niss zerfiel auch nicht, als Velazquez die Vaterstadt verliess: er hat sich später der Jugendfreunde erinnert, und sie an den Hof gezogen.
Vergegenwärtigt man sich die damaligen Arbeiten dieser Triarier, so gewinnt man den Eindruck eines Verhältnisses, ähn- lich dem, welches ein Jahrhundert früher in Venedig zwischen Giorgione, Palma und Tizian bestand. Gleichgesinnte, aus der- selben Schule hervorgegangene Jünglinge von sehr verschie- dener Geistesart, deren wechselseitige Wirkung nicht leicht zu bestimmen ist.
Der kaum ein Jahr jüngere Francisco Zurbaran war geboren am 7. November 1598 zu Fuente de Cantos. Keine scharfge- zeichnetere, homogenere, die Tendenzen spanischen Wesens in dieser Zeit nachdrücklicher zur Schau tragende Gestalt giebt es als diesen Bauernsohn aus Estremadura. Wenig hat er andern zu verdanken. Er soll ein Schüler des Klerikers Roelas gewe- sen sein; doch wüssten wir unter dessen so verschiedenartigen Werken nur eins, das auf den künftigen Maler der Klerisei und Möncherei Eindruck gemacht haben könnte (S. 54). Seine Manier hat er gewiss nicht von Roelas. Er fusst von Anfang an in einer ganz andern Zeit, ist von einem andern Geschlecht als jener viel- seitige, geschmeidige Priester. Wie bei Allen dieser neuen Ge- neration, war bei Zurbaran, doch bei ihm am stärksten, der Zug der Einheit ausgeprägt. Sie sind durch Einseitigkeit gross ge- worden. Die Maler des vorigen Jahrhunderts pflegten Leute von umfassenden, literarischen, technischen Studien zu sein; vielgereist; sie kannten die Geschichte ihrer Kunst und Italien, sie waren Gelehrte, Devote, Dichter. Die von der Art Zurba- rans waren nichts als Maler, sie blieben zu Hause, bekümmerten sich weder um lebende noch todte Kollegen, überhaupt war ihnen die ganze Kunst, mit Ausnahme des Kantons, den sie beherrsch- ten, einerlei. Bei jenen ist die Biographie interessanter als ihre Werke, sie sind bedeutender als Menschen denn als Künstler; ihre Worte besser als ihre Thaten. Die neuen waren höchstens ausserdem noch Cavaliere. Aber ihre Bilder schlugen sofort alles, was jene Denker mit unsäglichen Studien fertig gebracht. "Die schönen Worte, meinte schon Felipe de Guevara, Gentilhom- bre de boca Kaiser Karl V, müssen wol zu allen Zeiten den Bör- sen der Liebhaber nachtheilig gewesen sein; denn Reden und Thun treffen selten in einer Person zusammen" 1).
1) Parece que en todo tiempo debio de ser dannosa la buena parola para las
Zweites Buch.
niss zerfiel auch nicht, als Velazquez die Vaterstadt verliess: er hat sich später der Jugendfreunde erinnert, und sie an den Hof gezogen.
Vergegenwärtigt man sich die damaligen Arbeiten dieser Triarier, so gewinnt man den Eindruck eines Verhältnisses, ähn- lich dem, welches ein Jahrhundert früher in Venedig zwischen Giorgione, Palma und Tizian bestand. Gleichgesinnte, aus der- selben Schule hervorgegangene Jünglinge von sehr verschie- dener Geistesart, deren wechselseitige Wirkung nicht leicht zu bestimmen ist.
