die merkwürdige Geschichte mit dem Pastor Molitor zu At- tendorn, der mir seine Augenarkana mittheilte, und dann sich niederlegte und starb. Daß ich in meinem Leben nicht daran ge- dacht hatte, Augenarzt zu werden, und daß auch weder ich, noch Jemand von den Meinigen, auch nur von Ferne Veranlassung zu dieser Mittheilung gegeben hatte, das weiß Gott! -- und nun überlege nur Jeder, der meine Geschichte gelesen hat, was mir meine Augenkuren bis daher gewesen, noch sind, und ferner seyn werden! -- Wer da nicht die Alles regierende Hand einer allwissenden, allmächtigen Gottheit erkennt, der hat keine Augen zum Sehen, und keine Ohren zum Hören, ihm ist nicht zu helfen.
Ich bediente mich der erlangten Mittel zu Augenkrankheiten, und kam dadurch in Bekanntschaft mit der würdigen Familie meines seligen Schwiegervaters, Peter Heyders, zu Rons- dorf im Herzogthum Berg, und gegen alles Erwarten, gegen alle meine Plane und Vorsätze, muß ich mich da mit einer abge- zehrten, sehr schwächlichen Person am Krankenbette versprechen -- eine Handlung, woran wahrhaftig meine Sinnlichkeit nicht Schuld war, ich that es blos aus Gehorsam gegen Gott, weil ich glaubte, es sey nicht sein Wille, es war da von meiner Seite an nichts dergleichen zu denken. Ich versprach mich mit Chri- stine, ob ich gleich wußte, daß mich ihr Vater im geringsten nicht unterstützen konnte und daß nun die Unterstützung von der vorher zu erwartenden Seite gänzlich aus war. Und nun ging ich mit einem halben Laubthaler auf die Universität nach Straß- burg; wie wunderbar mich dort der Herr durchgeführt habe, ist aus meiner Geschichte bekannt.
Jetzt frage ich abermal, war es mein Plan, mich mit Christinen zu verheirathen, und war es mein Machwerk, Medizin in Straßburg zu studiren?
Ich kam wieder, setzte mich als ausübender Arzt und Augen- arzt, ganz ohne Besoldung in Elberfeld. Nun erwartete ich ausserordentliche Folgen in meiner Praxis: denn ich sahe mich als einen Mann an, den der Herr besonders zu diesem Beruf ausgerüstet habe -- dann dachte ich mit meinem religiösen Grund- trieb für den Herrn und sein Reich zu wirken, in Verbindung
die merkwuͤrdige Geſchichte mit dem Paſtor Molitor zu At- tendorn, der mir ſeine Augenarkana mittheilte, und dann ſich niederlegte und ſtarb. Daß ich in meinem Leben nicht daran ge- dacht hatte, Augenarzt zu werden, und daß auch weder ich, noch Jemand von den Meinigen, auch nur von Ferne Veranlaſſung zu dieſer Mittheilung gegeben hatte, das weiß Gott! — und nun uͤberlege nur Jeder, der meine Geſchichte geleſen hat, was mir meine Augenkuren bis daher geweſen, noch ſind, und ferner ſeyn werden! — Wer da nicht die Alles regierende Hand einer allwiſſenden, allmaͤchtigen Gottheit erkennt, der hat keine Augen zum Sehen, und keine Ohren zum Hoͤren, ihm iſt nicht zu helfen.
Ich bediente mich der erlangten Mittel zu Augenkrankheiten, und kam dadurch in Bekanntſchaft mit der wuͤrdigen Familie meines ſeligen Schwiegervaters, Peter Heyders, zu Rons- dorf im Herzogthum Berg, und gegen alles Erwarten, gegen alle meine Plane und Vorſaͤtze, muß ich mich da mit einer abge- zehrten, ſehr ſchwaͤchlichen Perſon am Krankenbette verſprechen — eine Handlung, woran wahrhaftig meine Sinnlichkeit nicht Schuld war, ich that es blos aus Gehorſam gegen Gott, weil ich glaubte, es ſey nicht ſein Wille, es war da von meiner Seite an nichts dergleichen zu denken. Ich verſprach mich mit Chri- ſtine, ob ich gleich wußte, daß mich ihr Vater im geringſten nicht unterſtuͤtzen konnte und daß nun die Unterſtuͤtzung von der vorher zu erwartenden Seite gaͤnzlich aus war. Und nun ging ich mit einem halben Laubthaler auf die Univerſitaͤt nach Straß- burg; wie wunderbar mich dort der Herr durchgefuͤhrt habe, iſt aus meiner Geſchichte bekannt.
