§. 428. Die Quellen, woraus der Fürst oder Staatswirth den Staatsertrag samm- let, sind zweifach: entweder besondere oder öffentliche. Die besonderen heißt man auch Chatoulgüter, und gehören dem Fürsten persönlich und eigenthümlich zu, so, daß er sie verkaufen, veräusern, vernuzen und ver- erben kann, wie er will. Die öffentlichen Quellen aber sind Domänen, Regale, zufälli- gen Einkünfte, und Steuern oder Aufla- gen und Schazungen.
§. 429. Der Staat ist schuldig, den Für- sten zu erhalten; da aber nun die Chatoul- güter demselben nicht als Fürst, sondern als Privatperson zukommen, so ist er nicht schul- dig das Einkommen von denselben zu Befrie- digung seiner Bedürfnisse zu verwenden, weil ihm diese der Staat verschaffen muß; dage- gen sollen aber auch diese Güter dem Staate nicht zur Last fallen.
§. 430. Von dem Fürsten wird unterstellt, daß er ein rechtschaffener Mann sei, der das Beßte seines Staates aus allen Kräften be- fördert. Jn diesem Falle muß der Staat sei-
ne
O 3
Staatswiſſenſchaft
§. 428. Die Quellen, woraus der Fuͤrſt oder Staatswirth den Staatsertrag ſamm- let, ſind zweifach: entweder beſondere oder oͤffentliche. Die beſonderen heißt man auch Chatoulguͤter, und gehoͤren dem Fuͤrſten perſoͤnlich und eigenthuͤmlich zu, ſo, daß er ſie verkaufen, veraͤuſern, vernuzen und ver- erben kann, wie er will. Die oͤffentlichen Quellen aber ſind Domaͤnen, Regale, zufaͤlli- gen Einkuͤnfte, und Steuern oder Aufla- gen und Schazungen.
§. 429. Der Staat iſt ſchuldig, den Fuͤr- ſten zu erhalten; da aber nun die Chatoul- guͤter demſelben nicht als Fuͤrſt, ſondern als Privatperſon zukommen, ſo iſt er nicht ſchul- dig das Einkommen von denſelben zu Befrie- digung ſeiner Beduͤrfniſſe zu verwenden, weil ihm dieſe der Staat verſchaffen muß; dage- gen ſollen aber auch dieſe Guͤter dem Staate nicht zur Laſt fallen.
§. 430. Von dem Fuͤrſten wird unterſtellt, daß er ein rechtſchaffener Mann ſei, der das Beßte ſeines Staates aus allen Kraͤften be- foͤrdert. Jn dieſem Falle muß der Staat ſei-
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Staatswiſſenſchaft
§. 428. Die Quellen, woraus der Fuͤrſt
oder Staatswirth den Staatsertrag ſamm-
let, ſind zweifach: entweder beſondere oder
oͤffentliche. Die beſonderen heißt man auch
Chatoulguͤter, und gehoͤren dem Fuͤrſten
perſoͤnlich und eigenthuͤmlich zu, ſo, daß er
ſie verkaufen, veraͤuſern, vernuzen und ver-
erben kann, wie er will. Die oͤffentlichen
Quellen aber ſind Domaͤnen, Regale, zufaͤlli-
gen Einkuͤnfte, und Steuern oder Aufla-
gen und Schazungen.
§. 429. Der Staat iſt ſchuldig, den Fuͤr-
ſten zu erhalten; da aber nun die Chatoul-
guͤter demſelben nicht als Fuͤrſt, ſondern als
Privatperſon zukommen, ſo iſt er nicht ſchul-
dig das Einkommen von denſelben zu Befrie-
digung ſeiner Beduͤrfniſſe zu verwenden, weil
ihm dieſe der Staat verſchaffen muß; dage-
gen ſollen aber auch dieſe Guͤter dem Staate
nicht zur Laſt fallen.
§. 430. Von dem Fuͤrſten wird unterſtellt,
daß er ein rechtſchaffener Mann ſei, der das
Beßte ſeines Staates aus allen Kraͤften be-
foͤrdert. Jn dieſem Falle muß der Staat ſei-
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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Versuch einer Grundlehre sämmtlicher Kameralwissenschaften. Lautern, 1779, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jungstilling_versuch_1779/233>, abgerufen am 16.02.2025.
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