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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Der alte Palast.
lichem Interesse, zur Belehrung, Erheiterung, zur Erinnerung an
Ruhmesthaten. Es waren Schlachten und Triumphzüge, Jagden,
Städtebilder und Curiositäten. Ein deutscher Reisender sah im
Mai 1599 in der Nordgalerie und dem Comödiensaal Ansichten
der grossen Städte des Reichs und Flanderns sowie der Lust-
häuser von Jorge de las Vinnas; in jener u. a.: die Schlacht bei
Mühlberg mit der Passirung der Elbe; die Schlacht bei Alcacer
Quibir, wo Don Sebastian und sein portugiesisches Heer unterging,
die Bildnisse des Königs, seines Oheims Ferdinand und des Don
Carlos, die Könige Emanuel und Sebastian von Portugal, den
Landgrafen von Hessen, den Conquistador D. Pedro Melendez,
und venezianische Schönheiten. Im Comödiensaal den Einzug
Carls V in Rom, seine Schlachten, den Einzug Alba's in Por-
tugal1).

Eine grosse Zahl wurde auf den Treppen und in den langen
geheimen Gängen untergebracht. Diese pasadizos machten es dem
Könige möglich, unsichtbar zwischen den entferntesten Punkten
des Gebäudekomplexes zu verkehren, oder hinein und heraus
zu kommen, z. B. in die Gärten. Man liest, dass Philipp II seine
Maler, Mor und Coello, in der Casa del Tesoro im Schlafrock
(batas) zu überraschen pflegte. Sein Enkel liess sich auf den
Rath des Jesuiten P. Florentia sogar Gänge zimmern, die zu
Horchekammern (escuchas) neben den Rathssälen führten. Diese
unzugänglichsten von allen Wänden des Palastes waren zur Ver-
treibung allerhöchster Langeweile durch unabsehbare Reihen oft
werthvoller Gemälde belebt. Der längste dieser Gänge war der
aus dem Palast über Strassen und Plätze nach dem von der
Königin Margaretha gegründeten Kloster der Encarnacion er-
baute, vergleichbar dem Corridore von den Uffizien nach dem
Pitti; er enthielt im Jahre 1700 490 Gemälde. Die königlichen
Damen verrichteten dort ihre Andacht; die Priorin war eine
angesehene Person und mischte sich gelegentlich in die Politik2).

Ein Beispiel ist jedoch vorhanden, eine von wenigen ge-
sehene Anlage gab es in dem Schloss des "Dämons des Südens",
wo man sich nach den Villen Roms versetzt glaubte, und Mei-

1) Reisebeschreibung des "Diego Cuelbis" aus Leipzig, vom Jahre 1599,
Handschrift im Britischen Museum.
2) Sie führen die Namen Pasadizo angosto hasta S. Gil; Pasadizo sobre el
consejo de ordenes; Pieza angosta sobre el panadero (Bäckerei); sobre las cocinas
de los hospedajes; Paso que hay de este pasadizo a la escucha del consejo de ordenes.

Der alte Palast.
lichem Interesse, zur Belehrung, Erheiterung, zur Erinnerung an
Ruhmesthaten. Es waren Schlachten und Triumphzüge, Jagden,
Städtebilder und Curiositäten. Ein deutscher Reisender sah im
Mai 1599 in der Nordgalerie und dem Comödiensaal Ansichten
der grossen Städte des Reichs und Flanderns sowie der Lust-
häuser von Jorge de las Viñas; in jener u. a.: die Schlacht bei
Mühlberg mit der Passirung der Elbe; die Schlacht bei Alcacer
Quibir, wo Don Sebastian und sein portugiesisches Heer unterging,
die Bildnisse des Königs, seines Oheims Ferdinand und des Don
Carlos, die Könige Emanuel und Sebastian von Portugal, den
Landgrafen von Hessen, den Conquistador D. Pedro Melendez,
und venezianische Schönheiten. Im Comödiensaal den Einzug
Carls V in Rom, seine Schlachten, den Einzug Alba’s in Por-
tugal1).

