herrlich der Herr mein Vertrauen legitimirte, das wird der Verfolg dieser Geschichte zeigen.
Den Schluß des 1803. Jahres brachte ich nun mit Einräu- mung meiner Bibliothek und mit der völligen Einrichtung mei- nes Schreibepultes und meiner Studierstube zu, welche Ge- schäfte aber durch eine Menge Briefe und Gesuche, auch von Augenkranken, fast täglich unterbrochen wurde. So beschloß ich dieß für mich so merkwürdige Jahr, und fing dann das 1804te mit der Fortsetzung meiner Lebensgeschichte, mit Heinrich Stil- lings Lehrjahren an. Diese Schrift, nebst der Ausarbeitung des 15. Hefts des grauen Mannes, und ein paar Erzählungen in Aschenbergs Taschenbuch beschäftigten mich diesen Winter, der überhaupt für mich und die Meinigen sehr leidend war: denn unsere Karoline wurde gefährlich krank, und unsere jüngste Tochter Christine bekam ein Geschwür am linken Arm, das einen Knochenfraß, Lähmung oder gar den Tod befürchten ließ; Karoline wurde endlich wieder gesund, aber Christine, damals im fünften Jahr, schien nach und nach auszuzehren und unheilbar zu werden; zugleich kam es nun auch dazu, daß mein Geldvorrath auf die Neige ging, folglich wieder von höherer Hand geholfen werden muß; diese Hülfe zögerte aber auch nicht: denn gegen das Ende des Monat März erhielt ich einen Brief aus der Oberlausitz, von einer sehr verehrungswürdigen Freundin, die mich aufforderte, zu kommen, indem viele arme Blinde und an den Augen Leidende meine Gegenwart erforderten; diese Rei- sekosten würden vergütet werden, und ich würde schon unterwegs 200 Thaler (360 Gulden) zur Unterstützung antreffen.
Wir dankten dem Herrn für seine fortdauernde gnädige Füh- rung, und fingen nun an, uns zu dieser weiten Reise vorzube- reiten; denn von Heidelberg bis Herrenhut, oder lieber Görlitz, wohin ich auch berufen wurde, sind es 80 teutsche Meilen, oder 160 Stunden.
Meine erste Schuldigkeit war nun, dem Kurfürsten von die- ser Reise Nachricht zu geben, ich fuhr also nach Carlsruhe, wo ich einige vergnügte Tage in seiner Gesellschaft zubrachte.
Bei dieser Gelegenheit trug er mir auf, mit Gliedern der Unitätsältesten-Konferenz zu Bertholsdorf zu reden, denn er
herrlich der Herr mein Vertrauen legitimirte, das wird der Verfolg dieſer Geſchichte zeigen.
Den Schluß des 1803. Jahres brachte ich nun mit Einraͤu- mung meiner Bibliothek und mit der voͤlligen Einrichtung mei- nes Schreibepultes und meiner Studierſtube zu, welche Ge- ſchaͤfte aber durch eine Menge Briefe und Geſuche, auch von Augenkranken, faſt taͤglich unterbrochen wurde. So beſchloß ich dieß fuͤr mich ſo merkwuͤrdige Jahr, und fing dann das 1804te mit der Fortſetzung meiner Lebensgeſchichte, mit Heinrich Stil- lings Lehrjahren an. Dieſe Schrift, nebſt der Ausarbeitung des 15. Hefts des grauen Mannes, und ein paar Erzaͤhlungen in Aſchenbergs Taſchenbuch beſchaͤftigten mich dieſen Winter, der uͤberhaupt fuͤr mich und die Meinigen ſehr leidend war: denn unſere Karoline wurde gefaͤhrlich krank, und unſere juͤngſte Tochter Chriſtine bekam ein Geſchwuͤr am linken Arm, das einen Knochenfraß, Laͤhmung oder gar den Tod befuͤrchten ließ; Karoline wurde endlich wieder geſund, aber Chriſtine, damals im fuͤnften Jahr, ſchien nach und nach auszuzehren und unheilbar zu werden; zugleich kam es nun auch dazu, daß mein Geldvorrath auf die Neige ging, folglich wieder von hoͤherer Hand geholfen werden muß; dieſe Huͤlfe zoͤgerte aber auch nicht: denn gegen das Ende des Monat Maͤrz erhielt ich einen Brief aus der Oberlauſitz, von einer ſehr verehrungswuͤrdigen Freundin, die mich aufforderte, zu kommen, indem viele arme Blinde und an den Augen Leidende meine Gegenwart erforderten; dieſe Rei- ſekoſten wuͤrden verguͤtet werden, und ich wuͤrde ſchon unterwegs 200 Thaler (360 Gulden) zur Unterſtuͤtzung antreffen.
