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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Zweites Buch.
Pedro de las Cuevas (geb. 1568 + 1635), von dem Niemand
ein Gemälde gesehen, hat einen grossen Theil der namhaftesten
Maler der Madrider Schule in die Kunst eingeführt; und der
schwache Juan del Castillo lehrte Murillo, Cano und Moya die
Malerei. Wie merkwürdig ist aber hier die Parallele mit
Rubens! Den geistreich rohen Adam van Noort, dem er un-
zweifelhaft künstlerisch verwandt war, hat er bald verlassen,
um sich dauernd und eng an Otto van Veen anzuschliessen,
den Gelehrten, Poeten, Allegoristen und Gentleman, wo künst-
lerische Sympathie undenkbar schien.

Wie Liebe und Freundschaft, so beruht auch das Verhält-
niss von Meister und Jünger neben einem Fond von Gleichar-
tigkeit auf einem Gegensatz. Der starken Ichheit des Genius
ist eine überspannte Subjektivität weniger passend, als der me-
chanische Kopf, die langsame, analytische Natur, welche seinen
Drang nach dem Unbekannten an das wolthätige und unentbehr-
liche Gesetz gewöhnt. Solche vertreten in der Künstlererziehung
das allgemeine Element, welches ebenso wichtig, vielleicht wich-
tiger ist als das persönliche, die Berührung mit congenialen Na-
turen. Zeichnung und Perspective, Modellirung und Farben-
technik, diess Fundament und die Kernmauer der Kunst, über-
liefert der gründliche Schulmeister, der geübte Experimentirer.
Das Genie wird durch pedantische Zucht nicht geknickt, und
ihm genügen zur Entzündung Funken: eine Zeichnung, ein
Kupferstich, wie sie überall hinkommen.

Wenn man auch von Pacheco nichts wüsste, der spätere
Velazquez würde auf einen Meister von diesem Schnitt schliessen
lassen. Nicht nur wegen der allseitig guten Fundirung und der
soliden Kenntnisse: auch die Leichtigkeit, das Gleichgewicht der
Kräfte pflegt eine Frucht methodischer Gymnastik zu sein.

Von allen frühern Malern in Spanien war dem späteren Ve-
lazquez gewiss keiner verwandter, als Theotokopuli. Pacheco
hatte ihn im Jahre 1611 besucht, trotz seines Abscheus vor
jenen wüsten Skizzen (crueles borrones) erkannte er sein Genie an.
Die Aeusserung des Greco ihm gegenüber, Michelangelo sei ein
guter Mann gewesen, aber malen habe er nicht gekonnt, hat dem
jungen Velazquez gewiss zu denken gegeben. Domenico war zu
seiner Zeit, in Toledo, als Portraitist ebenso beliebt, wie später
unser Diego am Hofe. Es hat sich indess bis jetzt keine Spur
gefunden, die über des Malers der golilla Ansicht von dem Maler

Zweites Buch.
Pedro de las Cuevas (geb. 1568 † 1635), von dem Niemand
ein Gemälde gesehen, hat einen grossen Theil der namhaftesten
Maler der Madrider Schule in die Kunst eingeführt; und der
schwache Juan del Castillo lehrte Murillo, Cano und Moya die
Malerei. Wie merkwürdig ist aber hier die Parallele mit
Rubens! Den geistreich rohen Adam van Noort, dem er un-
zweifelhaft künstlerisch verwandt war, hat er bald verlassen,
um sich dauernd und eng an Otto van Veen anzuschliessen,
den Gelehrten, Poeten, Allegoristen und Gentleman, wo künst-
lerische Sympathie undenkbar schien.

Wie Liebe und Freundschaft, so beruht auch das Verhält-
niss von Meister und Jünger neben einem Fond von Gleichar-
tigkeit auf einem Gegensatz. Der starken Ichheit des Genius
ist eine überspannte Subjektivität weniger passend, als der me-
chanische Kopf, die langsame, analytische Natur, welche seinen
Drang nach dem Unbekannten an das wolthätige und unentbehr-
liche Gesetz gewöhnt. Solche vertreten in der Künstlererziehung
das allgemeine Element, welches ebenso wichtig, vielleicht wich-
tiger ist als das persönliche, die Berührung mit congenialen Na-
turen. Zeichnung und Perspective, Modellirung und Farben-
technik, diess Fundament und die Kernmauer der Kunst, über-
liefert der gründliche Schulmeister, der geübte Experimentirer.
Das Genie wird durch pedantische Zucht nicht geknickt, und
ihm genügen zur Entzündung Funken: eine Zeichnung, ein
Kupferstich, wie sie überall hinkommen.