Eine grosse Zahl wurde auf den Treppen und in den langen
geheimen Gängen untergebracht. Diese pasadizos machten es dem
Könige möglich, unsichtbar zwischen den entferntesten Punkten
des Gebäudekomplexes zu verkehren, oder hinein und heraus
zu kommen, z. B. in die Gärten. Man liest, dass Philipp II seine
Maler, Mor und Coello, in der Casa del Tesoro im Schlafrock
(batas) zu überraschen pflegte. Sein Enkel liess sich auf den
Rath des Jesuiten P. Florentia sogar Gänge zimmern, die zu
Horchekammern (escuchas) neben den Rathssälen führten. Diese
unzugänglichsten von allen Wänden des Palastes waren zur Ver-
treibung allerhöchster Langeweile durch unabsehbare Reihen oft
werthvoller Gemälde belebt. Der längste dieser Gänge war der
aus dem Palast über Strassen und Plätze nach dem von der
Königin Margaretha gegründeten Kloster der Encarnacion er-
baute, vergleichbar dem Corridore von den Uffizien nach dem
Pitti; er enthielt im Jahre 1700 490 Gemälde. Die königlichen
Damen verrichteten dort ihre Andacht; die Priorin war eine
angesehene Person und mischte sich gelegentlich in die Politik2).

Ein Beispiel ist jedoch vorhanden, eine von wenigen ge-
sehene Anlage gab es in dem Schloss des „Dämons des Südens“,
wo man sich nach den Villen Roms versetzt glaubte, und Mei-

1) Reisebeschreibung des „Diego Cuelbis“ aus Leipzig, vom Jahre 1599,
Handschrift im Britischen Museum.
2) Sie führen die Namen Pasadizo angosto hasta S. Gil; Pasadizo sobre el
consejo de órdenes; Pieza angosta sobre el panadero (Bäckerei); sobre las cocinas
de los hospedajes; Paso que hay de este pasadizo á la escucha del consejo de órdenes.
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[189/0211] Der alte Palast. lichem Interesse, zur Belehrung, Erheiterung, zur Erinnerung an Ruhmesthaten. Es waren Schlachten und Triumphzüge, Jagden, Städtebilder und Curiositäten. Ein deutscher Reisender sah im Mai 1599 in der Nordgalerie und dem Comödiensaal Ansichten der grossen Städte des Reichs und Flanderns sowie der Lust- häuser von Jorge de las Viñas; in jener u. a.: die Schlacht bei Mühlberg mit der Passirung der Elbe; die Schlacht bei Alcacer Quibir, wo Don Sebastian und sein portugiesisches Heer unterging, die Bildnisse des Königs, seines Oheims Ferdinand und des Don Carlos, die Könige Emanuel und Sebastian von Portugal, den Landgrafen von Hessen, den Conquistador D. Pedro Melendez, und venezianische Schönheiten. Im Comödiensaal den Einzug Carls V in Rom, seine Schlachten, den Einzug Alba’s in Por- tugal 1). Eine grosse Zahl wurde auf den Treppen und in den langen geheimen Gängen untergebracht. Diese pasadizos machten es dem Könige möglich, unsichtbar zwischen den entferntesten Punkten des Gebäudekomplexes zu verkehren, oder hinein und heraus zu kommen, z. B. in die Gärten. Man liest, dass Philipp II seine Maler, Mor und Coello, in der Casa del Tesoro im Schlafrock (batas) zu überraschen pflegte. Sein Enkel liess sich auf den Rath des Jesuiten P. Florentia sogar Gänge zimmern, die zu Horchekammern (escuchas) neben den Rathssälen führten. Diese unzugänglichsten von allen Wänden des Palastes waren zur Ver- treibung allerhöchster Langeweile durch unabsehbare Reihen oft werthvoller Gemälde belebt. Der längste dieser Gänge war der aus dem Palast über Strassen und Plätze nach dem von der Königin Margaretha gegründeten Kloster der Encarnacion er- baute, vergleichbar dem Corridore von den Uffizien nach dem Pitti; er enthielt im Jahre 1700 490 Gemälde. Die königlichen Damen verrichteten dort ihre Andacht; die Priorin war eine angesehene Person und mischte sich gelegentlich in die Politik 2). Ein Beispiel ist jedoch vorhanden, eine von wenigen ge- sehene Anlage gab es in dem Schloss des „Dämons des Südens“, wo man sich nach den Villen Roms versetzt glaubte, und Mei- 1) Reisebeschreibung des „Diego Cuelbis“ aus Leipzig, vom Jahre 1599, Handschrift im Britischen Museum. 2) Sie führen die Namen Pasadizo angosto hasta S. Gil; Pasadizo sobre el consejo de órdenes; Pieza angosta sobre el panadero (Bäckerei); sobre las cocinas de los hospedajes; Paso que hay de este pasadizo á la escucha del consejo de órdenes.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/211>, abgerufen am 24.11.2024.