der drei Kollegen, die Velazquez vorfand. In seinen glatten und schülerhaften Machwerken sind nur die Mängel Pantoja's geblieben: dessen zartes, dünnes, mit den alten Niederländern wett- eiferndes Traktament ist schwerfällig geworden. In den letzten Jahren noch hatte Gonzalez die Familie Philipp III in elf grossen Bildnissen in ganzer Figur für das Pardoschloss gemalt. Er verhält sich zu seinem Vorgänger, wie dieser zu Coello und wie Coello zu Mor. Er ging mit den Hofporträtisten in der- selben Progression abwärts wie mit ihren hohen Originalen.
Philipp IV war kein besserer, nur unglücklicherer Regent als sein Vater; aber das Wiederaufleben des nationalen Geistes brachte dem Hof den grössten Bildnissmaler spanischer Abkunft. Dieser hat nur einen ebenbürtigen Nachfolger gehabt, aber mehr als ein Jahrhundert später: Goya. Die Bildnissmaler des letzten Habsburgischen Schattenkönigs, Carrenno, del Mazo waren auch nur Schatten des Velazquez.
Der regierende König eignete sich ganz die Gewohnheit vertraulichsten Verkehrs mit seinen Malern an, zu der sein finsterer Grossvater den Ton angegeben hatte. Durch die ge- heimen Gänge konnte er jederzeit, auch in Abwesenheit des Künstlers, ins Atelier gelangen, denn er hatte für jedes Gemach des Palastes den Schlüssel. Eines Tages, erzählt der Florentiner Bernardo Monanni, fand sein Landsmann Cosimo Lotti, der auch in der Casa del Tesoro arbeitete, alle seine Sachen so verstellt, "dass er, obwol Ingenieur, die Architektur nicht begriff". Er öffnet ein Kästchen und findet von seiner florentinischen Wurst (salsicciotto) die Hälfte abgeschnitten und dabei das allerhöchste Autograph: la mitad para nosotros tomamos, la otra por limosna os la dexamos. Yo el Rey.
In Velazquez' Atelier stand ein Sessel für S. M., um ihm mit Musse zuzusehn; er kam fast jeden Tag. "Kaum glaublich" fand der alte Pacheco solche Freundlichkeit und Leutseligkeit, mit der ihn ein so grosser Monarch behandelte 1). Diese beständige Gegenwart des Königs konnte nicht ohne Einfluss bleiben auf seine Art zu malen, denn die Herren, sagt Martinez, sehen mehr auf Raschheit als Güte der Arbeit; schon Philipp II, wenn er bei seinen Malern eintrat, fand meist, dass sie viel zu wenig fertig
1) No es creible la liberalidad y agrado con que es tratado de un tan gran monarca. Pacheco I, 139. Olivares habe ihm auch einmal den Königl. Leibarzt geschickt.
Die Anstellung.
der drei Kollegen, die Velazquez vorfand. In seinen glatten und schülerhaften Machwerken sind nur die Mängel Pantoja’s geblieben: dessen zartes, dünnes, mit den alten Niederländern wett- eiferndes Traktament ist schwerfällig geworden. In den letzten Jahren noch hatte Gonzalez die Familie Philipp III in elf grossen Bildnissen in ganzer Figur für das Pardoschloss gemalt. Er verhält sich zu seinem Vorgänger, wie dieser zu Coello und wie Coello zu Mor. Er ging mit den Hofporträtisten in der- selben Progression abwärts wie mit ihren hohen Originalen.
Philipp IV war kein besserer, nur unglücklicherer Regent als sein Vater; aber das Wiederaufleben des nationalen Geistes brachte dem Hof den grössten Bildnissmaler spanischer Abkunft. Dieser hat nur einen ebenbürtigen Nachfolger gehabt, aber mehr als ein Jahrhundert später: Goya. Die Bildnissmaler des letzten Habsburgischen Schattenkönigs, Carreño, del Mazo waren auch nur Schatten des Velazquez.
