Rhein durchschlängelt dieses weite Thal wie ein breites Silber- band, das man über ein buntes Blumenfeld hinwirft. Wenn im hohen Sommer die Sonne über die Vogesen untergeht, und das Badner Thal bis ans Hochgebirge im Hintergrund beleuchtet, so ist das ein Anblick, der zu den größten Naturschön- heiten gehört; er muß gesehen werden, beschreiben kann man ihn nicht. Uebrigens ist die Luft hier so balsamisch und rein, daß auch Viele, blos um sie zu athmen, hieher kommen, ohne die Bäder zu gebrauchen.
Daß ich keiner von den gewöhnlichen Badgästen war, die nur dahin kommen, um sich einmal im Jahr lustig zu machen (denn dazu hat jede Art des sinnlichen Geschmacks Gelegenheit genug), das werden mir meine Leser wohl auf mein Wort glauben.
Ich beschäftigte mich so wie zu Haus, mit Briefschreiben, Schriftstellerarbeiten und Augenkuren, versäumte aber dabei nicht, täglich, wenn es nur die Witterung erlaubte, hinaus in den Garten Gottes zu gehen, um die wandelnde, nicht jedem merkbare Stimme der ewigen Liebe zu hören. Nach und nach sammelte sich auch ein Kreis guter Menschen, in dem es uns wohl war, und die den reinen Naturgenuß mit uns theilten.
Hier schrieb ich das erste Taschenbuch von 1805, welches das gänzlich mißlungene Bildniß des Kurfürsten enthält; dieser hielt sich mehrentheils zwei Stunden von hier, auf der Favo- rite, einem sehr niedlichen Lustschlosse auf, wo ich ihn von Zeit zu Zeit besuchte.
Gegen das Ende des Monats August gab es wieder Anlaß zu einer Reise: der alte blinde Pfarrer Faber zu Gais- burg, in der Nähe von Stuttgart, wünschte von mir ope- rirt zu werden. -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --
Rhein durchſchlaͤngelt dieſes weite Thal wie ein breites Silber- band, das man uͤber ein buntes Blumenfeld hinwirft. Wenn im hohen Sommer die Sonne uͤber die Vogeſen untergeht, und das Badner Thal bis ans Hochgebirge im Hintergrund beleuchtet, ſo iſt das ein Anblick, der zu den groͤßten Naturſchoͤn- heiten gehoͤrt; er muß geſehen werden, beſchreiben kann man ihn nicht. Uebrigens iſt die Luft hier ſo balſamiſch und rein, daß auch Viele, blos um ſie zu athmen, hieher kommen, ohne die Baͤder zu gebrauchen.
Daß ich keiner von den gewoͤhnlichen Badgaͤſten war, die nur dahin kommen, um ſich einmal im Jahr luſtig zu machen (denn dazu hat jede Art des ſinnlichen Geſchmacks Gelegenheit genug), das werden mir meine Leſer wohl auf mein Wort glauben.
Ich beſchaͤftigte mich ſo wie zu Haus, mit Briefſchreiben, Schriftſtellerarbeiten und Augenkuren, verſaͤumte aber dabei nicht, taͤglich, wenn es nur die Witterung erlaubte, hinaus in den Garten Gottes zu gehen, um die wandelnde, nicht jedem merkbare Stimme der ewigen Liebe zu hoͤren. Nach und nach ſammelte ſich auch ein Kreis guter Menſchen, in dem es uns wohl war, und die den reinen Naturgenuß mit uns theilten.
Hier ſchrieb ich das erſte Taſchenbuch von 1805, welches das gaͤnzlich mißlungene Bildniß des Kurfuͤrſten enthaͤlt; dieſer hielt ſich mehrentheils zwei Stunden von hier, auf der Favo- rite, einem ſehr niedlichen Luſtſchloſſe auf, wo ich ihn von Zeit zu Zeit beſuchte.
