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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Don Carlos.
hervorsieht, liegt ein gelbes Lederkoller; dazu kommen braune
Lederhandschuhe, lange enge Lederstiefel mit goldenen Sporen.
Carmoisinrothe, goldgestickte Schärpe, mit steifer, weit abstehen-
der Schleife; goldgestickte Aermel und weite Kniehosen. Der
hellgraue Filzhut mit Repphuhnfedern, breitem faltigen Band
und einer grossen Perle liegt auf dem Tisch.

Wäre ein Soldatenkönig, ein rey batallador zu malen ge-
wesen, der Künstler hätte keine passendere Figur erfinden
können. Er scheint im Begriff sich in den Sattel zu schwingen
und an der Spitze seiner Kastilier ins Feld zu rücken. In diesen
ersten Jahren sprach er immer davon, er wolle in den Krieg,
nach Frankreich, den Fusstapfen Carl V folgen1), sein Bruder
sollte die Regierung übernehmen. Auf dem dünnen Unter-
satz der Beine breitet sich die Gestalt im Mantel aus, wie
die Krone einer Pinie. Der Kopf mit dem festen Seiten-
blick hat etwas mehr Geist. Es ist nicht der durch Geschäfte
und Etikette gelangweilte Neuling auf dem Thron, sondern der
Meister der gineta. In dem Ganzen ist etwas soldatisch und zu-
gleich hispanisch Steifes, das dort gewiss ebenso gefiel wie an-
derwärts Lebhaftigkeit und Huld.

Auch der malerische Eindruck ist neu. Auf dem Hin-
tergrund von warmem tiefem Asphaltbraun, tritt die helle
Figur, mit ihrem vielen Ledergelb vortrefflich heraus. Das Ge-
sicht mit seinen blassen, durch Schattenlinien scharf accentuirten
Formen hat den unbestritten hellsten Ton. Die rothen und gold-
gestickten Theile bringen den erforderlichen Reichthum. Am
stärksten springt durch die um ihn gehäuften Schatten der
rechte Arm mit dem Generalstab hervor. Diess Bild hat trotz
der noch nicht überwundenen Härte etwas tiziansches.

Wenig später wird das Bildniss des zwei Jahre jüngern
Bruders des Königs, des etwa zwanzigjährigen Don Carlos ge-
malt sein (Prado 1073. 1,91 x 1,03; geboren zu Madrid den
14. September 1607). Er gleicht seinem Bruder, nur ist der Un-
terkiefer besser gerundet, die Augen kleiner. Die Züge machen
einen von Rubens Bildniss abweichenden Eindruck, das freilich
nur aus dem Stich des Peter de Jode bekannt ist: ein geist-
reiches Profil von scharfen Linien, dem Kaiser von allen seinen
Nachkommen am ähnlichsten2).


1) Il Re fa del soldato, e dice voler seguir le pedate di Carlo Quinto. Fl.
Atti 1623. Farnes. Archiv.
2) Diese Aehnlichkeit fiel auf. Es giebt ein gestochenes Bildniss in ganzer

Don Carlos.
hervorsieht, liegt ein gelbes Lederkoller; dazu kommen braune
Lederhandschuhe, lange enge Lederstiefel mit goldenen Sporen.
Carmoisinrothe, goldgestickte Schärpe, mit steifer, weit abstehen-
der Schleife; goldgestickte Aermel und weite Kniehosen. Der
hellgraue Filzhut mit Repphuhnfedern, breitem faltigen Band
und einer grossen Perle liegt auf dem Tisch.

Wäre ein Soldatenkönig, ein rey batallador zu malen ge-
wesen, der Künstler hätte keine passendere Figur erfinden
können. Er scheint im Begriff sich in den Sattel zu schwingen
und an der Spitze seiner Kastilier ins Feld zu rücken. In diesen
ersten Jahren sprach er immer davon, er wolle in den Krieg,
nach Frankreich, den Fusstapfen Carl V folgen1), sein Bruder
sollte die Regierung übernehmen. Auf dem dünnen Unter-
satz der Beine breitet sich die Gestalt im Mantel aus, wie
die Krone einer Pinie. Der Kopf mit dem festen Seiten-
blick hat etwas mehr Geist. Es ist nicht der durch Geschäfte
und Etikette gelangweilte Neuling auf dem Thron, sondern der
Meister der gineta. In dem Ganzen ist etwas soldatisch und zu-
gleich hispanisch Steifes, das dort gewiss ebenso gefiel wie an-
derwärts Lebhaftigkeit und Huld.

