weinen, dass man die Tempera aufgebe [a. a, O. II, 20]; mit der Ma- lerei sei es am Ende, sagte er. Auch Pablo meinte, ohne die Oelma- lerei würden uns manche Pfuscher erspart geblieben sein.
Tr. Ich sollte meinen, gerade weil das Colorit nicht nach Re- geln zu lernen ist, müsste es schwerer und folglich edler sein. Mein hochverehrtes Vorbild, Domingo Theotocopuli, ein Sohn der Insel Creta, gross geworden zu Venedig, als die Sonne der Kunst im Zenith strahlte, dann Herrscher der Malerei im kaiserlichen Toledo, hielt das Colorit in der That für schwerer als die Zeichnung. Und der verstand zu zeichnen!
E. Es war ein Paradoxon des Greco, und nicht sein ärgstes. Er sagte mir einmal, als ich ihn im Jahre 1611 in Toledo besuchte, "Michelangelo, der war ein guter Mann, aber malen hat er nicht ge- konnt". ... Er entfernte sich von der landläufigen Ansicht der Künstler, weil er in allem ebenso absonderlich war, wie in seinem Malen [a. a. O. I, 318].
Tr. Ueberlassen wir indess die substantiellen Formen und Acci- denzien den Baccalaureis von Salamanca! Wir Maler können uns unter diesen tiefsinnigen Worten nun einmal nichts denken. Mir genügt, dass auch Ihr doch die Vollkommenheit unserer Kunst nicht ohne Farben denken mögt. Und was gehört nach Eurem System zur Vollkommen- heit der Farbe?
E. Doch wol Schönheit oder Harmonie derselben, zarte Ueber- gänge (dulzura), Hervorragung und Rundung. Aber die Rundung (relievo) ist das wichtigste, wie schon Leon Battista Alberti gelehrt und nach ihm Leonardo; sie entschädigt sogar, wie die Erfahrung zeigt, für das Fehlen der ersten zwei.
Tr. Diese Erklärung passt mir vollkommen. Dann aber müsst Ihr auch zugeben, dass die Borronesmaler und Naturalisten in dem wesentlichsten Stücke die ersten sind. Nehmt jenen heil. Hieronymus des Jusepe Ribera, oder jenen Kopf des heil. Andreas dort: erscheinen nicht alle andern neben ihnen gemalt, und sie allein Leben?
F. In Osuna sah ich kürzlich in der Colegiata eine Kreuzigung, die der ebenso grosse wie unglückliche Don Pedro Giron 1) dorthin ge- schickt hatte, der mit seinem königlichen Auge diesen Mann entdeckt und aus seinem Dunkel hervorgezogen hat; und alles was sonst noch da war von Italienern, Fabrizio Santa Fede, dem Cavalier d'Arpino, habe ich ganz vergessen anzusehn.
E. Ich läugne nicht, dass dieser Ribera heute in der Praxis der Farben den Primat behauptet und in Neapel mit seinen herrlichen Wer- ken unserer Nation Ehre macht. Deshalb hat auch unser Herzog von
1) Don Pedro Giron, Herzog von Osuna, 1616--20 Vicekönig von Neapel, + 1624.
Anhang.
weinen, dass man die Tempera aufgebe [a. a, O. II, 20]; mit der Ma- lerei sei es am Ende, sagte er. Auch Pablo meinte, ohne die Oelma- lerei würden uns manche Pfuscher erspart geblieben sein.
Tr. Ich sollte meinen, gerade weil das Colorit nicht nach Re- geln zu lernen ist, müsste es schwerer und folglich edler sein. Mein hochverehrtes Vorbild, Domingo Theotocópuli, ein Sohn der Insel Creta, gross geworden zu Venedig, als die Sonne der Kunst im Zenith strahlte, dann Herrscher der Malerei im kaiserlichen Toledo, hielt das Colorit in der That für schwerer als die Zeichnung. Und der verstand zu zeichnen!
E. Es war ein Paradoxon des Greco, und nicht sein ärgstes. Er sagte mir einmal, als ich ihn im Jahre 1611 in Toledo besuchte, „Michelangelo, der war ein guter Mann, aber malen hat er nicht ge- konnt“. … Er entfernte sich von der landläufigen Ansicht der Künstler, weil er in allem ebenso absonderlich war, wie in seinem Malen [a. a. O. I, 318].
Tr. Ueberlassen wir indess die substantiellen Formen und Acci- denzien den Baccalaureis von Salamanca! Wir Maler können uns unter diesen tiefsinnigen Worten nun einmal nichts denken. Mir genügt, dass auch Ihr doch die Vollkommenheit unserer Kunst nicht ohne Farben denken mögt. Und was gehört nach Eurem System zur Vollkommen- heit der Farbe?
