die Anpassung an den mittelalterlichen Bau und die spanische Neigung zum Dunkel an. Venturini meint, es sei kein gutes Zimmer darin, umgekehrt wie in den Palästen Roms, wo es kein schlechtes gebe. Namen wie pieza oscura deuten auf einen Haupt- mangel. Durch Thüren, an deren Sturz man in kurzen lateini- schen Inschriften die Namen Carl V und Philipp II las 1), mit den Jahreszahlen 1539 und 1561, trat man in Zimmer, die ihr spär- liches Licht bloss durch die Thür von der "Terrasse" des Hofs empfingen, oder durch ein einziges, kleines, hohes Fenster; manche waren niedrig und ganz dunkel, und alle von "schlech- ter Architektur".
In der Richtung nach Osten schlossen sich an den Alcazar die Wirthschaftsgebäude, Küche, Bäckerei und das Schatz- haus (Casa del Tesoro), wo die Wohnungen und Ateliers der Künst- ler waren. Von diesen Anbauten ist keine Spur geblieben. Der Gesammtcomplex enthielt fünfhundert Wohnräume. --
Was wir von den Geheimnissen des untergegangenen Al- cazar gern erfahren möchten, ist die Art der malerischen Aus- schmückung aus der Zeit, wo Velazquez unter die Palastange- hörigen aufgenommen wurde. Danach könnte man die Umge- staltung des Innern beurtheilen, welche im Lauf der Regierung Philipp IV unter seiner Mitwirkung stattgefunden hat. Das erste Inventar dieses Königs (1636) fällt freilich in eine Zeit, wo die Reform schon begonnen hatte. Indess führen Beschreibungen aus der Zeit Philipp II und aus dem Jahre 1599 auf die Vermuthung, dass bis zum Jahre 1623 die Grundzüge der alten Einrichtung sich erhalten hatten.
1. Der vornehmste Wandschmuck nach damaligen Begriffen waren die figurirten Tapeten (pannos historiados). Die Spanier des Mittelalters behingen ihre Prunkzimmer mit in Wasserfarben bemalten Tüchern (sargas). Die Wandmalerei galt nur als noth- dürftiger Ersatz. Zwar gab es zu Philipp II Zeit auch Webstühle für Tapisserien, aber die Bedürfnisse der königlichen Schlösser wurden fast allein durch die flandrischen Kunstanstalten von Arras, Brügge und Brüssel bestritten. Alle Beschreibungen spanischer wie portugiesischer Paläste dieser Zeit schildern die in Sälen, Galerien und Kapellen aufgehängten flandrischen
die Anpassung an den mittelalterlichen Bau und die spanische Neigung zum Dunkel an. Venturini meint, es sei kein gutes Zimmer darin, umgekehrt wie in den Palästen Roms, wo es kein schlechtes gebe. Namen wie pieza oscura deuten auf einen Haupt- mangel. Durch Thüren, an deren Sturz man in kurzen lateini- schen Inschriften die Namen Carl V und Philipp II las 1), mit den Jahreszahlen 1539 und 1561, trat man in Zimmer, die ihr spär- liches Licht bloss durch die Thür von der „Terrasse“ des Hofs empfingen, oder durch ein einziges, kleines, hohes Fenster; manche waren niedrig und ganz dunkel, und alle von „schlech- ter Architektur“.
In der Richtung nach Osten schlossen sich an den Alcazar die Wirthschaftsgebäude, Küche, Bäckerei und das Schatz- haus (Casa del Tesoro), wo die Wohnungen und Ateliers der Künst- ler waren. Von diesen Anbauten ist keine Spur geblieben. Der Gesammtcomplex enthielt fünfhundert Wohnräume. —
Was wir von den Geheimnissen des untergegangenen Al- cazar gern erfahren möchten, ist die Art der malerischen Aus- schmückung aus der Zeit, wo Velazquez unter die Palastange- hörigen aufgenommen wurde. Danach könnte man die Umge- staltung des Innern beurtheilen, welche im Lauf der Regierung Philipp IV unter seiner Mitwirkung stattgefunden hat. Das erste Inventar dieses Königs (1636) fällt freilich in eine Zeit, wo die Reform schon begonnen hatte. Indess führen Beschreibungen aus der Zeit Philipp II und aus dem Jahre 1599 auf die Vermuthung, dass bis zum Jahre 1623 die Grundzüge der alten Einrichtung sich erhalten hatten.