Der kaum ein Jahr jüngere Francisco Zurbaran war geboren am 7. November 1598 zu Fuente de Cantos. Keine scharfge- zeichnetere, homogenere, die Tendenzen spanischen Wesens in dieser Zeit nachdrücklicher zur Schau tragende Gestalt giebt es als diesen Bauernsohn aus Estremadura. Wenig hat er andern zu verdanken. Er soll ein Schüler des Klerikers Roelas gewe- sen sein; doch wüssten wir unter dessen so verschiedenartigen Werken nur eins, das auf den künftigen Maler der Klerisei und Möncherei Eindruck gemacht haben könnte (S. 54). Seine Manier hat er gewiss nicht von Roelas. Er fusst von Anfang an in einer ganz andern Zeit, ist von einem andern Geschlecht als jener viel- seitige, geschmeidige Priester. Wie bei Allen dieser neuen Ge- neration, war bei Zurbaran, doch bei ihm am stärksten, der Zug der Einheit ausgeprägt. Sie sind durch Einseitigkeit gross ge- worden. Die Maler des vorigen Jahrhunderts pflegten Leute von umfassenden, literarischen, technischen Studien zu sein; vielgereist; sie kannten die Geschichte ihrer Kunst und Italien, sie waren Gelehrte, Devote, Dichter. Die von der Art Zurba- rans waren nichts als Maler, sie blieben zu Hause, bekümmerten sich weder um lebende noch todte Kollegen, überhaupt war ihnen die ganze Kunst, mit Ausnahme des Kantons, den sie beherrsch- ten, einerlei. Bei jenen ist die Biographie interessanter als ihre Werke, sie sind bedeutender als Menschen denn als Künstler; ihre Worte besser als ihre Thaten. Die neuen waren höchstens ausserdem noch Cavaliere. Aber ihre Bilder schlugen sofort alles, was jene Denker mit unsäglichen Studien fertig gebracht. „Die schönen Worte, meinte schon Felipe de Guevara, Gentilhom- bre de boca Kaiser Karl V, müssen wol zu allen Zeiten den Bör- sen der Liebhaber nachtheilig gewesen sein; denn Reden und Thun treffen selten in einer Person zusammen“ 1).
1) Parece que en todo tiempo debió de ser dañosa la buena parola para las
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Zweites Buch.
niss zerfiel auch nicht, als Velazquez die Vaterstadt verliess: er hat
sich später der Jugendfreunde erinnert, und sie an den Hof gezogen.
Vergegenwärtigt man sich die damaligen Arbeiten dieser
Triarier, so gewinnt man den Eindruck eines Verhältnisses, ähn-
lich dem, welches ein Jahrhundert früher in Venedig zwischen
Giorgione, Palma und Tizian bestand. Gleichgesinnte, aus der-
selben Schule hervorgegangene Jünglinge von sehr verschie-
dener Geistesart, deren wechselseitige Wirkung nicht leicht zu
bestimmen ist.
Der kaum ein Jahr jüngere Francisco Zurbaran war geboren
am 7. November 1598 zu Fuente de Cantos. Keine scharfge-
zeichnetere, homogenere, die Tendenzen spanischen Wesens in
dieser Zeit nachdrücklicher zur Schau tragende Gestalt giebt es
als diesen Bauernsohn aus Estremadura. Wenig hat er andern
zu verdanken. Er soll ein Schüler des Klerikers Roelas gewe-
sen sein; doch wüssten wir unter dessen so verschiedenartigen
Werken nur eins, das auf den künftigen Maler der Klerisei und
Möncherei Eindruck gemacht haben könnte (S. 54). Seine Manier
hat er gewiss nicht von Roelas. Er fusst von Anfang an in einer
ganz andern Zeit, ist von einem andern Geschlecht als jener viel-
seitige, geschmeidige Priester. Wie bei Allen dieser neuen Ge-
neration, war bei Zurbaran, doch bei ihm am stärksten, der Zug
der Einheit ausgeprägt. Sie sind durch Einseitigkeit gross ge-
worden. Die Maler des vorigen Jahrhunderts pflegten Leute
von umfassenden, literarischen, technischen Studien zu sein;
vielgereist; sie kannten die Geschichte ihrer Kunst und Italien,
sie waren Gelehrte, Devote, Dichter. Die von der Art Zurba-
rans waren nichts als Maler, sie blieben zu Hause, bekümmerten
sich weder um lebende noch todte Kollegen, überhaupt war ihnen
die ganze Kunst, mit Ausnahme des Kantons, den sie beherrsch-
ten, einerlei. Bei jenen ist die Biographie interessanter als ihre
Werke, sie sind bedeutender als Menschen denn als Künstler;
ihre Worte besser als ihre Thaten. Die neuen waren höchstens
ausserdem noch Cavaliere. Aber ihre Bilder schlugen sofort
alles, was jene Denker mit unsäglichen Studien fertig gebracht.
„Die schönen Worte, meinte schon Felipe de Guevara, Gentilhom-
bre de boca Kaiser Karl V, müssen wol zu allen Zeiten den Bör-
sen der Liebhaber nachtheilig gewesen sein; denn Reden und
Thun treffen selten in einer Person zusammen“ 1).
1) Parece que en todo tiempo debió de ser dañosa la buena parola para las
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/172>, abgerufen am 26.11.2024.
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