Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jung-Stilling, Johann Heinrich: Versuch einer Grundlehre sämmtlicher Kameralwissenschaften. Lautern, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Kunstwissenschaft
folgern, erkennen und erklären zu können.
Weil nun schon hierzu ein mehr als gemei-
ner Menschenverstand erfodert wird, wenig-
stens gehört eine gute und starke Vernunft
dazu; so verdient ein solcher Mensch einen
Vorzug, er heißt ein Künstler, und seine
Zubereitungen eine Kunst.

§. 229. Die Zubereitungen können in
verschiedenen Fällen nicht durch beständige
Heischesäze unwandelbar gemacht werden;
sie erfodern einen erfinderischen Geist, der
in den verschiedenen und höchst mannigfalti-
gen Erfodernissen der Bedürfnisse allemal den
beßten und nächsten Weg zur zweckmäsigen
Zubereitung der Erzeugungen einzuschlagen
weis: daher unterscheidet er sich von dem
Handwerksmanne, er verdient Vorzug, heißt
mit Recht ein Künstler, und seine Werke
sind Kunst.

§. 230. Oder der Gang und die Hand-
griffe der Zubereitungen sind geheimnißvoll,
aus der Arbeit sehr schwer zu errathen. Oder
die Zubereitungen sind sehr mühsam, können
nicht anders, als durch langwierige Uebung

der
H

Kunſtwiſſenſchaft
folgern, erkennen und erklaͤren zu koͤnnen.
Weil nun ſchon hierzu ein mehr als gemei-
ner Menſchenverſtand erfodert wird, wenig-
ſtens gehoͤrt eine gute und ſtarke Vernunft
dazu; ſo verdient ein ſolcher Menſch einen
Vorzug, er heißt ein Kuͤnſtler, und ſeine
Zubereitungen eine Kunſt.

§. 229. Die Zubereitungen koͤnnen in
verſchiedenen Faͤllen nicht durch beſtaͤndige
Heiſcheſaͤze unwandelbar gemacht werden;
ſie erfodern einen erfinderiſchen Geiſt, der
in den verſchiedenen und hoͤchſt mannigfalti-
gen Erfoderniſſen der Beduͤrfniſſe allemal den
beßten und naͤchſten Weg zur zweckmaͤſigen
Zubereitung der Erzeugungen einzuſchlagen
weis: daher unterſcheidet er ſich von dem
Handwerksmanne, er verdient Vorzug, heißt
mit Recht ein Kuͤnſtler, und ſeine Werke
ſind Kunſt.

§. 230. Oder der Gang und die Hand-
griffe der Zubereitungen ſind geheimnißvoll,
aus der Arbeit ſehr ſchwer zu errathen. Oder
die Zubereitungen ſind ſehr muͤhſam, koͤnnen
nicht anders, als durch langwierige Uebung

der
H
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0133" n="113"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kun&#x017F;twi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft</hi></fw><lb/>
folgern, erkennen und erkla&#x0364;ren zu ko&#x0364;nnen.<lb/>
Weil nun &#x017F;chon hierzu ein mehr als gemei-<lb/>
ner Men&#x017F;chenver&#x017F;tand erfodert wird, wenig-<lb/>
&#x017F;tens geho&#x0364;rt eine gute und &#x017F;tarke Vernunft<lb/>
dazu; &#x017F;o verdient ein &#x017F;olcher Men&#x017F;ch einen<lb/>
Vorzug, er heißt ein <hi rendition="#fr">Ku&#x0364;n&#x017F;tler,</hi> und &#x017F;eine<lb/>
Zubereitungen eine <hi rendition="#fr">Kun&#x017F;t.</hi></p><lb/>
            <p>§. 229. Die Zubereitungen ko&#x0364;nnen in<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Fa&#x0364;llen nicht durch be&#x017F;ta&#x0364;ndige<lb/>
Hei&#x017F;che&#x017F;a&#x0364;ze unwandelbar gemacht werden;<lb/>
&#x017F;ie erfodern einen erfinderi&#x017F;chen Gei&#x017F;t, der<lb/>
in den ver&#x017F;chiedenen und ho&#x0364;ch&#x017F;t mannigfalti-<lb/>
gen Erfoderni&#x017F;&#x017F;en der Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e allemal den<lb/>
beßten und na&#x0364;ch&#x017F;ten Weg zur zweckma&#x0364;&#x017F;igen<lb/>
Zubereitung der Erzeugungen einzu&#x017F;chlagen<lb/>
weis: daher unter&#x017F;cheidet er &#x017F;ich von dem<lb/>
Handwerksmanne, er verdient Vorzug, heißt<lb/>
mit Recht ein <hi rendition="#fr">Ku&#x0364;n&#x017F;tler,</hi> und &#x017F;eine Werke<lb/>
&#x017F;ind <hi rendition="#fr">Kun&#x017F;t.</hi></p><lb/>
            <p>§. 230. Oder der Gang und die Hand-<lb/>
griffe der Zubereitungen &#x017F;ind geheimnißvoll,<lb/>
aus der Arbeit &#x017F;ehr &#x017F;chwer zu errathen. Oder<lb/>
die Zubereitungen &#x017F;ind &#x017F;ehr mu&#x0364;h&#x017F;am, ko&#x0364;nnen<lb/>
nicht anders, als durch langwierige Uebung<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H</fw><fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0133] Kunſtwiſſenſchaft folgern, erkennen und erklaͤren zu koͤnnen. Weil nun ſchon hierzu ein mehr als gemei- ner Menſchenverſtand erfodert wird, wenig- ſtens gehoͤrt eine gute und ſtarke Vernunft dazu; ſo verdient ein ſolcher Menſch einen Vorzug, er heißt ein Kuͤnſtler, und ſeine Zubereitungen eine Kunſt. §. 229. Die Zubereitungen koͤnnen in verſchiedenen Faͤllen nicht durch beſtaͤndige Heiſcheſaͤze unwandelbar gemacht werden; ſie erfodern einen erfinderiſchen Geiſt, der in den verſchiedenen und hoͤchſt mannigfalti- gen Erfoderniſſen der Beduͤrfniſſe allemal den beßten und naͤchſten Weg zur zweckmaͤſigen Zubereitung der Erzeugungen einzuſchlagen weis: daher unterſcheidet er ſich von dem Handwerksmanne, er verdient Vorzug, heißt mit Recht ein Kuͤnſtler, und ſeine Werke ſind Kunſt. §. 230. Oder der Gang und die Hand- griffe der Zubereitungen ſind geheimnißvoll, aus der Arbeit ſehr ſchwer zu errathen. Oder die Zubereitungen ſind ſehr muͤhſam, koͤnnen nicht anders, als durch langwierige Uebung der H

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jungstilling_versuch_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jungstilling_versuch_1779/133
Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Versuch einer Grundlehre sämmtlicher Kameralwissenschaften. Lautern, 1779, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jungstilling_versuch_1779/133>, abgerufen am 22.11.2024.