fang bis an sein Lebensende in seiner wahren Gestalt da. Seine Geschichte weiter zu schreiben, als seine eigene Erzählung reicht, hat er, mit allem Recht, untersagt; und die Sache untersagt es. Zu so Etwas darf nichts Fremdartiges hinzukommen, und Stil- ling war so sehr er selbst, daß Alles, was auch seine Vertrau- testen als Fortsetzung schreiben würden, fremdartig bleiben würde; oder wie seine Tochter Karoline sich über ein solches Versuchen- wollen ausdrückte: "Das kann Niemand von uns Allen, nur Er konnte in dem Kinderton fortschreiben, und nur Er so mit Kinderaugen die göttlichen Führungen enthüllen: ich wenigstens könnte nichts beitragen. Die ganze Geschichte seines Alters liegt einem schönen himmlischen Gemälde gleich vor meinem innern Auge, aber so wie ich ihm näher treten will, Etwas herauszu- holen, fließt es in ein ganzes zusammen, und ich ziehe mich ehr- furchtsvoll zurück."
Indessen dürfen wir chronologisch die Hauptbegebenheiten an- geben von der Zeit an, wo seine Beschreibung aufhört.
Der Aufenthalt unserer Eltern in Baden-Baden, womit die- ses Fragment endigt, fällt in den Sommer 1805.
In dem Frühling 1806 zogen sie von Heidelberg nach Karls- ruhe. In den folgenden Jahren befanden sie sich gewöhnlich während der Sommerzeit in Baden, wo sich auch der Hof wäh- rend der Kurzeit aufzuhalten pflegte. Auch brachten sie einige- male die Sommermonate bei Freunden zu Bar im Elsaß an den Vogesen zu, wo die milde Luft ihrer Gesundheit zusagte.
In dem Jahr 1811 starb den 10. Juni der höchstselige Groß- herzog, Karl Friedrich von Baden, dieser unvergeßliche Fürst, als gerade unser Vater auf einer Reise abwesend war. Die ausgezeichnete Gnade des verewigten Herrn gegen seinen treuer- gebenen Verehrer und Freund erbte auf den erhabenen Thron- folger fort, und nie dachte unser Vater anders auch an diesen, als mit tiefem Dank und Segenswunsch.
Mit jedem Jahre wurden die körperlichen Uebel unsern Eltern mehr fühlbar; indessen verließ sie nicht die hohe Christenkraft, und somit auch nicht die Heiterkeit, womit sie selbst in den oft bedenklichen Kriegsläuften der Zukunft getrost entgegen sahen, und wodurch ihr Kreis von Hohen und Niedern gesucht wurde.
fang bis an ſein Lebensende in ſeiner wahren Geſtalt da. Seine Geſchichte weiter zu ſchreiben, als ſeine eigene Erzaͤhlung reicht, hat er, mit allem Recht, unterſagt; und die Sache unterſagt es. Zu ſo Etwas darf nichts Fremdartiges hinzukommen, und Stil- ling war ſo ſehr er ſelbſt, daß Alles, was auch ſeine Vertrau- teſten als Fortſetzung ſchreiben wuͤrden, fremdartig bleiben wuͤrde; oder wie ſeine Tochter Karoline ſich uͤber ein ſolches Verſuchen- wollen ausdruͤckte: „Das kann Niemand von uns Allen, nur Er konnte in dem Kinderton fortſchreiben, und nur Er ſo mit Kinderaugen die goͤttlichen Fuͤhrungen enthuͤllen: ich wenigſtens koͤnnte nichts beitragen. Die ganze Geſchichte ſeines Alters liegt einem ſchoͤnen himmliſchen Gemaͤlde gleich vor meinem innern Auge, aber ſo wie ich ihm naͤher treten will, Etwas herauszu- holen, fließt es in ein ganzes zuſammen, und ich ziehe mich ehr- furchtsvoll zuruͤck.“
Indeſſen duͤrfen wir chronologiſch die Hauptbegebenheiten an- geben von der Zeit an, wo ſeine Beſchreibung aufhoͤrt.
Der Aufenthalt unſerer Eltern in Baden-Baden, womit die- ſes Fragment endigt, faͤllt in den Sommer 1805.