Jetzt frage ich abermal, war es mein Plan, mich mit Chriſtinen zu verheirathen, und war es mein Machwerk, Medizin in Straßburg zu ſtudiren?
Ich kam wieder, ſetzte mich als ausuͤbender Arzt und Augen- arzt, ganz ohne Beſoldung in Elberfeld. Nun erwartete ich auſſerordentliche Folgen in meiner Praxis: denn ich ſahe mich als einen Mann an, den der Herr beſonders zu dieſem Beruf ausgeruͤſtet habe — dann dachte ich mit meinem religioͤſen Grund- trieb fuͤr den Herrn und ſein Reich zu wirken, in Verbindung
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die merkwuͤrdige Geſchichte mit dem Paſtor Molitor zu At-
tendorn, der mir ſeine Augenarkana mittheilte, und dann ſich
niederlegte und ſtarb. Daß ich in meinem Leben nicht daran ge-
dacht hatte, Augenarzt zu werden, und daß auch weder ich, noch
Jemand von den Meinigen, auch nur von Ferne Veranlaſſung
zu dieſer Mittheilung gegeben hatte, das weiß Gott! — und
nun uͤberlege nur Jeder, der meine Geſchichte geleſen hat, was
mir meine Augenkuren bis daher geweſen, noch ſind, und ferner
ſeyn werden! — Wer da nicht die Alles regierende Hand einer
allwiſſenden, allmaͤchtigen Gottheit erkennt, der hat keine Augen
zum Sehen, und keine Ohren zum Hoͤren, ihm iſt nicht zu helfen.
Ich bediente mich der erlangten Mittel zu Augenkrankheiten,
und kam dadurch in Bekanntſchaft mit der wuͤrdigen Familie
meines ſeligen Schwiegervaters, Peter Heyders, zu Rons-
dorf im Herzogthum Berg, und gegen alles Erwarten, gegen
alle meine Plane und Vorſaͤtze, muß ich mich da mit einer abge-
zehrten, ſehr ſchwaͤchlichen Perſon am Krankenbette verſprechen
— eine Handlung, woran wahrhaftig meine Sinnlichkeit nicht
Schuld war, ich that es blos aus Gehorſam gegen Gott, weil
ich glaubte, es ſey nicht ſein Wille, es war da von meiner Seite
an nichts dergleichen zu denken. Ich verſprach mich mit Chri-
ſtine, ob ich gleich wußte, daß mich ihr Vater im geringſten
nicht unterſtuͤtzen konnte und daß nun die Unterſtuͤtzung von der
vorher zu erwartenden Seite gaͤnzlich aus war. Und nun ging
ich mit einem halben Laubthaler auf die Univerſitaͤt nach Straß-
burg; wie wunderbar mich dort der Herr durchgefuͤhrt habe, iſt
aus meiner Geſchichte bekannt.
Jetzt frage ich abermal, war es mein Plan,
mich mit Chriſtinen zu verheirathen, und war
es mein Machwerk, Medizin in Straßburg zu
ſtudiren?
Ich kam wieder, ſetzte mich als ausuͤbender Arzt und Augen-
arzt, ganz ohne Beſoldung in Elberfeld. Nun erwartete ich
auſſerordentliche Folgen in meiner Praxis: denn ich ſahe mich
als einen Mann an, den der Herr beſonders zu dieſem Beruf
ausgeruͤſtet habe — dann dachte ich mit meinem religioͤſen Grund-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/602>, abgerufen am 22.11.2024.
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