Wir dankten dem Herrn fuͤr ſeine fortdauernde gnaͤdige Fuͤh- rung, und fingen nun an, uns zu dieſer weiten Reiſe vorzube- reiten; denn von Heidelberg bis Herrenhut, oder lieber Goͤrlitz, wohin ich auch berufen wurde, ſind es 80 teutſche Meilen, oder 160 Stunden.
Meine erſte Schuldigkeit war nun, dem Kurfuͤrſten von die- ſer Reiſe Nachricht zu geben, ich fuhr alſo nach Carlsruhe, wo ich einige vergnuͤgte Tage in ſeiner Geſellſchaft zubrachte.
Bei dieſer Gelegenheit trug er mir auf, mit Gliedern der Unitaͤtsaͤlteſten-Konferenz zu Bertholsdorf zu reden, denn er
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herrlich der Herr mein Vertrauen legitimirte, das wird der
Verfolg dieſer Geſchichte zeigen.
Den Schluß des 1803. Jahres brachte ich nun mit Einraͤu-
mung meiner Bibliothek und mit der voͤlligen Einrichtung mei-
nes Schreibepultes und meiner Studierſtube zu, welche Ge-
ſchaͤfte aber durch eine Menge Briefe und Geſuche, auch von
Augenkranken, faſt taͤglich unterbrochen wurde. So beſchloß
ich dieß fuͤr mich ſo merkwuͤrdige Jahr, und fing dann das 1804te
mit der Fortſetzung meiner Lebensgeſchichte, mit Heinrich Stil-
lings Lehrjahren an. Dieſe Schrift, nebſt der Ausarbeitung
des 15. Hefts des grauen Mannes, und ein paar Erzaͤhlungen
in Aſchenbergs Taſchenbuch beſchaͤftigten mich dieſen Winter,
der uͤberhaupt fuͤr mich und die Meinigen ſehr leidend war: denn
unſere Karoline wurde gefaͤhrlich krank, und unſere juͤngſte
Tochter Chriſtine bekam ein Geſchwuͤr am linken Arm, das
einen Knochenfraß, Laͤhmung oder gar den Tod befuͤrchten ließ;
Karoline wurde endlich wieder geſund, aber Chriſtine,
damals im fuͤnften Jahr, ſchien nach und nach auszuzehren und
unheilbar zu werden; zugleich kam es nun auch dazu, daß mein
Geldvorrath auf die Neige ging, folglich wieder von hoͤherer Hand
geholfen werden muß; dieſe Huͤlfe zoͤgerte aber auch nicht:
denn gegen das Ende des Monat Maͤrz erhielt ich einen Brief
aus der Oberlauſitz, von einer ſehr verehrungswuͤrdigen Freundin,
die mich aufforderte, zu kommen, indem viele arme Blinde und
an den Augen Leidende meine Gegenwart erforderten; dieſe Rei-
ſekoſten wuͤrden verguͤtet werden, und ich wuͤrde ſchon unterwegs
200 Thaler (360 Gulden) zur Unterſtuͤtzung antreffen.
Wir dankten dem Herrn fuͤr ſeine fortdauernde gnaͤdige Fuͤh-
rung, und fingen nun an, uns zu dieſer weiten Reiſe vorzube-
reiten; denn von Heidelberg bis Herrenhut, oder lieber
Goͤrlitz, wohin ich auch berufen wurde, ſind es 80 teutſche
Meilen, oder 160 Stunden.
Meine erſte Schuldigkeit war nun, dem Kurfuͤrſten von die-
ſer Reiſe Nachricht zu geben, ich fuhr alſo nach Carlsruhe,
wo ich einige vergnuͤgte Tage in ſeiner Geſellſchaft zubrachte.
Bei dieſer Gelegenheit trug er mir auf, mit Gliedern der
Unitaͤtsaͤlteſten-Konferenz zu Bertholsdorf zu reden, denn er
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/626>, abgerufen am 23.11.2024.
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