Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771.VI. Abschn. Das Meer verändert den, die sich darauf gründen. Eben so sind viele alteHaushaltungsreguln bekannt, die sich offenbar auf ei- ne frühere schöne Witterung beziehen. Jn dem nord- lichen Theile von Teutfchland war sonst eine alte Haus- haltungsregul, die man in schlechte Reime gebracht hatte, daß auf Mariä Verkündigung vor Ostern das Rindvieh zur Weide ausgetrieben werden müsse; und man rechnete in Ansehung der Winterfütterung bloß bis auf diesen Zeitpunct. Allein, weder in Ansehung der Erndte, noch in Ansehung des hervorwachsenden Grases zur Viehweide, kann man auf diese alten Zeit- puncte mehr rechnen. Das Vieh kann erst nach Walpurgis, und zwar nicht einmahl alle Jahre, bald nach diesem Tage in die Weide getrieben werden; und die Erndte kann erst den 21sten bis 23sten Ju- lii, mithin zehen bis zwölf Tage späther, auch in mittelmäßigen und leidlichen Jahren, ihren Anfang nehmen. Wenn einige Länder eine merklich kältere Himmels- vor
VI. Abſchn. Das Meer veraͤndert den, die ſich darauf gruͤnden. Eben ſo ſind viele alteHaushaltungsreguln bekannt, die ſich offenbar auf ei- ne fruͤhere ſchoͤne Witterung beziehen. Jn dem nord- lichen Theile von Teutfchland war ſonſt eine alte Haus- haltungsregul, die man in ſchlechte Reime gebracht hatte, daß auf Mariaͤ Verkuͤndigung vor Oſtern das Rindvieh zur Weide ausgetrieben werden muͤſſe; und man rechnete in Anſehung der Winterfuͤtterung bloß bis auf dieſen Zeitpunct. Allein, weder in Anſehung der Erndte, noch in Anſehung des hervorwachſenden Graſes zur Viehweide, kann man auf dieſe alten Zeit- puncte mehr rechnen. Das Vieh kann erſt nach Walpurgis, und zwar nicht einmahl alle Jahre, bald nach dieſem Tage in die Weide getrieben werden; und die Erndte kann erſt den 21ſten bis 23ſten Ju- lii, mithin zehen bis zwoͤlf Tage ſpaͤther, auch in mittelmaͤßigen und leidlichen Jahren, ihren Anfang nehmen. Wenn einige Laͤnder eine merklich kaͤltere Himmels- vor
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VI. Abſchn. Das Meer veraͤndert
den, die ſich darauf gruͤnden. Eben ſo ſind viele alte
Haushaltungsreguln bekannt, die ſich offenbar auf ei-
ne fruͤhere ſchoͤne Witterung beziehen. Jn dem nord-
lichen Theile von Teutfchland war ſonſt eine alte Haus-
haltungsregul, die man in ſchlechte Reime gebracht
hatte, daß auf Mariaͤ Verkuͤndigung vor Oſtern das
Rindvieh zur Weide ausgetrieben werden muͤſſe; und
man rechnete in Anſehung der Winterfuͤtterung bloß
bis auf dieſen Zeitpunct. Allein, weder in Anſehung
der Erndte, noch in Anſehung des hervorwachſenden
Graſes zur Viehweide, kann man auf dieſe alten Zeit-
puncte mehr rechnen. Das Vieh kann erſt nach
Walpurgis, und zwar nicht einmahl alle Jahre, bald
nach dieſem Tage in die Weide getrieben werden;
und die Erndte kann erſt den 21ſten bis 23ſten Ju-
lii, mithin zehen bis zwoͤlf Tage ſpaͤther, auch in
mittelmaͤßigen und leidlichen Jahren, ihren Anfang
nehmen.
Wenn einige Laͤnder eine merklich kaͤltere Himmels-
gegend bekommen; ſo findet man hingegen in andern,
daß ihnen eine offenbar angenehmere und waͤrmere
Witterung zu Theil wird. Man weis, daß ſonſt
Rußland, und inſonderheit Siberien, von ganz Eu-
ropa vor die allerkaͤlteſten Laͤnder gehalten wurden, in
welchen eine ſo erſchreckliche Kaͤlte herrſche, daß ſie
der menſchlichen Natur kaum ertraͤglich ſey. Man
weis, was die gefangenen Schweden, die doch auch
einen kalten Himmelsſtrich zu ihrem Vaterlande hat-
ten, von der erſtaunlichen Kaͤlte in Rußland und Si-
berien, und von ihrem dadurch unausſprechlich ver-
groͤßerten Elende, zu Anfange dieſes Jahrhunderts
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