Wenn der Erdcörper wirklich nach der ehemaligen allgemeinen Meynung eine eyförmige Figur gehabt hätte; so würde es fast nicht möglich gewesen seyn, daß sich jemahls die Pole hätten verändern können. Eben diese Figur des Erdcörpers würde allemahl ein unüberwindliches Hinterniß, die Pole zu verändern, gewesen seyn. Seine Figur selbst hätte ihn gleichsam natürlicher Weise immer und auf beständig bestimmt, unveränderlich in diesem Zustande zu verbleiben. Al- lein, eben diese Figur der Erde war gar nicht diejeni- ge, welche zu seinem Lauf um die Sonne, und zu sei- ner Bewegung um seine eigene Axe die geschickteste war. Der berühmte Euler, der Vater, hat in de- nen Commentarien der königlichen Academie zu Ber- lin in einer besondern Abhandlung erwiesen, daß der Erdcörper bey seiner Bewegung um seine eigene Axe, und bey seinem Lauf um die Sonne, ohngeachtet der Aether, durch welchen diese Laufbahn geschehen muß, vielleicht die allersubtileste Materie in der Natur ist, dennoch einigen Widerstand erleide, wodurch nothwen- dig veruhrsachet werden müsse, daß sich unser Erd- cörper in seinem Laufe beständig schwäche, und wo- durch folglich natürlicher Weise entstehen müßte, daß sich seine Laufbahn verkürze, und endlich unser Erdcör- per nach vielen Millionen von Jahren in die Sonne gestürzet werden würde.
Jn dem Falle, wenn der Erdcörper wirklich eine eyförmige Figur hätte; so würde derselbe sowohl zur Bewegung um seine eigene Axe, als zu seiner Lauf- bahn um die Sonne vielweniger geschickt seyn; er wür- de durch den Aether vielmehr Hinternisse finden, und
in
M 2
der Pole und Himmelsgegenden.
Wenn der Erdcoͤrper wirklich nach der ehemaligen allgemeinen Meynung eine eyfoͤrmige Figur gehabt haͤtte; ſo wuͤrde es faſt nicht moͤglich geweſen ſeyn, daß ſich jemahls die Pole haͤtten veraͤndern koͤnnen. Eben dieſe Figur des Erdcoͤrpers wuͤrde allemahl ein unuͤberwindliches Hinterniß, die Pole zu veraͤndern, geweſen ſeyn. Seine Figur ſelbſt haͤtte ihn gleichſam natuͤrlicher Weiſe immer und auf beſtaͤndig beſtimmt, unveraͤnderlich in dieſem Zuſtande zu verbleiben. Al- lein, eben dieſe Figur der Erde war gar nicht diejeni- ge, welche zu ſeinem Lauf um die Sonne, und zu ſei- ner Bewegung um ſeine eigene Axe die geſchickteſte war. Der beruͤhmte Euler, der Vater, hat in de- nen Commentarien der koͤniglichen Academie zu Ber- lin in einer beſondern Abhandlung erwieſen, daß der Erdcoͤrper bey ſeiner Bewegung um ſeine eigene Axe, und bey ſeinem Lauf um die Sonne, ohngeachtet der Aether, durch welchen dieſe Laufbahn geſchehen muß, vielleicht die allerſubtileſte Materie in der Natur iſt, dennoch einigen Widerſtand erleide, wodurch nothwen- dig veruhrſachet werden muͤſſe, daß ſich unſer Erd- coͤrper in ſeinem Laufe beſtaͤndig ſchwaͤche, und wo- durch folglich natuͤrlicher Weiſe entſtehen muͤßte, daß ſich ſeine Laufbahn verkuͤrze, und endlich unſer Erdcoͤr- per nach vielen Millionen von Jahren in die Sonne geſtuͤrzet werden wuͤrde.
