Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

einiger Einwürfe.
schränkten Gesetzgeber und Richter in dem von ihr sehr
weit abgesonderten Reiche der Wissenschaften machen
wollen. Diese Geistliche scheinen auf gut mohameta-
nisch eben so wie der Calif Abubecker zu denken, wel-
cher dem Statthalter des neueroberten Königreichs Egy-
pten auf seine Anfrage: was er mit der großen Ale-
xandrinischen Bibliothek machen sollte, zur Antwort
gab: daß er alle diese Bücher verbrennen lassen sollte.
Denn, sagte er mit großer Andacht, aber vielleicht mit
desto weniger Klugheit: Wenn diese Bücher eben das-
jenige in sich enthalten, was im Alcoran stehet; so
sind sie unnöthig und überflüßig. Haben sie aber et-
was in sich, was in dem Alcoran nicht befindlich ist,
und demselben entgegen läuft; so sind sie gottlos, und
müssen von dem Erdboden vertilget werden. Wahr-
haftig, eben also denken diejenigen Geistlichen, wel-
che alles verwerfen und verketzern, was in dem Rei-
che der Wissenschaften gelehret und erfunden wird, das
nicht mit der Bibel übereinstimmet. Sie dürfen in
ihren Schlüssen nur einen Grad weiter fortgehen; so
entstehet eben der Ausspruch des Abubeckers daraus,
daß wir auch vor die menschliche Erkenntniß und vor
das Reich der Wissenschaften kein anderes Buch bedür-
fen, als die Bibel.

Jndessen, wenn diejenigen Naturforscher, welche
die Entstehung der Gebirge, die Versteinerungen un-
ter der Erde, und alle andere Kennzeichen von so vie-
len mit dem Erdcörper vorgegangenen erstaunlichen
Veränderungen der Wirkung der Sündfluth zuschrei-
ben; so müssen sie dabey voraussetzen, daß alle lockere

Erde
S 4

einiger Einwuͤrfe.
ſchraͤnkten Geſetzgeber und Richter in dem von ihr ſehr
weit abgeſonderten Reiche der Wiſſenſchaften machen
wollen. Dieſe Geiſtliche ſcheinen auf gut mohameta-
niſch eben ſo wie der Calif Abubecker zu denken, wel-
cher dem Statthalter des neueroberten Koͤnigreichs Egy-
pten auf ſeine Anfrage: was er mit der großen Ale-
xandriniſchen Bibliothek machen ſollte, zur Antwort
gab: daß er alle dieſe Buͤcher verbrennen laſſen ſollte.
Denn, ſagte er mit großer Andacht, aber vielleicht mit
deſto weniger Klugheit: Wenn dieſe Buͤcher eben das-
jenige in ſich enthalten, was im Alcoran ſtehet; ſo
ſind ſie unnoͤthig und uͤberfluͤßig. Haben ſie aber et-
was in ſich, was in dem Alcoran nicht befindlich iſt,
und demſelben entgegen laͤuft; ſo ſind ſie gottlos, und
muͤſſen von dem Erdboden vertilget werden. Wahr-
haftig, eben alſo denken diejenigen Geiſtlichen, wel-
che alles verwerfen und verketzern, was in dem Rei-
che der Wiſſenſchaften gelehret und erfunden wird, das
nicht mit der Bibel uͤbereinſtimmet. Sie duͤrfen in
ihren Schluͤſſen nur einen Grad weiter fortgehen; ſo
entſtehet eben der Ausſpruch des Abubeckers daraus,
daß wir auch vor die menſchliche Erkenntniß und vor
das Reich der Wiſſenſchaften kein anderes Buch beduͤr-
fen, als die Bibel.

Jndeſſen, wenn diejenigen Naturforſcher, welche
die Entſtehung der Gebirge, die Verſteinerungen un-
ter der Erde, und alle andere Kennzeichen von ſo vie-
len mit dem Erdcoͤrper vorgegangenen erſtaunlichen
Veraͤnderungen der Wirkung der Suͤndfluth zuſchrei-
ben; ſo muͤſſen ſie dabey vorausſetzen, daß alle lockere

