fühlte ich die grose Pflicht zu untersuchen, wie weit ich einem so wichtigen Amte ge- wachsen seyn würde. Jch ordnete zusam- men, räumte auf und entdeckte unterdes- sen, daß ich zwar mit allem dem, was ich wüßte, gut anfangen, aber so nicht vollenden würde, daß ich also mit Man- neskraft würde arbeiten müssen, um mich mit Erkänntnissen zu bereichern. Und alsofort faßte ich auch den unwiederrufli- chen Schluß, meine ganze Lebenszeit auf diesen Zweck mit allen meinen Kräften zu verwenden.
Das erste also, was ich that, war: mir diesen Zweck recht bekannt, und aus- führlich anschaulich zu machen, ich durch- dachte das Ganze der Kameralwissenschaf- ten, und fand eine solche idealische Schön- heit, Wahrheit und Güte in diesem gan- zen Anblicke, ein so herrliches Bild, ein Lehrgebäude, einen Zusammenhang des Einzelnen und des Ganzen, daß ich glaub- te: es könne sich keine Wissenschaft in der Welt, auser der Mathematik, eines solchen herrlichen Planes rühmen. Die- se unvergleichliche Schönheit betrachtete
ich
Vorrede
fuͤhlte ich die groſe Pflicht zu unterſuchen, wie weit ich einem ſo wichtigen Amte ge- wachſen ſeyn wuͤrde. Jch ordnete zuſam- men, raͤumte auf und entdeckte unterdeſ- ſen, daß ich zwar mit allem dem, was ich wuͤßte, gut anfangen, aber ſo nicht vollenden wuͤrde, daß ich alſo mit Man- neskraft wuͤrde arbeiten muͤſſen, um mich mit Erkaͤnntniſſen zu bereichern. Und alſofort faßte ich auch den unwiederrufli- chen Schluß, meine ganze Lebenszeit auf dieſen Zweck mit allen meinen Kraͤften zu verwenden.
Das erſte alſo, was ich that, war: mir dieſen Zweck recht bekannt, und aus- fuͤhrlich anſchaulich zu machen, ich durch- dachte das Ganze der Kameralwiſſenſchaf- ten, und fand eine ſolche idealiſche Schoͤn- heit, Wahrheit und Guͤte in dieſem gan- zen Anblicke, ein ſo herrliches Bild, ein Lehrgebaͤude, einen Zuſammenhang des Einzelnen und des Ganzen, daß ich glaub- te: es koͤnne ſich keine Wiſſenſchaft in der Welt, auſer der Mathematik, eines ſolchen herrlichen Planes ruͤhmen. Die- ſe unvergleichliche Schoͤnheit betrachtete
ich
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[0014]
Vorrede
fuͤhlte ich die groſe Pflicht zu unterſuchen,
wie weit ich einem ſo wichtigen Amte ge-
wachſen ſeyn wuͤrde. Jch ordnete zuſam-
men, raͤumte auf und entdeckte unterdeſ-
ſen, daß ich zwar mit allem dem, was
ich wuͤßte, gut anfangen, aber ſo nicht
vollenden wuͤrde, daß ich alſo mit Man-
neskraft wuͤrde arbeiten muͤſſen, um mich
mit Erkaͤnntniſſen zu bereichern. Und
alſofort faßte ich auch den unwiederrufli-
chen Schluß, meine ganze Lebenszeit auf
dieſen Zweck mit allen meinen Kraͤften zu
verwenden.
Das erſte alſo, was ich that, war:
mir dieſen Zweck recht bekannt, und aus-
fuͤhrlich anſchaulich zu machen, ich durch-
dachte das Ganze der Kameralwiſſenſchaf-
ten, und fand eine ſolche idealiſche Schoͤn-
heit, Wahrheit und Guͤte in dieſem gan-
zen Anblicke, ein ſo herrliches Bild, ein
Lehrgebaͤude, einen Zuſammenhang des
Einzelnen und des Ganzen, daß ich glaub-
te: es koͤnne ſich keine Wiſſenſchaft in
der Welt, auſer der Mathematik, eines
ſolchen herrlichen Planes ruͤhmen. Die-
ſe unvergleichliche Schoͤnheit betrachtete
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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Versuch einer Grundlehre sämmtlicher Kameralwissenschaften. Lautern, 1779, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jungstilling_versuch_1779/14>, abgerufen am 08.07.2024.
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