vom Geisenberg liegt auf dem Rad. Hans Flick verstand das Rad auf dem Gerichtsplatz, und sagte: War das kürz- lich? Ja, sprach der Mann, erst heut; Hans Flick glaubte doch nicht recht, und blieb bei der Schmiede, und gab auf den Mann Acht, der auf dem Rade lag. Der Mann sagte dem Schmied ins Ohr: Er sollte ihm sein Pferd verkehrt be- schlagen, so daß das vorderste Ende des Hufeisens hinten käme. Der Schmied that es, und Johann Hübner ritt weg. Wie er aufsaß, sagte er dem Hans Flick: Gott grüß dich, braver Kerl! sage deinem Herrn: Er solle mir Fäuste schicken, aber keine Leute, die hinter den Ohren lausen. Hans Flick blieb stehen, und sah, wo er über's Feld in den Wald ritt, lief ihm nach, um zu sehen, wo er bliebe. Er wollte seiner Spur nachgehen, Johann Hübner aber ritt hin und her, die Kreuz und Quere, und Hans Flick wurde bald in den Fußstapfen des Pferdes irre; denn wo er hingeritten war, da gingen die Fußstapfen zurück; darum verlor er ihn bald, und wußte nicht, wo er geblieben war. Endlich ertappte ihn doch Hans Flick, wie er mit seinen Knechten dort auf der Heide im Walde lag und geraubt Vieh hütete. Es war in der Nacht am Mondschein. Er lief und sagte es dem Fürsten Christian, der ritt in der Stille mit seinen Kerlen unten durch den Wald. Sie hatten den Pferden Moos unter die Füße gebunden, kamen auch nahe zu ihm, sprangen auf ihn zu, und sie kämpften zusammen; Fürst Christian und Johann Hübner hieben sich auf die eisernen Hüte und Wämmser, daß es klang; endlich aber blieb Johann Hübner todt, und der Fürst zog hier ins Schloß. Den Johann Hübner be- gruben sie da unten in die Ecke, und der Fürst legte viel Holz um den großen Thurm, auch untergruben sie ihn. Er fiel am Abend um, wie die Tiefenbacher die Kühe molken; das ganze Land zitterte umher von dem Fall. Da siehst du noch den lan- gen Steinhaufen, den Berg hinab; das ist der Thurm, wie er gefallen ist. Noch jetzt spuckt hier des Nachts zwischen eilf und zwölf Uhr Johann Hübner mit dem einzigen Auge. Er sitzt auf einem schwarzen Pferde und reitet um den Wall herum. Der alte Neus[e]r, unser Nachbar, hat ihn oft ge-
vom Geiſenberg liegt auf dem Rad. Hans Flick verſtand das Rad auf dem Gerichtsplatz, und ſagte: War das kuͤrz- lich? Ja, ſprach der Mann, erſt heut; Hans Flick glaubte doch nicht recht, und blieb bei der Schmiede, und gab auf den Mann Acht, der auf dem Rade lag. Der Mann ſagte dem Schmied ins Ohr: Er ſollte ihm ſein Pferd verkehrt be- ſchlagen, ſo daß das vorderſte Ende des Hufeiſens hinten kaͤme. Der Schmied that es, und Johann Huͤbner ritt weg. Wie er aufſaß, ſagte er dem Hans Flick: Gott gruͤß dich, braver Kerl! ſage deinem Herrn: Er ſolle mir Faͤuſte ſchicken, aber keine Leute, die hinter den Ohren lauſen. Hans Flick blieb ſtehen, und ſah, wo er uͤber’s Feld in den Wald ritt, lief ihm nach, um zu ſehen, wo er bliebe. Er wollte ſeiner Spur nachgehen, Johann Huͤbner aber ritt hin und her, die Kreuz und Quere, und Hans Flick wurde bald in den Fußſtapfen des Pferdes irre; denn wo er hingeritten war, da gingen die Fußſtapfen zuruͤck; darum verlor er ihn bald, und wußte nicht, wo er geblieben war. Endlich ertappte ihn doch Hans Flick, wie er mit ſeinen Knechten dort auf der Heide im Walde lag und geraubt Vieh huͤtete. Es war in der Nacht am Mondſchein. Er