Erde
S 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0307" n="279"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">einiger Einwu&#x0364;rfe.</hi></fw><lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nkten Ge&#x017F;etzgeber und Richter in dem von ihr &#x017F;ehr<lb/>
weit abge&#x017F;onderten Reiche der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften machen<lb/>
wollen. Die&#x017F;e Gei&#x017F;tliche &#x017F;cheinen auf gut mohameta-<lb/>
ni&#x017F;ch eben &#x017F;o wie der Calif <hi rendition="#fr">Abubecker</hi> zu denken, wel-<lb/>
cher dem Statthalter des neueroberten Ko&#x0364;nigreichs Egy-<lb/>
pten auf &#x017F;eine Anfrage: was er mit der großen Ale-<lb/>
xandrini&#x017F;chen Bibliothek machen &#x017F;ollte, zur Antwort<lb/>
gab: daß er alle die&#x017F;e Bu&#x0364;cher verbrennen la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollte.<lb/>
Denn, &#x017F;agte er mit großer Andacht, aber vielleicht mit<lb/>
de&#x017F;to weniger Klugheit: Wenn die&#x017F;e Bu&#x0364;cher eben das-<lb/>
jenige in &#x017F;ich enthalten, was im Alcoran &#x017F;tehet; &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;ie unno&#x0364;thig und u&#x0364;berflu&#x0364;ßig. Haben &#x017F;ie aber et-<lb/>
was in &#x017F;ich, was in dem Alcoran nicht befindlich i&#x017F;t,<lb/>
und dem&#x017F;elben entgegen la&#x0364;uft; &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie gottlos, und<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en von dem Erdboden vertilget werden. Wahr-<lb/>
haftig, eben al&#x017F;o denken diejenigen Gei&#x017F;tlichen, wel-<lb/>
che alles verwerfen und verketzern, was in dem Rei-<lb/>
che der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften gelehret und erfunden wird, das<lb/>
nicht mit der Bibel u&#x0364;berein&#x017F;timmet. Sie du&#x0364;rfen in<lb/>
ihren Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en nur einen Grad weiter fortgehen; &#x017F;o<lb/>
ent&#x017F;tehet eben der Aus&#x017F;pruch des <hi rendition="#fr">Abubeckers</hi> daraus,<lb/>
daß wir auch vor die men&#x017F;chliche Erkenntniß und vor<lb/>
das Reich der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften kein anderes Buch bedu&#x0364;r-<lb/>
fen, als die Bibel.</p><lb/>
          <p>Jnde&#x017F;&#x017F;en, wenn diejenigen Naturfor&#x017F;cher, welche<lb/>
die Ent&#x017F;tehung der Gebirge, die Ver&#x017F;teinerungen un-<lb/>
ter der Erde, und alle andere Kennzeichen von &#x017F;o vie-<lb/>
len mit dem Erdco&#x0364;rper vorgegangenen er&#x017F;taunlichen<lb/>
Vera&#x0364;nderungen der Wirkung der Su&#x0364;ndfluth zu&#x017F;chrei-<lb/>
ben; &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie dabey voraus&#x017F;etzen, daß alle lockere<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Erde</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[279/0307] einiger Einwuͤrfe. ſchraͤnkten Geſetzgeber und Richter in dem von ihr ſehr weit abgeſonderten Reiche der Wiſſenſchaften machen wollen. Dieſe Geiſtliche ſcheinen auf gut mohameta- niſch eben ſo wie der Calif Abubecker zu denken, wel- cher dem Statthalter des neueroberten Koͤnigreichs Egy- pten auf ſeine Anfrage: was er mit der großen Ale- xandriniſchen Bibliothek machen ſollte, zur Antwort gab: daß er alle dieſe Buͤcher verbrennen laſſen ſollte. Denn, ſagte er mit großer Andacht, aber vielleicht mit deſto weniger Klugheit: Wenn dieſe Buͤcher eben das- jenige in ſich enthalten, was im Alcoran ſtehet; ſo ſind ſie unnoͤthig und uͤberfluͤßig. Haben ſie aber et- was in ſich, was in dem Alcoran nicht befindlich iſt, und demſelben entgegen laͤuft; ſo ſind ſie gottlos, und muͤſſen von dem Erdboden vertilget werden. Wahr- haftig, eben alſo denken diejenigen Geiſtlichen, wel- che alles verwerfen und verketzern, was in dem Rei- che der Wiſſenſchaften gelehret und erfunden wird, das nicht mit der Bibel uͤbereinſtimmet. Sie duͤrfen in ihren Schluͤſſen nur einen Grad weiter fortgehen; ſo entſtehet eben der Ausſpruch des Abubeckers daraus, daß wir auch vor die menſchliche Erkenntniß und vor das Reich der Wiſſenſchaften kein anderes Buch beduͤr- fen, als die Bibel. Jndeſſen, wenn diejenigen Naturforſcher, welche die Entſtehung der Gebirge, die Verſteinerungen un- ter der Erde, und alle andere Kennzeichen von ſo vie- len mit dem Erdcoͤrper vorgegangenen erſtaunlichen Veraͤnderungen der Wirkung der Suͤndfluth zuſchrei- ben; ſo muͤſſen ſie dabey vorausſetzen, daß alle lockere Erde S 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/307
Zitationshilfe: Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/307>, abgerufen am 29.11.2024.