Jn dem Falle, wenn der Erdcoͤrper wirklich eine eyfoͤrmige Figur haͤtte; ſo wuͤrde derſelbe ſowohl zur Bewegung um ſeine eigene Axe, als zu ſeiner Lauf- bahn um die Sonne vielweniger geſchickt ſeyn; er wuͤr- de durch den Aether vielmehr Hinterniſſe finden, und
in
M 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0207"n="179"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">der Pole und Himmelsgegenden.</hi></fw><lb/><p>Wenn der Erdcoͤrper wirklich nach der ehemaligen<lb/>
allgemeinen Meynung eine eyfoͤrmige Figur gehabt<lb/>
haͤtte; ſo wuͤrde es faſt nicht moͤglich geweſen ſeyn,<lb/>
daß ſich jemahls die Pole haͤtten veraͤndern koͤnnen.<lb/>
Eben dieſe Figur des Erdcoͤrpers wuͤrde allemahl ein<lb/>
unuͤberwindliches Hinterniß, die Pole zu veraͤndern,<lb/>
geweſen ſeyn. Seine Figur ſelbſt haͤtte ihn gleichſam<lb/>
natuͤrlicher Weiſe immer und auf beſtaͤndig beſtimmt,<lb/>
unveraͤnderlich in dieſem Zuſtande zu verbleiben. Al-<lb/>
lein, eben dieſe Figur der Erde war gar nicht diejeni-<lb/>
ge, welche zu ſeinem Lauf um die Sonne, und zu ſei-<lb/>
ner Bewegung um ſeine eigene Axe die geſchickteſte<lb/>
war. Der beruͤhmte <hirendition="#fr">Euler,</hi> der Vater, hat in de-<lb/>
nen Commentarien der koͤniglichen Academie zu Ber-<lb/>
lin in einer beſondern Abhandlung erwieſen, daß der<lb/>
Erdcoͤrper bey ſeiner Bewegung um ſeine eigene Axe,<lb/>
und bey ſeinem Lauf um die Sonne, ohngeachtet der<lb/>
Aether, durch welchen dieſe Laufbahn geſchehen muß,<lb/>
vielleicht die allerſubtileſte Materie in der Natur iſt,<lb/>
dennoch einigen Widerſtand erleide, wodurch nothwen-<lb/>
dig veruhrſachet werden muͤſſe, daß ſich unſer Erd-<lb/>
coͤrper in ſeinem Laufe beſtaͤndig ſchwaͤche, und wo-<lb/>
durch folglich natuͤrlicher Weiſe entſtehen muͤßte, daß<lb/>ſich ſeine Laufbahn verkuͤrze, und endlich unſer Erdcoͤr-<lb/>
per nach vielen Millionen von Jahren in die Sonne<lb/>
geſtuͤrzet werden wuͤrde.</p><lb/><p>Jn dem Falle, wenn der Erdcoͤrper wirklich eine<lb/>
eyfoͤrmige Figur haͤtte; ſo wuͤrde derſelbe ſowohl zur<lb/>
Bewegung um ſeine eigene Axe, als zu ſeiner Lauf-<lb/>
bahn um die Sonne vielweniger geſchickt ſeyn; er wuͤr-<lb/>
de durch den Aether vielmehr Hinterniſſe finden, und<lb/><fwplace="bottom"type="sig">M 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">in</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[179/0207]
der Pole und Himmelsgegenden.
Wenn der Erdcoͤrper wirklich nach der ehemaligen
allgemeinen Meynung eine eyfoͤrmige Figur gehabt
haͤtte; ſo wuͤrde es faſt nicht moͤglich geweſen ſeyn,
daß ſich jemahls die Pole haͤtten veraͤndern koͤnnen.
Eben dieſe Figur des Erdcoͤrpers wuͤrde allemahl ein
unuͤberwindliches Hinterniß, die Pole zu veraͤndern,
geweſen ſeyn. Seine Figur ſelbſt haͤtte ihn gleichſam
natuͤrlicher Weiſe immer und auf beſtaͤndig beſtimmt,
unveraͤnderlich in dieſem Zuſtande zu verbleiben. Al-
lein, eben dieſe Figur der Erde war gar nicht diejeni-
ge, welche zu ſeinem Lauf um die Sonne, und zu ſei-
ner Bewegung um ſeine eigene Axe die geſchickteſte
war. Der beruͤhmte Euler, der Vater, hat in de-
nen Commentarien der koͤniglichen Academie zu Ber-
lin in einer beſondern Abhandlung erwieſen, daß der
Erdcoͤrper bey ſeiner Bewegung um ſeine eigene Axe,
und bey ſeinem Lauf um die Sonne, ohngeachtet der
Aether, durch welchen dieſe Laufbahn geſchehen muß,
vielleicht die allerſubtileſte Materie in der Natur iſt,
dennoch einigen Widerſtand erleide, wodurch nothwen-
dig veruhrſachet werden muͤſſe, daß ſich unſer Erd-
coͤrper in ſeinem Laufe beſtaͤndig ſchwaͤche, und wo-
durch folglich natuͤrlicher Weiſe entſtehen muͤßte, daß
ſich ſeine Laufbahn verkuͤrze, und endlich unſer Erdcoͤr-
per nach vielen Millionen von Jahren in die Sonne
geſtuͤrzet werden wuͤrde.
Jn dem Falle, wenn der Erdcoͤrper wirklich eine
eyfoͤrmige Figur haͤtte; ſo wuͤrde derſelbe ſowohl zur
Bewegung um ſeine eigene Axe, als zu ſeiner Lauf-
bahn um die Sonne vielweniger geſchickt ſeyn; er wuͤr-
de durch den Aether vielmehr Hinterniſſe finden, und
in
M 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/207>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.