfrage der Kunst einzutreten. Denn alles Steigen und Sinken der Kunst hängt ab von der Achtung und Gunst der Könige und Monarchen 1). Und einer seiner Sachwalter, der Jurist Juan de Butron, meint, Spanien fehlten nicht Talente oder Stu- dien, sondern Schutz, Belohnungen, Gönnerschaften 2). Indess diese Steuerfrage war doch nur die gelegentliche, äusserliche Tendenz des Buchs; ein viel tieferes Anliegen des Verfassers ist die Auseinandersetzung mit dem Naturalismus. Sein Hass gegen diesen entspringt dem „Eifer für die Hochhal- tung der Malerei, der Angst vor ihrem Ruin“ 3). Er lässt den jungen Freund sein Befremden äussern, wo denn in dem vorge- tragenen Lehrgebäude jene Art der Malerei bleibe, „so lebendig und natürlich, dass sie alle in Bewunderung und Erstaunen setzt, und die darin besteht, dass man die Sache, die man nachmachen will, vor Augen sich stellt und behält“. Diese Frage giebt dem Meister das Stichwort zu einer heftigen Polemik. Das besondere Interesse des Systems einer Künstlerpartei wird sofort mit jener allgemeinen Angelegenheit, dem Kampf für die Noblesse der Malerei solidarisch gemacht. Der Gedankengang ist folgender: Die Würde, die wir für unsere Kunst beanspruchen, verdankt sie ihrem intellektuellen Charakter, ihrer „Wissenschaftlichkeit“. 1) Todas las cosas tienen alientos, y desmayos, segun son estimadas y favore- cidas de los Reyes y Monarcas S. 86. 2) Juan de Butron, discursos apologéticos. Madrid 1626 am Schluss. Diess Werk ist unter den spanischen Schriften über Malerei wol das unergiebigste. 3) Er schreibe zeloso de su estimacion, temoroso de su ruina. S. 19. Aehn- lich Franc. Albano bei Malvasia, Felsina II, 144 (il precipitio, e la totale ruina). 15

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/249>, abgerufen am 24.11.2024.