an diese Gesetze und Wege zu fesseln. Es mag noch andere Methoden geben (leichtere und bessere vielleicht): was wir aus- geübt und in den Schriftstellern bewährt gefunden haben, das schreiben wir, ohne den guten Köpfen Taxe und Schranken zu setzen." Pacheco war also ein Lehrer, wie ihn ein reichangeleg- ter Schüler sich wünschen mag.
Zugleich aber hatte ein solcher den Vortheil, eine strenge Schule durchzumachen. Wie die grossen Italiener des Cinquecento. "Die Zeichnung ist Seele und Leben der Malerei; Zeichnung, insbesondere der Umriss ist das Schwerste, ja sie hat eigentlich keine andere Schwierigkeit. Hier gilt es Tapferkeit und Beharr- lichkeit. Hier haben selbst die Riesen ihr Leben lang zu ringen, ohne dass sie auch nur für einen Augenblick die Waffen ablegen dürften." Ohne sie ist die Malerei ein ganz gemeines Handwerk. Ihre Verächter sind Bastarde der Kunst, Schmierer und Kleckser (empastadores y manchantes).
Die Spitze gegen die Bravour- und Geniemaler ist hier offenbar. Der Maler soll nach allseitiger Vollendung streben. In den Werken der Meister (er nennt hier nicht bloss die von ihm natürlich über alle gefeierten "Zeichner", sondern auch Tizian und Correggio) "sieht man das Gegentheil von dem, wonach der Malerpöbel von heute trachtet, nämlich: Viel Zeichnung, viel Ueberlegung und Takt, viel Tiefsinn, Wissen und Anatomie, viel Zweckvollkommenheit und Wahrheit in den Muskeln, viel Unterscheidung in den Arten des Tuchs und der Seide, viel Voll- endung in den Theilen, in Zeichnung und Farbe, viel Schönheit und Abwechslung in den Gesichtern, viel Kunst in Verkürzungen und Perspektive, viel Findigkeit (ingenio) in der Anpassung der Beleuchtung an den Ort, kurz viel Sorge und Fleiss in der Entdeckung und Enthüllung der Dinge, die am schwersten zu beherrschen sind".
Sein phantasieloses Naturell hatte ihn, wie man sieht, auch auf einige ganz realistische Maximen geführt. "Ich halte mich an die Natur für Alles, und wenn ich sie für jeden Theil und ununterbrochen vor Augen haben könnte, um so besser würde es sein". Er ging deshalb ab von der in Sevilla üblichen Me- thode, welche die Gewandung nach dem Gliedermann und die Figuren nach plastischen Kleinmodellen zu malen empfahl. Nach Feststellung der Skizze machte er zu allen Köpfen Oelstudien nach ausgewählten Modellen, die Kleider stets nach dem Leben, die Extremitäten nach Kreidezeichnungen mit aufgehöhten Lich-
Die Lehrjahre.
an diese Gesetze und Wege zu fesseln. Es mag noch andere Methoden geben (leichtere und bessere vielleicht): was wir aus- geübt und in den Schriftstellern bewährt gefunden haben, das schreiben wir, ohne den guten Köpfen Taxe und Schranken zu setzen.“ Pacheco war also ein Lehrer, wie ihn ein reichangeleg- ter Schüler sich wünschen mag.
Zugleich aber hatte ein solcher den Vortheil, eine strenge Schule durchzumachen. Wie die grossen Italiener des Cinquecento. „Die Zeichnung ist Seele und Leben der Malerei; Zeichnung, insbesondere der Umriss ist das Schwerste, ja sie hat eigentlich keine andere Schwierigkeit. Hier gilt es Tapferkeit und Beharr- lichkeit. Hier haben selbst die Riesen ihr Leben lang zu ringen, ohne dass sie auch nur für einen Augenblick die Waffen ablegen dürften.“ Ohne sie ist die Malerei ein ganz gemeines Handwerk. Ihre Verächter sind Bastarde der Kunst, Schmierer und Kleckser (empastadores y manchantes).
