Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Vollständige Abhandlung von denen Manufacuren und Fabriken. Bd. 1. Kopenhagen, 1758.

Bild:
<< vorherige Seite

IV. Absch. von denen Hindernissen
Regierung nichts abhalten in allen Waisenhäusern eine
solche Art der Erziehung einzuführen und alle darin-
nen befindliche Kinder nicht allein arbeiten, sondern
auch ihren Geist dergestalt bilden zu laßen, daß er mit
Genie und Trieb zum Fleiß und nützlichen Nahrungs-
geschäften erfüllet wird. Was die Waisenhäuser denen
Kindern von den frühesten Jahren an einprägen könn-
ten, das könnten wohl eingerichtete mechanische Real-
schulen bey etwas mehr erwachsenen Kindern gleichfalls
ausrichten; und so würde das Genie eines Volkes zu
Manufacturen und Fabriken gar bald gebildet werden.

Die Liebe zu
dem Auslän-
dischen, eine
andere Hin-
derniß vor
die Landes-
manufactu-
ren.

Nächst dem Mangel des Genie des Volkes ist auch
die Liebe zu den ausländischen Waaren eine große Hin-
derniß vor das Aufkommen der Landesmanufacturen.
Diese Liebe des Ausländischen ist fast ein allgemeiner
Fehler aller Völker. Man darf nicht glauben, daß
diese Neigung nur allein bey uns teutschen und andern
nördlichen Nationen statt findet, weil die Manufactu-
ren daselbst noch keine große Vollkommenheit er-
langet haben. Die Franzosen und Engelländer, die
es in der Vollkommenheit der Manufacturen unstrei-
tig viel weiter gebracht haben, werden von dieser Liebe
des Ausländischen eben so stark hingerissen. Jhre eige-
nen Schriftsteller machen ihnen darüber die bittersten
Vorwürfe. Diese wunderliche Neigung ist um so mehr
vor eine Hinderniß in dem guten Fortgange der Ma-
nufacturen zu achten, wenn man den inländischen Debit
nicht auf strenges Verboth und Aufsicht gegen die Ein-

fuhre

IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
Regierung nichts abhalten in allen Waiſenhaͤuſern eine
ſolche Art der Erziehung einzufuͤhren und alle darin-
nen befindliche Kinder nicht allein arbeiten, ſondern
auch ihren Geiſt dergeſtalt bilden zu laßen, daß er mit
Genie und Trieb zum Fleiß und nuͤtzlichen Nahrungs-
geſchaͤften erfuͤllet wird. Was die Waiſenhaͤuſer denen
Kindern von den fruͤheſten Jahren an einpraͤgen koͤnn-
ten, das koͤnnten wohl eingerichtete mechaniſche Real-
ſchulen bey etwas mehr erwachſenen Kindern gleichfalls
ausrichten; und ſo wuͤrde das Genie eines Volkes zu
Manufacturen und Fabriken gar bald gebildet werden.

Die Liebe zu
dem Auslän-
diſchen, eine
andere Hin-
derniß vor
die Landes-
manufactu-
ren.

Naͤchſt dem Mangel des Genie des Volkes iſt auch
die Liebe zu den auslaͤndiſchen Waaren eine große Hin-
derniß vor das Aufkommen der Landesmanufacturen.
Dieſe Liebe des Auslaͤndiſchen iſt faſt ein allgemeiner
Fehler aller Voͤlker. Man darf nicht glauben, daß
dieſe Neigung nur allein bey uns teutſchen und andern
noͤrdlichen Nationen ſtatt findet, weil die Manufactu-
ren daſelbſt noch keine große Vollkommenheit er-
langet haben. Die Franzoſen und Engellaͤnder, die
es in der Vollkommenheit der Manufacturen unſtrei-
tig viel weiter gebracht haben, werden von dieſer Liebe
des Auslaͤndiſchen eben ſo ſtark hingeriſſen. Jhre eige-
nen Schriftſteller machen ihnen daruͤber die bitterſten
Vorwuͤrfe. Dieſe wunderliche Neigung iſt um ſo mehr
vor eine Hinderniß in dem guten Fortgange der Ma-
nufacturen zu achten, wenn man den inlaͤndiſchen Debit
nicht auf ſtrenges Verboth und Aufſicht gegen die Ein-