Der regierende König eignete sich ganz die Gewohnheit vertraulichsten Verkehrs mit seinen Malern an, zu der sein finsterer Grossvater den Ton angegeben hatte. Durch die ge- heimen Gänge konnte er jederzeit, auch in Abwesenheit des Künstlers, ins Atelier gelangen, denn er hatte für jedes Gemach des Palastes den Schlüssel. Eines Tages, erzählt der Florentiner Bernardo Monanni, fand sein Landsmann Cosimo Lotti, der auch in der Casa del Tesoro arbeitete, alle seine Sachen so verstellt, „dass er, obwol Ingenieur, die Architektur nicht begriff“. Er öffnet ein Kästchen und findet von seiner florentinischen Wurst (salsicciotto) die Hälfte abgeschnitten und dabei das allerhöchste Autograph: la mitad para nosotros tomamos, la otra por limosna os la dexamos. Yo el Rey.
In Velazquez’ Atelier stand ein Sessel für S. M., um ihm mit Musse zuzusehn; er kam fast jeden Tag. „Kaum glaublich“ fand der alte Pacheco solche Freundlichkeit und Leutseligkeit, mit der ihn ein so grosser Monarch behandelte 1). Diese beständige Gegenwart des Königs konnte nicht ohne Einfluss bleiben auf seine Art zu malen, denn die Herren, sagt Martinez, sehen mehr auf Raschheit als Güte der Arbeit; schon Philipp II, wenn er bei seinen Malern eintrat, fand meist, dass sie viel zu wenig fertig
1) No es creible la liberalidad y agrado con que es tratado de un tan gran monarca. Pacheco I, 139. Olivares habe ihm auch einmal den Königl. Leibarzt geschickt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0187"n="167"/><fwplace="top"type="header">Die Anstellung.</fw><lb/>
der drei Kollegen, die Velazquez vorfand. In seinen glatten<lb/>
und schülerhaften Machwerken sind nur die Mängel Pantoja’s<lb/>
geblieben: dessen zartes, dünnes, mit den alten Niederländern wett-<lb/>
eiferndes Traktament ist schwerfällig geworden. In den letzten<lb/>
Jahren noch hatte Gonzalez die Familie Philipp III in elf grossen<lb/>
Bildnissen in ganzer Figur für das Pardoschloss gemalt. Er<lb/>
verhält sich zu seinem Vorgänger, wie dieser zu Coello und<lb/>
wie Coello zu Mor. Er ging mit den Hofporträtisten in der-<lb/>
selben Progression abwärts wie mit ihren hohen Originalen.</p><lb/><p>Philipp IV war kein besserer, nur unglücklicherer Regent<lb/>
als sein Vater; aber das Wiederaufleben des nationalen Geistes<lb/>
brachte dem Hof den grössten Bildnissmaler spanischer Abkunft.<lb/>
Dieser hat nur einen ebenbürtigen Nachfolger gehabt, aber mehr<lb/>
als ein Jahrhundert später: Goya. Die Bildnissmaler des letzten<lb/>
Habsburgischen Schattenkönigs, Carreño, del Mazo waren auch<lb/>
nur Schatten des Velazquez.</p><lb/><p>Der regierende König eignete sich ganz die Gewohnheit<lb/>
vertraulichsten Verkehrs mit seinen Malern an, zu der sein<lb/>
finsterer Grossvater den Ton angegeben hatte. Durch die ge-<lb/>
heimen Gänge konnte er jederzeit, auch in Abwesenheit des<lb/>
Künstlers, ins Atelier gelangen, denn er hatte für jedes Gemach<lb/>
des Palastes den Schlüssel. Eines Tages, erzählt der Florentiner<lb/>
Bernardo Monanni, fand sein Landsmann Cosimo Lotti, der auch<lb/>
in der Casa del Tesoro arbeitete, alle seine Sachen so verstellt,<lb/>„dass er, obwol Ingenieur, die Architektur nicht begriff“. Er<lb/>
öffnet ein Kästchen und findet von seiner florentinischen Wurst<lb/>
(<hirendition="#i">salsicciotto</hi>) die Hälfte abgeschnitten und dabei das allerhöchste<lb/>
Autograph: <hirendition="#i">la mitad para nosotros tomamos, la otra por limosna<lb/>
os la dexamos. Yo el Rey</hi>.</p><lb/><p>In Velazquez’ Atelier stand ein Sessel für S. M., um ihm mit<lb/>
Musse zuzusehn; er kam fast jeden Tag. „Kaum glaublich“ fand<lb/>
der alte Pacheco solche Freundlichkeit und Leutseligkeit, mit<lb/>
der ihn ein so grosser Monarch behandelte <noteplace="foot"n="1)">No es creible la liberalidad y agrado con que es tratado de un tan gran<lb/>
monarca. Pacheco I, 139. Olivares habe ihm auch einmal den Königl. Leibarzt<lb/>
geschickt.</note>. Diese beständige<lb/>
Gegenwart des Königs konnte nicht ohne Einfluss bleiben auf<lb/>
seine Art zu malen, denn die Herren, sagt Martinez, sehen mehr<lb/>
auf Raschheit als Güte der Arbeit; schon Philipp II, wenn er bei<lb/>
seinen Malern eintrat, fand meist, dass sie viel zu wenig fertig<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[167/0187]
Die Anstellung.