E. Doch wol Schönheit oder Harmonie derselben, zarte Ueber- gänge (dulzura), Hervorragung und Rundung. Aber die Rundung (relievo) ist das wichtigste, wie schon Leon Battista Alberti gelehrt und nach ihm Leonardo; sie entschädigt sogar, wie die Erfahrung zeigt, für das Fehlen der ersten zwei.
Tr. Diese Erklärung passt mir vollkommen. Dann aber müsst Ihr auch zugeben, dass die Borronesmaler und Naturalisten in dem wesentlichsten Stücke die ersten sind. Nehmt jenen heil. Hieronymus des Jusepe Ribera, oder jenen Kopf des heil. Andreas dort: erscheinen nicht alle andern neben ihnen gemalt, und sie allein Leben?
F. In Osuna sah ich kürzlich in der Colegiata eine Kreuzigung, die der ebenso grosse wie unglückliche Don Pedro Giron 1) dorthin ge- schickt hatte, der mit seinem königlichen Auge diesen Mann entdeckt und aus seinem Dunkel hervorgezogen hat; und alles was sonst noch da war von Italienern, Fabrizio Santa Fede, dem Cavalier d’Arpino, habe ich ganz vergessen anzusehn.
E. Ich läugne nicht, dass dieser Ribera heute in der Praxis der Farben den Primat behauptet und in Neapel mit seinen herrlichen Wer- ken unserer Nation Ehre macht. Deshalb hat auch unser Herzog von
1) Don Pedro Giron, Herzog von Osuna, 1616—20 Vicekönig von Neapel, † 1624.
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Anhang.
weinen, dass man die Tempera aufgebe [a. a, O. II, 20]; mit der Ma-
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lerei würden uns manche Pfuscher erspart geblieben sein.
Tr. Ich sollte meinen, gerade weil das Colorit nicht nach Re-
geln zu lernen ist, müsste es schwerer und folglich edler sein. Mein
hochverehrtes Vorbild, Domingo Theotocópuli, ein Sohn der Insel Creta,
gross geworden zu Venedig, als die Sonne der Kunst im Zenith strahlte,
dann Herrscher der Malerei im kaiserlichen Toledo, hielt das Colorit in
der That für schwerer als die Zeichnung. Und der verstand zu zeichnen!
E. Es war ein Paradoxon des Greco, und nicht sein ärgstes.
Er sagte mir einmal, als ich ihn im Jahre 1611 in Toledo besuchte,
„Michelangelo, der war ein guter Mann, aber malen hat er nicht ge-
konnt“. … Er entfernte sich von der landläufigen Ansicht der Künstler,
weil er in allem ebenso absonderlich war, wie in seinem Malen [a. a. O.
I, 318].
Tr. Ueberlassen wir indess die substantiellen Formen und Acci-
denzien den Baccalaureis von Salamanca! Wir Maler können uns unter
diesen tiefsinnigen Worten nun einmal nichts denken. Mir genügt, dass
auch Ihr doch die Vollkommenheit unserer Kunst nicht ohne Farben
denken mögt. Und was gehört nach Eurem System zur Vollkommen-
heit der Farbe?
E. Doch wol Schönheit oder Harmonie derselben, zarte Ueber-
gänge (dulzura), Hervorragung und Rundung. Aber die Rundung (relievo)
ist das wichtigste, wie schon Leon Battista Alberti gelehrt und nach ihm
Leonardo; sie entschädigt sogar, wie die Erfahrung zeigt, für das Fehlen
der ersten zwei.
Tr. Diese Erklärung passt mir vollkommen. Dann aber müsst
Ihr auch zugeben, dass die Borronesmaler und Naturalisten in dem
wesentlichsten Stücke die ersten sind. Nehmt jenen heil. Hieronymus
des Jusepe Ribera, oder jenen Kopf des heil. Andreas dort: erscheinen
nicht alle andern neben ihnen gemalt, und sie allein Leben?
F. In Osuna sah ich kürzlich in der Colegiata eine Kreuzigung,
die der ebenso grosse wie unglückliche Don Pedro Giron 1) dorthin ge-
schickt hatte, der mit seinem königlichen Auge diesen Mann entdeckt
und aus seinem Dunkel hervorgezogen hat; und alles was sonst noch
da war von Italienern, Fabrizio Santa Fede, dem Cavalier d’Arpino,
habe ich ganz vergessen anzusehn.
E. Ich läugne nicht, dass dieser Ribera heute in der Praxis der
Farben den Primat behauptet und in Neapel mit seinen herrlichen Wer-
ken unserer Nation Ehre macht. Deshalb hat auch unser Herzog von
1) Don Pedro Giron, Herzog von Osuna, 1616—20 Vicekönig von Neapel, † 1624.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/120>, abgerufen am 16.02.2025.
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