Wenn man auch von Pacheco nichts wüsste, der spätere
Velazquez würde auf einen Meister von diesem Schnitt schliessen
lassen. Nicht nur wegen der allseitig guten Fundirung und der
soliden Kenntnisse: auch die Leichtigkeit, das Gleichgewicht der
Kräfte pflegt eine Frucht methodischer Gymnastik zu sein.

Von allen frühern Malern in Spanien war dem späteren Ve-
lazquez gewiss keiner verwandter, als Theotokopuli. Pacheco
hatte ihn im Jahre 1611 besucht, trotz seines Abscheus vor
jenen wüsten Skizzen (crueles borrones) erkannte er sein Genie an.
Die Aeusserung des Greco ihm gegenüber, Michelangelo sei ein
guter Mann gewesen, aber malen habe er nicht gekonnt, hat dem
jungen Velazquez gewiss zu denken gegeben. Domenico war zu
seiner Zeit, in Toledo, als Portraitist ebenso beliebt, wie später
unser Diego am Hofe. Es hat sich indess bis jetzt keine Spur
gefunden, die über des Malers der golilla Ansicht von dem Maler

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[118/0138] Zweites Buch. Pedro de las Cuevas (geb. 1568 † 1635), von dem Niemand ein Gemälde gesehen, hat einen grossen Theil der namhaftesten Maler der Madrider Schule in die Kunst eingeführt; und der schwache Juan del Castillo lehrte Murillo, Cano und Moya die Malerei. Wie merkwürdig ist aber hier die Parallele mit Rubens! Den geistreich rohen Adam van Noort, dem er un- zweifelhaft künstlerisch verwandt war, hat er bald verlassen, um sich dauernd und eng an Otto van Veen anzuschliessen, den Gelehrten, Poeten, Allegoristen und Gentleman, wo künst- lerische Sympathie undenkbar schien. Wie Liebe und Freundschaft, so beruht auch das Verhält- niss von Meister und Jünger neben einem Fond von Gleichar- tigkeit auf einem Gegensatz. Der starken Ichheit des Genius ist eine überspannte Subjektivität weniger passend, als der me- chanische Kopf, die langsame, analytische Natur, welche seinen Drang nach dem Unbekannten an das wolthätige und unentbehr- liche Gesetz gewöhnt. Solche vertreten in der Künstlererziehung das allgemeine Element, welches ebenso wichtig, vielleicht wich- tiger ist als das persönliche, die Berührung mit congenialen Na- turen. Zeichnung und Perspective, Modellirung und Farben- technik, diess Fundament und die Kernmauer der Kunst, über- liefert der gründliche Schulmeister, der geübte Experimentirer. Das Genie wird durch pedantische Zucht nicht geknickt, und ihm genügen zur Entzündung Funken: eine Zeichnung, ein Kupferstich, wie sie überall hinkommen. Wenn man auch von Pacheco nichts wüsste, der spätere Velazquez würde auf einen Meister von diesem Schnitt schliessen lassen. Nicht nur wegen der allseitig guten Fundirung und der soliden Kenntnisse: auch die Leichtigkeit, das Gleichgewicht der Kräfte pflegt eine Frucht methodischer Gymnastik zu sein. Von allen frühern Malern in Spanien war dem späteren Ve- lazquez gewiss keiner verwandter, als Theotokopuli. Pacheco hatte ihn im Jahre 1611 besucht, trotz seines Abscheus vor jenen wüsten Skizzen (crueles borrones) erkannte er sein Genie an. Die Aeusserung des Greco ihm gegenüber, Michelangelo sei ein guter Mann gewesen, aber malen habe er nicht gekonnt, hat dem jungen Velazquez gewiss zu denken gegeben. Domenico war zu seiner Zeit, in Toledo, als Portraitist ebenso beliebt, wie später unser Diego am Hofe. Es hat sich indess bis jetzt keine Spur gefunden, die über des Malers der golilla Ansicht von dem Maler

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/138>, abgerufen am 22.11.2024.