§. 97. Die wildwachsenden Getreidarten wurden bald verzehrt, man mußte auf Mit- tel denken, dieselben zu verbessern und zu vermehren. Man wußte, daß die Gräser und Kräuter durch Wasser und Mist edler und in gröserer Menge wuchsen: folglich versuchte man's, streute die Körner hin, wässerte und düngte sie, und so fand man, daß die Gras- arten das Getreid überwuchsen und ver- drängten. Dieses leitete zu einem Versuche, die Erde umzugraben, um die Grasarten und die Kräuter auszurotten, dadurch wur- de der Boden locker, und nun wuchs das Getreid schön, edel und in Menge.
§. 98. So erfand man die ersten Grund- säze des Ackerbaues, man lernte einsehen, daß das Wässern nicht zur Nahrung des Ge- treides gut sei; sondern daß das Düngen eigentlich die Getraidpflanzen nähre: man stieg von Stufe zu Stufe, sowohl in Ver- vielfältigung der Fruchtarten, als auch in mehrerer Erkänntniß der Bearbeitung der Er- de, der Wartung, Pflege, Zubereitung und Anwendung der Pflanzen, und so kam man
end-
D 4
Landwirthſchaft
§. 97. Die wildwachſenden Getreidarten wurden bald verzehrt, man mußte auf Mit- tel denken, dieſelben zu verbeſſern und zu vermehren. Man wußte, daß die Graͤſer und Kraͤuter durch Waſſer und Miſt edler und in groͤſerer Menge wuchſen: folglich verſuchte man’s, ſtreute die Koͤrner hin, waͤſſerte und duͤngte ſie, und ſo fand man, daß die Gras- arten das Getreid uͤberwuchſen und ver- draͤngten. Dieſes leitete zu einem Verſuche, die Erde umzugraben, um die Grasarten und die Kraͤuter auszurotten, dadurch wur- de der Boden locker, und nun wuchs das Getreid ſchoͤn, edel und in Menge.
§. 98. So erfand man die erſten Grund- ſaͤze des Ackerbaues, man lernte einſehen, daß das Waͤſſern nicht zur Nahrung des Ge- treides gut ſei; ſondern daß das Duͤngen eigentlich die Getraidpflanzen naͤhre: man ſtieg von Stufe zu Stufe, ſowohl in Ver- vielfaͤltigung der Fruchtarten, als auch in mehrerer Erkaͤnntniß der Bearbeitung der Er- de, der Wartung, Pflege, Zubereitung und Anwendung der Pflanzen, und ſo kam man
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Landwirthſchaft
§. 97. Die wildwachſenden Getreidarten
wurden bald verzehrt, man mußte auf Mit-
tel denken, dieſelben zu verbeſſern und zu
vermehren. Man wußte, daß die Graͤſer und
Kraͤuter durch Waſſer und Miſt edler und in
groͤſerer Menge wuchſen: folglich verſuchte
man’s, ſtreute die Koͤrner hin, waͤſſerte und
duͤngte ſie, und ſo fand man, daß die Gras-
arten das Getreid uͤberwuchſen und ver-
draͤngten. Dieſes leitete zu einem Verſuche,
die Erde umzugraben, um die Grasarten
und die Kraͤuter auszurotten, dadurch wur-
de der Boden locker, und nun wuchs das
Getreid ſchoͤn, edel und in Menge.
§. 98. So erfand man die erſten Grund-
ſaͤze des Ackerbaues, man lernte einſehen,
daß das Waͤſſern nicht zur Nahrung des Ge-
treides gut ſei; ſondern daß das Duͤngen
eigentlich die Getraidpflanzen naͤhre: man
ſtieg von Stufe zu Stufe, ſowohl in Ver-
vielfaͤltigung der Fruchtarten, als auch in
mehrerer Erkaͤnntniß der Bearbeitung der Er-
de, der Wartung, Pflege, Zubereitung und
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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Versuch einer Grundlehre sämmtlicher Kameralwissenschaften. Lautern, 1779, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jungstilling_versuch_1779/75>, abgerufen am 01.08.2024.
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