Die Spitze gegen die Bravour- und Geniemaler ist hier offenbar. Der Maler soll nach allseitiger Vollendung streben. In den Werken der Meister (er nennt hier nicht bloss die von ihm natürlich über alle gefeierten „Zeichner“, sondern auch Tizian und Correggio) „sieht man das Gegentheil von dem, wonach der Malerpöbel von heute trachtet, nämlich: Viel Zeichnung, viel Ueberlegung und Takt, viel Tiefsinn, Wissen und Anatomie, viel Zweckvollkommenheit und Wahrheit in den Muskeln, viel Unterscheidung in den Arten des Tuchs und der Seide, viel Voll- endung in den Theilen, in Zeichnung und Farbe, viel Schönheit und Abwechslung in den Gesichtern, viel Kunst in Verkürzungen und Perspektive, viel Findigkeit (ingenio) in der Anpassung der Beleuchtung an den Ort, kurz viel Sorge und Fleiss in der Entdeckung und Enthüllung der Dinge, die am schwersten zu beherrschen sind“.
Sein phantasieloses Naturell hatte ihn, wie man sieht, auch auf einige ganz realistische Maximen geführt. „Ich halte mich an die Natur für Alles, und wenn ich sie für jeden Theil und ununterbrochen vor Augen haben könnte, um so besser würde es sein“. Er ging deshalb ab von der in Sevilla üblichen Me- thode, welche die Gewandung nach dem Gliedermann und die Figuren nach plastischen Kleinmodellen zu malen empfahl. Nach Feststellung der Skizze machte er zu allen Köpfen Oelstudien nach ausgewählten Modellen, die Kleider stets nach dem Leben, die Extremitäten nach Kreidezeichnungen mit aufgehöhten Lich-
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an diese Gesetze und Wege zu fesseln. Es mag noch andere
Methoden geben (leichtere und bessere vielleicht): was wir aus-
geübt und in den Schriftstellern bewährt gefunden haben, das
schreiben wir, ohne den guten Köpfen Taxe und Schranken zu
setzen.“ Pacheco war also ein Lehrer, wie ihn ein reichangeleg-
ter Schüler sich wünschen mag.
Zugleich aber hatte ein solcher den Vortheil, eine strenge
Schule durchzumachen. Wie die grossen Italiener des Cinquecento.
„Die Zeichnung ist Seele und Leben der Malerei; Zeichnung,
insbesondere der Umriss ist das Schwerste, ja sie hat eigentlich
keine andere Schwierigkeit. Hier gilt es Tapferkeit und Beharr-
lichkeit. Hier haben selbst die Riesen ihr Leben lang zu ringen,
ohne dass sie auch nur für einen Augenblick die Waffen ablegen
dürften.“ Ohne sie ist die Malerei ein ganz gemeines Handwerk.
Ihre Verächter sind Bastarde der Kunst, Schmierer und Kleckser
(empastadores y manchantes).
Die Spitze gegen die Bravour- und Geniemaler ist hier
offenbar. Der Maler soll nach allseitiger Vollendung streben.
In den Werken der Meister (er nennt hier nicht bloss die von
ihm natürlich über alle gefeierten „Zeichner“, sondern auch Tizian
und Correggio) „sieht man das Gegentheil von dem, wonach der
Malerpöbel von heute trachtet, nämlich: Viel Zeichnung, viel
Ueberlegung und Takt, viel Tiefsinn, Wissen und Anatomie,
viel Zweckvollkommenheit und Wahrheit in den Muskeln, viel
Unterscheidung in den Arten des Tuchs und der Seide, viel Voll-
endung in den Theilen, in Zeichnung und Farbe, viel Schönheit
und Abwechslung in den Gesichtern, viel Kunst in Verkürzungen
und Perspektive, viel Findigkeit (ingenio) in der Anpassung der
Beleuchtung an den Ort, kurz viel Sorge und Fleiss in der
Entdeckung und Enthüllung der Dinge, die am schwersten zu
beherrschen sind“.
Sein phantasieloses Naturell hatte ihn, wie man sieht, auch
auf einige ganz realistische Maximen geführt. „Ich halte mich
an die Natur für Alles, und wenn ich sie für jeden Theil und
ununterbrochen vor Augen haben könnte, um so besser würde
es sein“. Er ging deshalb ab von der in Sevilla üblichen Me-
thode, welche die Gewandung nach dem Gliedermann und die
Figuren nach plastischen Kleinmodellen zu malen empfahl. Nach
Feststellung der Skizze machte er zu allen Köpfen Oelstudien
nach ausgewählten Modellen, die Kleider stets nach dem Leben,
die Extremitäten nach Kreidezeichnungen mit aufgehöhten Lich-
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/135>, abgerufen am 24.11.2024.
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