der drei Kollegen, die Velazquez vorfand. In seinen glatten
und schülerhaften Machwerken sind nur die Mängel Pantoja’s
geblieben: dessen zartes, dünnes, mit den alten Niederländern wett-
eiferndes Traktament ist schwerfällig geworden. In den letzten
Jahren noch hatte Gonzalez die Familie Philipp III in elf grossen
Bildnissen in ganzer Figur für das Pardoschloss gemalt. Er
verhält sich zu seinem Vorgänger, wie dieser zu Coello und
wie Coello zu Mor. Er ging mit den Hofporträtisten in der-
selben Progression abwärts wie mit ihren hohen Originalen.
Philipp IV war kein besserer, nur unglücklicherer Regent
als sein Vater; aber das Wiederaufleben des nationalen Geistes
brachte dem Hof den grössten Bildnissmaler spanischer Abkunft.
Dieser hat nur einen ebenbürtigen Nachfolger gehabt, aber mehr
als ein Jahrhundert später: Goya. Die Bildnissmaler des letzten
Habsburgischen Schattenkönigs, Carreño, del Mazo waren auch
nur Schatten des Velazquez.
Der regierende König eignete sich ganz die Gewohnheit
vertraulichsten Verkehrs mit seinen Malern an, zu der sein
finsterer Grossvater den Ton angegeben hatte. Durch die ge-
heimen Gänge konnte er jederzeit, auch in Abwesenheit des
Künstlers, ins Atelier gelangen, denn er hatte für jedes Gemach
des Palastes den Schlüssel. Eines Tages, erzählt der Florentiner
Bernardo Monanni, fand sein Landsmann Cosimo Lotti, der auch
in der Casa del Tesoro arbeitete, alle seine Sachen so verstellt,
„dass er, obwol Ingenieur, die Architektur nicht begriff“. Er
öffnet ein Kästchen und findet von seiner florentinischen Wurst
(salsicciotto) die Hälfte abgeschnitten und dabei das allerhöchste
Autograph: la mitad para nosotros tomamos, la otra por limosna
os la dexamos. Yo el Rey.
In Velazquez’ Atelier stand ein Sessel für S. M., um ihm mit
Musse zuzusehn; er kam fast jeden Tag. „Kaum glaublich“ fand
der alte Pacheco solche Freundlichkeit und Leutseligkeit, mit
der ihn ein so grosser Monarch behandelte 1). Diese beständige
Gegenwart des Königs konnte nicht ohne Einfluss bleiben auf
seine Art zu malen, denn die Herren, sagt Martinez, sehen mehr
auf Raschheit als Güte der Arbeit; schon Philipp II, wenn er bei
seinen Malern eintrat, fand meist, dass sie viel zu wenig fertig
1) No es creible la liberalidad y agrado con que es tratado de un tan gran
monarca. Pacheco I, 139. Olivares habe ihm auch einmal den Königl. Leibarzt
geschickt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/187>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.