fuhre
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0210" n="182"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Ab&#x017F;ch. von denen Hinderni&#x017F;&#x017F;en</fw><lb/>
Regierung nichts abhalten in allen Wai&#x017F;enha&#x0364;u&#x017F;ern eine<lb/>
&#x017F;olche Art der Erziehung einzufu&#x0364;hren und alle darin-<lb/>
nen befindliche Kinder nicht allein arbeiten, &#x017F;ondern<lb/>
auch ihren Gei&#x017F;t derge&#x017F;talt bilden zu laßen, daß er mit<lb/>
Genie und Trieb zum Fleiß und nu&#x0364;tzlichen Nahrungs-<lb/>
ge&#x017F;cha&#x0364;ften erfu&#x0364;llet wird. Was die Wai&#x017F;enha&#x0364;u&#x017F;er denen<lb/>
Kindern von den fru&#x0364;he&#x017F;ten Jahren an einpra&#x0364;gen ko&#x0364;nn-<lb/>
ten, das ko&#x0364;nnten wohl eingerichtete mechani&#x017F;che Real-<lb/>
&#x017F;chulen bey etwas mehr erwach&#x017F;enen Kindern gleichfalls<lb/>
ausrichten; und &#x017F;o wu&#x0364;rde das Genie eines Volkes zu<lb/>
Manufacturen und Fabriken gar bald gebildet werden.</p><lb/>
          <note place="left">Die Liebe zu<lb/>
dem Auslän-<lb/>
di&#x017F;chen, eine<lb/>
andere Hin-<lb/>
derniß vor<lb/>
die Landes-<lb/>
manufactu-<lb/>
ren.</note>
          <p>Na&#x0364;ch&#x017F;t dem Mangel des Genie des Volkes i&#x017F;t auch<lb/>
die Liebe zu den ausla&#x0364;ndi&#x017F;chen Waaren eine große Hin-<lb/>
derniß vor das Aufkommen der Landesmanufacturen.<lb/>
Die&#x017F;e Liebe des Ausla&#x0364;ndi&#x017F;chen i&#x017F;t fa&#x017F;t ein allgemeiner<lb/>
Fehler aller Vo&#x0364;lker. Man darf nicht glauben, daß<lb/>
die&#x017F;e Neigung nur allein bey uns teut&#x017F;chen und andern<lb/>
no&#x0364;rdlichen Nationen &#x017F;tatt findet, weil die Manufactu-<lb/>
ren da&#x017F;elb&#x017F;t noch keine große Vollkommenheit er-<lb/>
langet haben. Die Franzo&#x017F;en und Engella&#x0364;nder, die<lb/>
es in der Vollkommenheit der Manufacturen un&#x017F;trei-<lb/>
tig viel weiter gebracht haben, werden von die&#x017F;er Liebe<lb/>
des Ausla&#x0364;ndi&#x017F;chen eben &#x017F;o &#x017F;tark hingeri&#x017F;&#x017F;en. Jhre eige-<lb/>
nen Schrift&#x017F;teller machen ihnen daru&#x0364;ber die bitter&#x017F;ten<lb/>
Vorwu&#x0364;rfe. Die&#x017F;e wunderliche Neigung i&#x017F;t um &#x017F;o mehr<lb/>
vor eine Hinderniß in dem guten Fortgange der Ma-<lb/>
nufacturen zu achten, wenn man den inla&#x0364;ndi&#x017F;chen Debit<lb/>
nicht auf &#x017F;trenges Verboth und Auf&#x017F;icht gegen die Ein-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fuhre</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0210] IV. Abſch. von denen Hinderniſſen Regierung nichts abhalten in allen Waiſenhaͤuſern eine ſolche Art der Erziehung einzufuͤhren und alle darin- nen befindliche Kinder nicht allein arbeiten, ſondern auch ihren Geiſt dergeſtalt bilden zu laßen, daß er mit Genie und Trieb zum Fleiß und nuͤtzlichen Nahrungs- geſchaͤften erfuͤllet wird. Was die Waiſenhaͤuſer denen Kindern von den fruͤheſten Jahren an einpraͤgen koͤnn- ten, das koͤnnten wohl eingerichtete mechaniſche Real- ſchulen bey etwas mehr erwachſenen Kindern gleichfalls ausrichten; und ſo wuͤrde das Genie eines Volkes zu Manufacturen und Fabriken gar bald gebildet werden. Naͤchſt dem Mangel des Genie des Volkes iſt auch die Liebe zu den auslaͤndiſchen Waaren eine große Hin- derniß vor das Aufkommen der Landesmanufacturen. Dieſe Liebe des Auslaͤndiſchen iſt faſt ein allgemeiner Fehler aller Voͤlker. Man darf nicht glauben, daß dieſe Neigung nur allein bey uns teutſchen und andern noͤrdlichen Nationen ſtatt findet, weil die Manufactu- ren daſelbſt noch keine große Vollkommenheit er- langet haben. Die Franzoſen und Engellaͤnder, die es in der Vollkommenheit der Manufacturen unſtrei- tig viel weiter gebracht haben, werden von dieſer Liebe des Auslaͤndiſchen eben ſo ſtark hingeriſſen. Jhre eige- nen Schriftſteller machen ihnen daruͤber die bitterſten Vorwuͤrfe. Dieſe wunderliche Neigung iſt um ſo mehr vor eine Hinderniß in dem guten Fortgange der Ma- nufacturen zu achten, wenn man den inlaͤndiſchen Debit nicht auf ſtrenges Verboth und Aufſicht gegen die Ein- fuhre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_abhandlung01_1758
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_abhandlung01_1758/210
Zitationshilfe: Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Vollständige Abhandlung von denen Manufacuren und Fabriken. Bd. 1. Kopenhagen, 1758, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_abhandlung01_1758/210>, abgerufen am 27.11.2024.