lief und ſagte es dem Fuͤrſten Chriſtian, der ritt in der Stille mit ſeinen Kerlen unten durch den Wald. Sie hatten den Pferden Moos unter die Fuͤße gebunden, kamen auch nahe zu ihm, ſprangen auf ihn zu, und ſie kaͤmpften zuſammen; Fuͤrſt Chriſtian und Johann Huͤbner hieben ſich auf die eiſernen Huͤte und Waͤmmſer, daß es klang; endlich aber blieb Johann Huͤbner todt, und der Fuͤrſt zog hier ins Schloß. Den Johann Huͤbner be- gruben ſie da unten in die Ecke, und der Fuͤrſt legte viel Holz um den großen Thurm, auch untergruben ſie ihn. Er fiel am Abend um, wie die Tiefenbacher die Kuͤhe molken; das ganze Land zitterte umher von dem Fall. Da ſiehſt du noch den lan- gen Steinhaufen, den Berg hinab; das iſt der Thurm, wie er gefallen iſt. Noch jetzt ſpuckt hier des Nachts zwiſchen eilf und zwoͤlf Uhr Johann Huͤbner mit dem einzigen Auge. Er ſitzt auf einem ſchwarzen Pferde und reitet um den Wall herum. Der alte Neuſ[e]r, unſer Nachbar, hat ihn oft ge-
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vom Geiſenberg liegt auf dem Rad. Hans Flick verſtand
das Rad auf dem Gerichtsplatz, und ſagte: War das kuͤrz-
lich? Ja, ſprach der Mann, erſt heut; Hans Flick glaubte
doch nicht recht, und blieb bei der Schmiede, und gab auf
den Mann Acht, der auf dem Rade lag. Der Mann ſagte
dem Schmied ins Ohr: Er ſollte ihm ſein Pferd verkehrt be-
ſchlagen, ſo daß das vorderſte Ende des Hufeiſens hinten
kaͤme. Der Schmied that es, und Johann Huͤbner ritt
weg. Wie er aufſaß, ſagte er dem Hans Flick: Gott gruͤß
dich, braver Kerl! ſage deinem Herrn: Er ſolle mir Faͤuſte
ſchicken, aber keine Leute, die hinter den Ohren lauſen. Hans
Flick blieb ſtehen, und ſah, wo er uͤber’s Feld in den Wald
ritt, lief ihm nach, um zu ſehen, wo er bliebe. Er wollte
ſeiner Spur nachgehen, Johann Huͤbner aber ritt hin und
her, die Kreuz und Quere, und Hans Flick wurde bald in
den Fußſtapfen des Pferdes irre; denn wo er hingeritten war,
da gingen die Fußſtapfen zuruͤck; darum verlor er ihn bald,
und wußte nicht, wo er geblieben war. Endlich ertappte ihn
doch Hans Flick, wie er mit ſeinen Knechten dort auf der
Heide im Walde lag und geraubt Vieh huͤtete. Es war in
der Nacht am Mondſchein. Er lief und ſagte es dem Fuͤrſten
Chriſtian, der ritt in der Stille mit ſeinen Kerlen unten
durch den Wald. Sie hatten den Pferden Moos unter die Fuͤße
gebunden, kamen auch nahe zu ihm, ſprangen auf ihn zu, und
ſie kaͤmpften zuſammen; Fuͤrſt Chriſtian und Johann
Huͤbner hieben ſich auf die eiſernen Huͤte und Waͤmmſer,
daß es klang; endlich aber blieb Johann Huͤbner todt, und
der Fuͤrſt zog hier ins Schloß. Den Johann Huͤbner be-
gruben ſie da unten in die Ecke, und der Fuͤrſt legte viel Holz
um den großen Thurm, auch untergruben ſie ihn. Er fiel am
Abend um, wie die Tiefenbacher die Kuͤhe molken; das ganze
Land zitterte umher von dem Fall. Da ſiehſt du noch den lan-
gen Steinhaufen, den Berg hinab; das iſt der Thurm, wie
er gefallen iſt. Noch jetzt ſpuckt hier des Nachts zwiſchen
eilf und zwoͤlf Uhr Johann Huͤbner mit dem einzigen Auge.
Er ſitzt auf einem ſchwarzen Pferde und reitet um den Wall
herum. Der alte Neuſer, unſer Nachbar, hat ihn oft ge-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/64>, abgerufen am 28.11.2024.
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