Gegen das Ende des Monats Auguſt gab es wieder Anlaß zu einer Reiſe: der alte blinde Pfarrer Faber zu Gais- burg, in der Naͤhe von Stuttgart, wuͤnſchte von mir ope- rirt zu werden. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0636"n="628"/>
Rhein durchſchlaͤngelt dieſes weite Thal wie ein breites Silber-<lb/>
band, das man uͤber ein buntes Blumenfeld hinwirft. Wenn<lb/>
im hohen Sommer die Sonne uͤber die <hirendition="#g">Vogeſen</hi> untergeht,<lb/>
und das <hirendition="#g">Badner</hi> Thal bis ans Hochgebirge im Hintergrund<lb/>
beleuchtet, ſo iſt das ein Anblick, der zu den groͤßten Naturſchoͤn-<lb/>
heiten gehoͤrt; er muß geſehen werden, beſchreiben kann man<lb/>
ihn nicht. Uebrigens iſt die Luft hier ſo balſamiſch und rein,<lb/>
daß auch Viele, blos um ſie zu athmen, hieher kommen, ohne<lb/>
die Baͤder zu gebrauchen.</p><lb/><p>Daß ich keiner von den gewoͤhnlichen Badgaͤſten war, die<lb/>
nur dahin kommen, um ſich einmal im Jahr luſtig zu machen<lb/>
(denn dazu hat jede Art des ſinnlichen Geſchmacks Gelegenheit<lb/>
genug), das werden mir meine Leſer wohl auf mein Wort glauben.</p><lb/><p>Ich beſchaͤftigte mich ſo wie zu Haus, mit Briefſchreiben,<lb/>
Schriftſtellerarbeiten und Augenkuren, verſaͤumte aber dabei<lb/>
nicht, taͤglich, wenn es nur die Witterung erlaubte, hinaus in<lb/>
den Garten Gottes zu gehen, um die wandelnde, nicht jedem<lb/>
merkbare Stimme der ewigen Liebe zu hoͤren. Nach und nach<lb/>ſammelte ſich auch ein Kreis guter Menſchen, in dem es uns<lb/>
wohl war, und die den reinen Naturgenuß mit uns theilten.</p><lb/><p>Hier ſchrieb ich das erſte Taſchenbuch von 1805, welches<lb/>
das gaͤnzlich mißlungene Bildniß des Kurfuͤrſten enthaͤlt; dieſer<lb/>
hielt ſich mehrentheils zwei Stunden von hier, auf der <hirendition="#g">Favo-<lb/>
rite</hi>, einem ſehr niedlichen Luſtſchloſſe auf, wo ich ihn von Zeit<lb/>
zu Zeit beſuchte.</p><lb/><p>Gegen das Ende des Monats Auguſt gab es wieder Anlaß<lb/>
zu einer Reiſe: der alte blinde Pfarrer <hirendition="#g">Faber</hi> zu <hirendition="#g">Gais-<lb/>
burg</hi>, in der Naͤhe von <hirendition="#g">Stuttgart</hi>, wuͤnſchte von mir ope-<lb/>
rirt zu werden. ————————————<lb/>————————————————</p></div></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></body></text></TEI>
[628/0636]
Rhein durchſchlaͤngelt dieſes weite Thal wie ein breites Silber-
band, das man uͤber ein buntes Blumenfeld hinwirft. Wenn
im hohen Sommer die Sonne uͤber die Vogeſen untergeht,
und das Badner Thal bis ans Hochgebirge im Hintergrund
beleuchtet, ſo iſt das ein Anblick, der zu den groͤßten Naturſchoͤn-
heiten gehoͤrt; er muß geſehen werden, beſchreiben kann man
ihn nicht. Uebrigens iſt die Luft hier ſo balſamiſch und rein,
daß auch Viele, blos um ſie zu athmen, hieher kommen, ohne
die Baͤder zu gebrauchen.
Daß ich keiner von den gewoͤhnlichen Badgaͤſten war, die
nur dahin kommen, um ſich einmal im Jahr luſtig zu machen
(denn dazu hat jede Art des ſinnlichen Geſchmacks Gelegenheit
genug), das werden mir meine Leſer wohl auf mein Wort glauben.
Ich beſchaͤftigte mich ſo wie zu Haus, mit Briefſchreiben,
Schriftſtellerarbeiten und Augenkuren, verſaͤumte aber dabei
nicht, taͤglich, wenn es nur die Witterung erlaubte, hinaus in
den Garten Gottes zu gehen, um die wandelnde, nicht jedem
merkbare Stimme der ewigen Liebe zu hoͤren. Nach und nach
ſammelte ſich auch ein Kreis guter Menſchen, in dem es uns
wohl war, und die den reinen Naturgenuß mit uns theilten.
Hier ſchrieb ich das erſte Taſchenbuch von 1805, welches
das gaͤnzlich mißlungene Bildniß des Kurfuͤrſten enthaͤlt; dieſer
hielt ſich mehrentheils zwei Stunden von hier, auf der Favo-
rite, einem ſehr niedlichen Luſtſchloſſe auf, wo ich ihn von Zeit
zu Zeit beſuchte.
Gegen das Ende des Monats Auguſt gab es wieder Anlaß
zu einer Reiſe: der alte blinde Pfarrer Faber zu Gais-
burg, in der Naͤhe von Stuttgart, wuͤnſchte von mir ope-
rirt zu werden. — — — — — — — — — — — —
— — — — — — — — — — — — — — — —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/636>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.