sterwerke italienischer Farbenkunst den Platz gefunden hatten, den sie verdienten.
Auf einer Terrasse unter der Südgalerie und dem goldenen Thurm lag der "Garten der Kaiser", ein Parterre mit Spring- brunnen, so genannt nach marmornen Kaiserbildern von Caesar bis auf Domitian, sämmtlich doppelt. Die eine Serie waren Halbfiguren, Kopien römischer Bildhauer nach Antiken, denen noch Carl V beigesellt war. Sie waren, nebst dem Bronzeab- guss des Dornausziehers ein Geschenk des Kardinals Gio. Ricci von Montepulciano (1561) und von den Künstlern selbst nach Madrid gebracht worden. Die andere Serie hatte der König kurz darauf von Pabst Pius V erhalten. Daneben sah man die Bronzebildnisse des Königs und seines Stiefbruders D. Juan de Austria, wahrscheinlich von Leone Leoni. In den gewölbten Räumen (cuadras) an diesen Gärten waren die besten Gemälde aufgehängt, die Philipp II besass, die "Fabeln", welche Tizian für ihn gemalt hatte: die beiden Dianenbäder, die Venus mit dem Orgelspieler und die mit Adonis, Danae, Europa, Tarquin und Lucrezia, Perseus und Andromeda. Hier stand auch der Tisch von florentinischer Mosaik, den der Legat Bonelli, Neffe Pius IV, ihm geschenkt hatte. Dies war der Anfang und Kern jener un- vergleichlichen Tiziansäle, die Philipp IV und Velazquez schufen. Diese Gemälde wie die meisten des Schlosses hatten schmale schwarze Rahmen (en marco negro).
An der Nordostseite lagen die Lustgärten: der Garten der Priora, der des Königs und der Königin. Noch erhalten ist, am Fuss des Abhangs nach dem Mansanares zu, jener offene Park (Jardin del Moro; Bosco di palazzo vecchio). Er war der Lieb- lingsspaziergang von Adel und Volk an den Frühlingsmorgen im April und Mai, wo man sang, Harfe spielte, scherzhafte Verse vortrug und im Gras frühstückte. Auch die Königin ging an Sommerabenden mit ihren Damen nach dem Fluss hinunter. Dieser Park war übrigens nichts als ein wilder Wald, in dessen Wipfeln die Krähen hausten, welche Carl V aus den Niederlanden hierher- gebracht hatte. An der Nordseite, unter den Fenstern der Galerie del cierzo wurde im Sommer ein "römisches Amphitheater" er- richtet, wo Thiergefechte stattfanden. Sonst diente für die gros- sen, mehr öffentlichen Hoffeste, Rohrspeertourniere, Stiergefechte, der Palastplatz. Weiter, jenseits des Mansanares, breitet sich der grosse Park der Casa del Campo aus, deren Terrain Phi- lipp II 1558 angekauft hatte.
Zweites Buch.
sterwerke italienischer Farbenkunst den Platz gefunden hatten, den sie verdienten.
Auf einer Terrasse unter der Südgalerie und dem goldenen Thurm lag der „Garten der Kaiser“, ein Parterre mit Spring- brunnen, so genannt nach marmornen Kaiserbildern von Caesar bis auf Domitian, sämmtlich doppelt. Die eine Serie waren Halbfiguren, Kopien römischer Bildhauer nach Antiken, denen noch Carl V beigesellt war. Sie waren, nebst dem Bronzeab- guss des Dornausziehers ein Geschenk des Kardinals Gio. Ricci von Montepulciano (1561) und von den Künstlern selbst nach Madrid gebracht worden. Die andere Serie hatte der König kurz darauf von Pabst Pius V erhalten. Daneben sah man die Bronzebildnisse des Königs und seines Stiefbruders D. Juan de Austria, wahrscheinlich von Leone Leoni. In den gewölbten Räumen (cuadras) an diesen Gärten waren die besten Gemälde aufgehängt, die Philipp II besass, die „Fabeln“, welche Tizian für ihn gemalt hatte: die beiden Dianenbäder, die Venus mit dem Orgelspieler und die mit Adonis, Danae, Europa, Tarquin und Lucrezia, Perseus und Andromeda. Hier stand auch der Tisch von florentinischer Mosaik, den der Legat Bonelli, Neffe Pius IV, ihm geschenkt hatte. Dies war der Anfang und Kern jener un- vergleichlichen Tiziansäle, die Philipp IV und Velazquez schufen. Diese Gemälde wie die meisten des Schlosses hatten schmale schwarze Rahmen (en marco negro).