1. Der vornehmste Wandschmuck nach damaligen Begriffen waren die figurirten Tapeten (paños historiados). Die Spanier des Mittelalters behingen ihre Prunkzimmer mit in Wasserfarben bemalten Tüchern (sargas). Die Wandmalerei galt nur als noth- dürftiger Ersatz. Zwar gab es zu Philipp II Zeit auch Webstühle für Tapisserien, aber die Bedürfnisse der königlichen Schlösser wurden fast allein durch die flandrischen Kunstanstalten von Arras, Brügge und Brüssel bestritten. Alle Beschreibungen spanischer wie portugiesischer Paläste dieser Zeit schildern die in Sälen, Galerien und Kapellen aufgehängten flandrischen
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[185/0207]
Der alte Palast.
die Anpassung an den mittelalterlichen Bau und die spanische
Neigung zum Dunkel an. Venturini meint, es sei kein gutes
Zimmer darin, umgekehrt wie in den Palästen Roms, wo es kein
schlechtes gebe. Namen wie pieza oscura deuten auf einen Haupt-
mangel. Durch Thüren, an deren Sturz man in kurzen lateini-
schen Inschriften die Namen Carl V und Philipp II las 1), mit den
Jahreszahlen 1539 und 1561, trat man in Zimmer, die ihr spär-
liches Licht bloss durch die Thür von der „Terrasse“ des Hofs
empfingen, oder durch ein einziges, kleines, hohes Fenster;
manche waren niedrig und ganz dunkel, und alle von „schlech-
ter Architektur“.
In der Richtung nach Osten schlossen sich an den Alcazar
die Wirthschaftsgebäude, Küche, Bäckerei und das Schatz-
haus (Casa del Tesoro), wo die Wohnungen und Ateliers der Künst-
ler waren. Von diesen Anbauten ist keine Spur geblieben. Der
Gesammtcomplex enthielt fünfhundert Wohnräume. —
Was wir von den Geheimnissen des untergegangenen Al-
cazar gern erfahren möchten, ist die Art der malerischen Aus-
schmückung aus der Zeit, wo Velazquez unter die Palastange-
hörigen aufgenommen wurde. Danach könnte man die Umge-
staltung des Innern beurtheilen, welche im Lauf der Regierung
Philipp IV unter seiner Mitwirkung stattgefunden hat. Das erste
Inventar dieses Königs (1636) fällt freilich in eine Zeit, wo die
Reform schon begonnen hatte. Indess führen Beschreibungen aus
der Zeit Philipp II und aus dem Jahre 1599 auf die Vermuthung,
dass bis zum Jahre 1623 die Grundzüge der alten Einrichtung
sich erhalten hatten.
1. Der vornehmste Wandschmuck nach damaligen Begriffen
waren die figurirten Tapeten (paños historiados). Die Spanier
des Mittelalters behingen ihre Prunkzimmer mit in Wasserfarben
bemalten Tüchern (sargas). Die Wandmalerei galt nur als noth-
dürftiger Ersatz. Zwar gab es zu Philipp II Zeit auch Webstühle
für Tapisserien, aber die Bedürfnisse der königlichen Schlösser
wurden fast allein durch die flandrischen Kunstanstalten von
Arras, Brügge und Brüssel bestritten. Alle Beschreibungen
spanischer wie portugiesischer Paläste dieser Zeit schildern die
in Sälen, Galerien und Kapellen aufgehängten flandrischen
1) CAROLVS. QVINTVS. ROM. IMP.
HISPAN. REX.
MDXXXIX.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/207>, abgerufen am 16.02.2025.
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