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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Zweites Buch.
"ob er nicht, wenn er studirt hätte, vielleicht Erzbischof von
Toledo geworden wäre"; wie er den Gemäldeschatz seiner Schlös-
ser verdoppelte; wie Quevedo sein Sekretär, Gongora sein Kaplan,
Velez de Guevara sein Kammerherr, Antonio de Solis sein Mi-
nister gewesen sei, und Bartolome Argensola Historiker für die
Krone Aragon. Aber so reich war das Land an Talenten, so
verbreitet poetisches Geschick bei Geistlichen und Staatsbeamten,
dass es schwer für ihn gewesen wäre, bei der Wahl seiner Die-
ner Dichter und Schriftsteller auszulassen. Und man vergisst
das tragische Geschick eines Quevedo.

Man glaube nicht, dass ein schlechter Regent noch immer
gut genug ist für einen grossen Patron der Kunst. Wem in
seinem Beruf, der Regierung, Wille und Initiative fehlen, der
wird auch der Kunst nicht viel nützen. Es giebt Mäcene und
Mäcene; von einem Julius II, ohne den die Welt die sixtinische
Kapelle und die Stanzen nicht besässe, bis zu einem Nero (wider-
lich auftauchend in Gemälden der Gegenwart!) ist eine ge-
waltige Kluft. Die Künstler bedürfen ebenfalls eines Herr-
schergeistes zum Empfang grosser Impulse, -- wenn ein grosses
Zeitalter aufgehn soll. Eine Herrschernatur, selbst wenn ihr das
ästhetische Organ versagt ist, wird ihnen grössere Dienste
leisten können, als der genusssüchtige und eingebildete Dilettant,
oder der psychopathische Phantast. Die Geschichte predigt es
in jedem Zeitalter. "Der Lorbeer Apollo's grünt nie so frisch,
als wenn er vom Blute des Mars gedüngt ist." Jene Eigen-
schaften fehlten Philipp auch hier ganz und gar. Niemand wird
sich dem Eindruck verschliessen, dass sich mit Malern wie sie
Spanien damals hervorgebracht, ganz andere Dinge hätten er-
reichen lassen als das, was sie in Castilien hinterlassen haben.
Die Honorare, welche für dauernde Werke der hohen Kunst
gewährt und nicht einmal ausgezahlt wurden, sind verschwindend
klein im Verhältniss zu den Millionen, die man für ganz ephemere
Dinge vergeudete. "Er baute S. Isidro, den imposantesten
Tempel Madrids, und die Carmeliterkirche" (1639). Aber jetzt
ist auch dort nur eine Stimme, wie unwürdig selbst diese Kirchen
einer Hauptstadt Spaniens sind.

Das Verdienst Philipps beschränkt sich wol darauf, dass
er zu der Minderzahl unter den nicht regierenden Souveränen
gehört, die ausser für Sport, auch für die feinen Genüsse Ge-
schmack und Urtheil besassen. Das war ein Erbstück von seinem
Grossvater Philipp II, mit dem er sonst wenig Aehnlichkeit hatte.

Zweites Buch.
„ob er nicht, wenn er studirt hätte, vielleicht Erzbischof von
Toledo geworden wäre“; wie er den Gemäldeschatz seiner Schlös-
ser verdoppelte; wie Quevedo sein Sekretär, Góngora sein Kaplan,
Velez de Guevara sein Kammerherr, Antonio de Solis sein Mi-
nister gewesen sei, und Bartolomé Argensola Historiker für die
Krone Aragon. Aber so reich war das Land an Talenten, so
verbreitet poetisches Geschick bei Geistlichen und Staatsbeamten,
dass es schwer für ihn gewesen wäre, bei der Wahl seiner Die-
ner Dichter und Schriftsteller auszulassen. Und man vergisst
das tragische Geschick eines Quevedo.