An der Nordostseite lagen die Lustgärten: der Garten der Priora, der des Königs und der Königin. Noch erhalten ist, am Fuss des Abhangs nach dem Mansanares zu, jener offene Park (Jardin del Moro; Bosco di palazzo vecchio). Er war der Lieb- lingsspaziergang von Adel und Volk an den Frühlingsmorgen im April und Mai, wo man sang, Harfe spielte, scherzhafte Verse vortrug und im Gras frühstückte. Auch die Königin ging an Sommerabenden mit ihren Damen nach dem Fluss hinunter. Dieser Park war übrigens nichts als ein wilder Wald, in dessen Wipfeln die Krähen hausten, welche Carl V aus den Niederlanden hierher- gebracht hatte. An der Nordseite, unter den Fenstern der Galerie del cierzo wurde im Sommer ein „römisches Amphitheater“ er- richtet, wo Thiergefechte stattfanden. Sonst diente für die gros- sen, mehr öffentlichen Hoffeste, Rohrspeertourniere, Stiergefechte, der Palastplatz. Weiter, jenseits des Mansanares, breitet sich der grosse Park der Casa del Campo aus, deren Terrain Phi- lipp II 1558 angekauft hatte.
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Zweites Buch.
sterwerke italienischer Farbenkunst den Platz gefunden hatten,
den sie verdienten.
Auf einer Terrasse unter der Südgalerie und dem goldenen
Thurm lag der „Garten der Kaiser“, ein Parterre mit Spring-
brunnen, so genannt nach marmornen Kaiserbildern von Caesar
bis auf Domitian, sämmtlich doppelt. Die eine Serie waren
Halbfiguren, Kopien römischer Bildhauer nach Antiken, denen
noch Carl V beigesellt war. Sie waren, nebst dem Bronzeab-
guss des Dornausziehers ein Geschenk des Kardinals Gio. Ricci
von Montepulciano (1561) und von den Künstlern selbst nach
Madrid gebracht worden. Die andere Serie hatte der König
kurz darauf von Pabst Pius V erhalten. Daneben sah man die
Bronzebildnisse des Königs und seines Stiefbruders D. Juan de
Austria, wahrscheinlich von Leone Leoni. In den gewölbten
Räumen (cuadras) an diesen Gärten waren die besten Gemälde
aufgehängt, die Philipp II besass, die „Fabeln“, welche Tizian
für ihn gemalt hatte: die beiden Dianenbäder, die Venus mit dem
Orgelspieler und die mit Adonis, Danae, Europa, Tarquin und
Lucrezia, Perseus und Andromeda. Hier stand auch der Tisch
von florentinischer Mosaik, den der Legat Bonelli, Neffe Pius IV,
ihm geschenkt hatte. Dies war der Anfang und Kern jener un-
vergleichlichen Tiziansäle, die Philipp IV und Velazquez schufen.
Diese Gemälde wie die meisten des Schlosses hatten schmale
schwarze Rahmen (en marco negro).
An der Nordostseite lagen die Lustgärten: der Garten der
Priora, der des Königs und der Königin. Noch erhalten ist, am
Fuss des Abhangs nach dem Mansanares zu, jener offene Park
(Jardin del Moro; Bosco di palazzo vecchio). Er war der Lieb-
lingsspaziergang von Adel und Volk an den Frühlingsmorgen im
April und Mai, wo man sang, Harfe spielte, scherzhafte Verse
vortrug und im Gras frühstückte. Auch die Königin ging an
Sommerabenden mit ihren Damen nach dem Fluss hinunter. Dieser
Park war übrigens nichts als ein wilder Wald, in dessen Wipfeln
die Krähen hausten, welche Carl V aus den Niederlanden hierher-
gebracht hatte. An der Nordseite, unter den Fenstern der Galerie
del cierzo wurde im Sommer ein „römisches Amphitheater“ er-
richtet, wo Thiergefechte stattfanden. Sonst diente für die gros-
sen, mehr öffentlichen Hoffeste, Rohrspeertourniere, Stiergefechte,
der Palastplatz. Weiter, jenseits des Mansanares, breitet sich
der grosse Park der Casa del Campo aus, deren Terrain Phi-
lipp II 1558 angekauft hatte.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/212>, abgerufen am 22.11.2024.
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