In dem Fruͤhling 1806 zogen ſie von Heidelberg nach Karls- ruhe. In den folgenden Jahren befanden ſie ſich gewoͤhnlich waͤhrend der Sommerzeit in Baden, wo ſich auch der Hof waͤh- rend der Kurzeit aufzuhalten pflegte. Auch brachten ſie einige- male die Sommermonate bei Freunden zu Bar im Elſaß an den Vogeſen zu, wo die milde Luft ihrer Geſundheit zuſagte.
In dem Jahr 1811 ſtarb den 10. Juni der hoͤchſtſelige Groß- herzog, Karl Friedrich von Baden, dieſer unvergeßliche Fuͤrſt, als gerade unſer Vater auf einer Reiſe abweſend war. Die ausgezeichnete Gnade des verewigten Herrn gegen ſeinen treuer- gebenen Verehrer und Freund erbte auf den erhabenen Thron- folger fort, und nie dachte unſer Vater anders auch an dieſen, als mit tiefem Dank und Segenswunſch.
Mit jedem Jahre wurden die koͤrperlichen Uebel unſern Eltern mehr fuͤhlbar; indeſſen verließ ſie nicht die hohe Chriſtenkraft, und ſomit auch nicht die Heiterkeit, womit ſie ſelbſt in den oft bedenklichen Kriegslaͤuften der Zukunft getroſt entgegen ſahen, und wodurch ihr Kreis von Hohen und Niedern geſucht wurde.
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fang bis an ſein Lebensende in ſeiner wahren Geſtalt da. Seine
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Zu ſo Etwas darf nichts Fremdartiges hinzukommen, und Stil-
ling war ſo ſehr er ſelbſt, daß Alles, was auch ſeine Vertrau-
teſten als Fortſetzung ſchreiben wuͤrden, fremdartig bleiben wuͤrde;
oder wie ſeine Tochter Karoline ſich uͤber ein ſolches Verſuchen-
wollen ausdruͤckte: „Das kann Niemand von uns Allen, nur
Er konnte in dem Kinderton fortſchreiben, und nur Er ſo mit
Kinderaugen die goͤttlichen Fuͤhrungen enthuͤllen: ich wenigſtens
koͤnnte nichts beitragen. Die ganze Geſchichte ſeines Alters liegt
einem ſchoͤnen himmliſchen Gemaͤlde gleich vor meinem innern
Auge, aber ſo wie ich ihm naͤher treten will, Etwas herauszu-
holen, fließt es in ein ganzes zuſammen, und ich ziehe mich ehr-
furchtsvoll zuruͤck.“
Indeſſen duͤrfen wir chronologiſch die Hauptbegebenheiten an-
geben von der Zeit an, wo ſeine Beſchreibung aufhoͤrt.
Der Aufenthalt unſerer Eltern in Baden-Baden, womit die-
ſes Fragment endigt, faͤllt in den Sommer 1805.
In dem Fruͤhling 1806 zogen ſie von Heidelberg nach Karls-
ruhe. In den folgenden Jahren befanden ſie ſich gewoͤhnlich
waͤhrend der Sommerzeit in Baden, wo ſich auch der Hof waͤh-
rend der Kurzeit aufzuhalten pflegte. Auch brachten ſie einige-
male die Sommermonate bei Freunden zu Bar im Elſaß an den
Vogeſen zu, wo die milde Luft ihrer Geſundheit zuſagte.
In dem Jahr 1811 ſtarb den 10. Juni der hoͤchſtſelige Groß-
herzog, Karl Friedrich von Baden, dieſer unvergeßliche Fuͤrſt,
als gerade unſer Vater auf einer Reiſe abweſend war. Die
ausgezeichnete Gnade des verewigten Herrn gegen ſeinen treuer-
gebenen Verehrer und Freund erbte auf den erhabenen Thron-
folger fort, und nie dachte unſer Vater anders auch an dieſen,
als mit tiefem Dank und Segenswunſch.
Mit jedem Jahre wurden die koͤrperlichen Uebel unſern Eltern
mehr fuͤhlbar; indeſſen verließ ſie nicht die hohe Chriſtenkraft,
und ſomit auch nicht die Heiterkeit, womit ſie ſelbſt in den oft
bedenklichen Kriegslaͤuften der Zukunft getroſt entgegen ſahen, und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 650. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/658>, abgerufen am 15.01.2025.
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