grössten Staatsmanns seiner Zeit, die olympische Apathie des Herrschers zweier Welten. Ihn hatte er nach Augsburg kom- men lassen, wie jenen Aretiner Medailleur Leoni nach Brüssel. Sie sind beide bis an ihren Tod im Dienst des Hauses festge- halten worden, beider Bildnisse des Kaisers waren das Beste was sie in diesem Fach geschaffen haben.
Philipp II. hat den Maler von Cadore unaufhörlich beschäf- tigt; aber dieser hatte ihn nur als Prinz in Augsburg gesehen, sein Bildniss nach der Schlacht von Lepanto (1572) war ein Phantasiegemisch von Jugend und Alter. Die eigentlichen Chro- nisten seines Hofes waren Anton Mor und Alonso Sanchez Coello. Mor, obwol in der Malführung von den Italienern kaum berührt, hat gleichwol etwas von dem freieren Hauch, der Würde und Anmuth venezianischer Bildnisse. Er war ein Cavalier nach dem Herzen der Spanier (aire grave y majestuoso) und verkehrte auf so vertrauliche Art mit dem schwerzugänglichen Monarchen, dass er den Verdacht der Inquisition wachrief. Sein kühler Ton, seine unendliche Ausführlichkeit im Detail des Costüms passte zu dem förmlichen und prachtliebenden Hof. Dreimal wurde er berufen, die Bräute Philipps zu malen, einmal nach London; er hat uns auch dessen merkwürdige Schwestern und die Schön- heiten des Hofes bewahrt; und nirgends bekommen wir einen höheren Begriff von der Feinheit und allseitigen Durchführung seiner Charakteristik, als in diesen lebensvollen Damenfiguren des Pradomuseums. Neben ihm malte zur Zeit der Elisabeth von Valois die Cremoneserin, Sofonisbe Anguisciola.
Der Portugiese Sanchez Coello, von dessen Einfluss bei Hof die Malerlegende unglaubliche Dinge erzählte, war in Wirk- lichkeit ein armer Schlucker und ziemlich charakterloser Künstler. Anfangs schloss er sich eng an Mor, von dem seine Bildnisse ohne Uebung des Blicks nicht leicht zu unterscheiden sind; nur fehlt ihm die Lebendigkeit und die eingehende Individualisirung. Sie sind treu in der bleibenden Form, allgemein in Ausdruck, Geberden und -- Händen. Dann nahm er etwas an von venezia- nischer Faktur, man hat seine Köpfe zuweilen für venezianisch gehalten; dennoch sind diese weniger schätzbar als jene, in welchen er holländert.
Sein Schüler Pantoja de la Cruz war der geist- und leblose, peinlich fleissige und steife Maler des Hofs jenes schwachköpfigen Philipp III; in seiner Zeit steht er wie ein Anachronismus. Sein Erbe (er starb 1610) wurde Bartolome Gonzalez (seit 1617), einer
Zweites Buch.
grössten Staatsmanns seiner Zeit, die olympische Apathie des Herrschers zweier Welten. Ihn hatte er nach Augsburg kom- men lassen, wie jenen Aretiner Medailleur Leoni nach Brüssel. Sie sind beide bis an ihren Tod im Dienst des Hauses festge- halten worden, beider Bildnisse des Kaisers waren das Beste was sie in diesem Fach geschaffen haben.
Philipp II. hat den Maler von Cadore unaufhörlich beschäf- tigt; aber dieser hatte ihn nur als Prinz in Augsburg gesehen, sein Bildniss nach der Schlacht von Lepanto (1572) war ein Phantasiegemisch von Jugend und Alter. Die eigentlichen Chro- nisten seines Hofes waren Anton Mor und Alonso Sanchez Coello. Mor, obwol in der Malführung von den Italienern kaum berührt, hat gleichwol etwas von dem freieren Hauch, der Würde und Anmuth venezianischer Bildnisse. Er war ein Cavalier nach dem Herzen der Spanier (aire grave y majestuoso) und verkehrte auf so vertrauliche Art mit dem schwerzugänglichen Monarchen, dass er den Verdacht der Inquisition wachrief. Sein kühler Ton, seine unendliche Ausführlichkeit im Detail des Costüms passte zu dem förmlichen und prachtliebenden Hof. Dreimal wurde er berufen, die Bräute Philipps zu malen, einmal nach London; er hat uns auch dessen merkwürdige Schwestern und die Schön- heiten des Hofes bewahrt; und nirgends bekommen wir einen höheren Begriff von der Feinheit und allseitigen Durchführung seiner Charakteristik, als in diesen lebensvollen Damenfiguren des Pradomuseums. Neben ihm malte zur Zeit der Elisabeth von Valois die Cremoneserin, Sofonisbe Anguisciola.