Man glaube nicht, dass ein schlechter Regent noch immer
gut genug ist für einen grossen Patron der Kunst. Wem in
seinem Beruf, der Regierung, Wille und Initiative fehlen, der
wird auch der Kunst nicht viel nützen. Es giebt Mäcene und
Mäcene; von einem Julius II, ohne den die Welt die sixtinische
Kapelle und die Stanzen nicht besässe, bis zu einem Nero (wider-
lich auftauchend in Gemälden der Gegenwart!) ist eine ge-
waltige Kluft. Die Künstler bedürfen ebenfalls eines Herr-
schergeistes zum Empfang grosser Impulse, — wenn ein grosses
Zeitalter aufgehn soll. Eine Herrschernatur, selbst wenn ihr das
ästhetische Organ versagt ist, wird ihnen grössere Dienste
leisten können, als der genusssüchtige und eingebildete Dilettant,
oder der psychopathische Phantast. Die Geschichte predigt es
in jedem Zeitalter. „Der Lorbeer Apollo’s grünt nie so frisch,
als wenn er vom Blute des Mars gedüngt ist.“ Jene Eigen-
schaften fehlten Philipp auch hier ganz und gar. Niemand wird
sich dem Eindruck verschliessen, dass sich mit Malern wie sie
Spanien damals hervorgebracht, ganz andere Dinge hätten er-
reichen lassen als das, was sie in Castilien hinterlassen haben.
Die Honorare, welche für dauernde Werke der hohen Kunst
gewährt und nicht einmal ausgezahlt wurden, sind verschwindend
klein im Verhältniss zu den Millionen, die man für ganz ephemere
Dinge vergeudete. „Er baute S. Isidro, den imposantesten
Tempel Madrids, und die Carmeliterkirche“ (1639). Aber jetzt
ist auch dort nur eine Stimme, wie unwürdig selbst diese Kirchen
einer Hauptstadt Spaniens sind.

Das Verdienst Philipps beschränkt sich wol darauf, dass
er zu der Minderzahl unter den nicht regierenden Souveränen
gehört, die ausser für Sport, auch für die feinen Genüsse Ge-
schmack und Urtheil besassen. Das war ein Erbstück von seinem
Grossvater Philipp II, mit dem er sonst wenig Aehnlichkeit hatte.

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[196/0218] Zweites Buch. „ob er nicht, wenn er studirt hätte, vielleicht Erzbischof von Toledo geworden wäre“; wie er den Gemäldeschatz seiner Schlös- ser verdoppelte; wie Quevedo sein Sekretär, Góngora sein Kaplan, Velez de Guevara sein Kammerherr, Antonio de Solis sein Mi- nister gewesen sei, und Bartolomé Argensola Historiker für die Krone Aragon. Aber so reich war das Land an Talenten, so verbreitet poetisches Geschick bei Geistlichen und Staatsbeamten, dass es schwer für ihn gewesen wäre, bei der Wahl seiner Die- ner Dichter und Schriftsteller auszulassen. Und man vergisst das tragische Geschick eines Quevedo. Man glaube nicht, dass ein schlechter Regent noch immer gut genug ist für einen grossen Patron der Kunst. Wem in seinem Beruf, der Regierung, Wille und Initiative fehlen, der wird auch der Kunst nicht viel nützen. Es giebt Mäcene und Mäcene; von einem Julius II, ohne den die Welt die sixtinische Kapelle und die Stanzen nicht besässe, bis zu einem Nero (wider- lich auftauchend in Gemälden der Gegenwart!) ist eine ge- waltige Kluft. Die Künstler bedürfen ebenfalls eines Herr- schergeistes zum Empfang grosser Impulse, — wenn ein grosses Zeitalter aufgehn soll. Eine Herrschernatur, selbst wenn ihr das ästhetische Organ versagt ist, wird ihnen grössere Dienste leisten können, als der genusssüchtige und eingebildete Dilettant, oder der psychopathische Phantast. Die Geschichte predigt es in jedem Zeitalter. „Der Lorbeer Apollo’s grünt nie so frisch, als wenn er vom Blute des Mars gedüngt ist.“ Jene Eigen- schaften fehlten Philipp auch hier ganz und gar. Niemand wird sich dem Eindruck verschliessen, dass sich mit Malern wie sie Spanien damals hervorgebracht, ganz andere Dinge hätten er- reichen lassen als das, was sie in Castilien hinterlassen haben. Die Honorare, welche für dauernde Werke der hohen Kunst gewährt und nicht einmal ausgezahlt wurden, sind verschwindend klein im Verhältniss zu den Millionen, die man für ganz ephemere Dinge vergeudete. „Er baute S. Isidro, den imposantesten Tempel Madrids, und die Carmeliterkirche“ (1639). Aber jetzt ist auch dort nur eine Stimme, wie unwürdig selbst diese Kirchen einer Hauptstadt Spaniens sind. Das Verdienst Philipps beschränkt sich wol darauf, dass er zu der Minderzahl unter den nicht regierenden Souveränen gehört, die ausser für Sport, auch für die feinen Genüsse Ge- schmack und Urtheil besassen. Das war ein Erbstück von seinem Grossvater Philipp II, mit dem er sonst wenig Aehnlichkeit hatte.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/218>, abgerufen am 22.11.2024.