Auch der malerische Eindruck ist neu. Auf dem Hin-
tergrund von warmem tiefem Asphaltbraun, tritt die helle
Figur, mit ihrem vielen Ledergelb vortrefflich heraus. Das Ge-
sicht mit seinen blassen, durch Schattenlinien scharf accentuirten
Formen hat den unbestritten hellsten Ton. Die rothen und gold-
gestickten Theile bringen den erforderlichen Reichthum. Am
stärksten springt durch die um ihn gehäuften Schatten der
rechte Arm mit dem Generalstab hervor. Diess Bild hat trotz
der noch nicht überwundenen Härte etwas tiziansches.

Wenig später wird das Bildniss des zwei Jahre jüngern
Bruders des Königs, des etwa zwanzigjährigen Don Carlos ge-
malt sein (Prado 1073. 1,91 × 1,03; geboren zu Madrid den
14. September 1607). Er gleicht seinem Bruder, nur ist der Un-
terkiefer besser gerundet, die Augen kleiner. Die Züge machen
einen von Rubens Bildniss abweichenden Eindruck, das freilich
nur aus dem Stich des Peter de Jode bekannt ist: ein geist-
reiches Profil von scharfen Linien, dem Kaiser von allen seinen
Nachkommen am ähnlichsten2).


1) Il Rè fa del soldato, e dice voler seguir le pedate di Carlo Quinto. Fl.
Atti 1623. Farnes. Archiv.
2) Diese Aehnlichkeit fiel auf. Es giebt ein gestochenes Bildniss in ganzer
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[205/0227] Don Carlos. hervorsieht, liegt ein gelbes Lederkoller; dazu kommen braune Lederhandschuhe, lange enge Lederstiefel mit goldenen Sporen. Carmoisinrothe, goldgestickte Schärpe, mit steifer, weit abstehen- der Schleife; goldgestickte Aermel und weite Kniehosen. Der hellgraue Filzhut mit Repphuhnfedern, breitem faltigen Band und einer grossen Perle liegt auf dem Tisch. Wäre ein Soldatenkönig, ein rey batallador zu malen ge- wesen, der Künstler hätte keine passendere Figur erfinden können. Er scheint im Begriff sich in den Sattel zu schwingen und an der Spitze seiner Kastilier ins Feld zu rücken. In diesen ersten Jahren sprach er immer davon, er wolle in den Krieg, nach Frankreich, den Fusstapfen Carl V folgen 1), sein Bruder sollte die Regierung übernehmen. Auf dem dünnen Unter- satz der Beine breitet sich die Gestalt im Mantel aus, wie die Krone einer Pinie. Der Kopf mit dem festen Seiten- blick hat etwas mehr Geist. Es ist nicht der durch Geschäfte und Etikette gelangweilte Neuling auf dem Thron, sondern der Meister der gineta. In dem Ganzen ist etwas soldatisch und zu- gleich hispanisch Steifes, das dort gewiss ebenso gefiel wie an- derwärts Lebhaftigkeit und Huld. Auch der malerische Eindruck ist neu. Auf dem Hin- tergrund von warmem tiefem Asphaltbraun, tritt die helle Figur, mit ihrem vielen Ledergelb vortrefflich heraus. Das Ge- sicht mit seinen blassen, durch Schattenlinien scharf accentuirten Formen hat den unbestritten hellsten Ton. Die rothen und gold- gestickten Theile bringen den erforderlichen Reichthum. Am stärksten springt durch die um ihn gehäuften Schatten der rechte Arm mit dem Generalstab hervor. Diess Bild hat trotz der noch nicht überwundenen Härte etwas tiziansches. Wenig später wird das Bildniss des zwei Jahre jüngern Bruders des Königs, des etwa zwanzigjährigen Don Carlos ge- malt sein (Prado 1073. 1,91 × 1,03; geboren zu Madrid den 14. September 1607). Er gleicht seinem Bruder, nur ist der Un- terkiefer besser gerundet, die Augen kleiner. Die Züge machen einen von Rubens Bildniss abweichenden Eindruck, das freilich nur aus dem Stich des Peter de Jode bekannt ist: ein geist- reiches Profil von scharfen Linien, dem Kaiser von allen seinen Nachkommen am ähnlichsten 2). 1) Il Rè fa del soldato, e dice voler seguir le pedate di Carlo Quinto. Fl. Atti 1623. Farnes. Archiv. 2) Diese Aehnlichkeit fiel auf. Es giebt ein gestochenes Bildniss in ganzer

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/227>, abgerufen am 22.11.2024.