Der Portugiese Sanchez Coello, von dessen Einfluss bei Hof die Malerlegende unglaubliche Dinge erzählte, war in Wirk- lichkeit ein armer Schlucker und ziemlich charakterloser Künstler. Anfangs schloss er sich eng an Mor, von dem seine Bildnisse ohne Uebung des Blicks nicht leicht zu unterscheiden sind; nur fehlt ihm die Lebendigkeit und die eingehende Individualisirung. Sie sind treu in der bleibenden Form, allgemein in Ausdruck, Geberden und — Händen. Dann nahm er etwas an von venezia- nischer Faktur, man hat seine Köpfe zuweilen für venezianisch gehalten; dennoch sind diese weniger schätzbar als jene, in welchen er holländert.
Sein Schüler Pantoja de la Cruz war der geist- und leblose, peinlich fleissige und steife Maler des Hofs jenes schwachköpfigen Philipp III; in seiner Zeit steht er wie ein Anachronismus. Sein Erbe (er starb 1610) wurde Bartolomé Gonzalez (seit 1617), einer
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Zweites Buch.
grössten Staatsmanns seiner Zeit, die olympische Apathie des
Herrschers zweier Welten. Ihn hatte er nach Augsburg kom-
men lassen, wie jenen Aretiner Medailleur Leoni nach Brüssel.
Sie sind beide bis an ihren Tod im Dienst des Hauses festge-
halten worden, beider Bildnisse des Kaisers waren das Beste
was sie in diesem Fach geschaffen haben.
Philipp II. hat den Maler von Cadore unaufhörlich beschäf-
tigt; aber dieser hatte ihn nur als Prinz in Augsburg gesehen,
sein Bildniss nach der Schlacht von Lepanto (1572) war ein
Phantasiegemisch von Jugend und Alter. Die eigentlichen Chro-
nisten seines Hofes waren Anton Mor und Alonso Sanchez
Coello. Mor, obwol in der Malführung von den Italienern kaum
berührt, hat gleichwol etwas von dem freieren Hauch, der Würde
und Anmuth venezianischer Bildnisse. Er war ein Cavalier nach
dem Herzen der Spanier (aire grave y majestuoso) und verkehrte
auf so vertrauliche Art mit dem schwerzugänglichen Monarchen,
dass er den Verdacht der Inquisition wachrief. Sein kühler Ton,
seine unendliche Ausführlichkeit im Detail des Costüms passte
zu dem förmlichen und prachtliebenden Hof. Dreimal wurde er
berufen, die Bräute Philipps zu malen, einmal nach London; er
hat uns auch dessen merkwürdige Schwestern und die Schön-
heiten des Hofes bewahrt; und nirgends bekommen wir einen
höheren Begriff von der Feinheit und allseitigen Durchführung
seiner Charakteristik, als in diesen lebensvollen Damenfiguren
des Pradomuseums. Neben ihm malte zur Zeit der Elisabeth
von Valois die Cremoneserin, Sofonisbe Anguisciola.
Der Portugiese Sanchez Coello, von dessen Einfluss bei
Hof die Malerlegende unglaubliche Dinge erzählte, war in Wirk-
lichkeit ein armer Schlucker und ziemlich charakterloser Künstler.
Anfangs schloss er sich eng an Mor, von dem seine Bildnisse
ohne Uebung des Blicks nicht leicht zu unterscheiden sind; nur
fehlt ihm die Lebendigkeit und die eingehende Individualisirung.
Sie sind treu in der bleibenden Form, allgemein in Ausdruck,
Geberden und — Händen. Dann nahm er etwas an von venezia-
nischer Faktur, man hat seine Köpfe zuweilen für venezianisch
gehalten; dennoch sind diese weniger schätzbar als jene, in welchen
er holländert.
Sein Schüler Pantoja de la Cruz war der geist- und leblose,
peinlich fleissige und steife Maler des Hofs jenes schwachköpfigen
Philipp III; in seiner Zeit steht er wie ein Anachronismus. Sein
Erbe (er starb 1610) wurde Bartolomé Gonzalez (seit 1617), einer
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/186>, abgerufen am 25.11.2024.
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