mern und angenehmern Ort wußte, und weil er auch schon da bekannt war, indem er ehemals da gewohnt hatte.
Bei dem Kurfürsten von Hessen hielt er nun um seinen Ab- schied an, und er bekam ihn auch, und bei dem Wegziehen schrieb Stilling noch einmal an ihn, und dankte ihm für alle bisher genossene Gnade und Wohlthaten, und bat um ferneres gnädi- ges Wohlwollen, welches ihm dann auch der Kurfürst in einem gnädigen Handschreiben zusicherte.
Was für eine wehmüthige Empfindung Stillings Abzug in ganz Hessen, vorzüglich aber in Marburg verursacht habe, das läßt sich nicht beschreiben: die ganze Bürgerschaft trauerte, und bei dem Wegziehen, Sonnabends den 10. September des Morgens früh, weinte die ganze Nachbarschaft -- von diesen rührenden Auftritten kein Wort mehr. Stillings und Eli- sens Herzen wurden tief verwundet; besonders als sie bei dem Kirchhof vorbei fuhren, wo so viele ihrer Lieben ruhen.
Daß Freundin Julie mit zog, das versteht sich. Sie fuh- ren des ersten Tages zu ihren Kindern Schwarz nach Mün- ster; hier blieben sie den Sonntag und den Montag, welcher Stillings Geburtstag war, und jetzt ausnehmend herrlich gefeiert wurde: Schwarz und Julie hatten den Plan dazu entworfen, und er wurde vortrefflich ausgeführt. Die Geburts- tagsfeiern alle habe ich seit 1791 nicht mehr erzählen mögen, sie enthalten zu viel Schmeichelhaftes und Ruhmvolles, und dieß Alles zu beschreiben, würde ekelhaft seyn.
Dienstags den 13. September nahmen sie von ihren Kindern Schwarz Abschied, und fuhren bis Frankfurt; hier blieben sie den Mittwoch und den Donnerstag; den Freitag fuhren sie bis Heppenheim und Sonnabends den 17. September Vormit- tags zogen sie in Heidelberg ein; artig war auch die heutige Losung, sie steht 2. Mos. 15, v. 17. Bringe sie hinein, und pflanze sie auf den Berg deines Erbtheils, den du, Herr, dir zur Wohnung gemacht hast, zu deinem Heiligthum, Herr! das deine Hand berei- tet hat. Daß man hier den Berg des Erbtheils Jehovah und sein Heiligthum nicht auf Heidelberg anwenden dürfe, brauch' ich wohl nicht zu erinnern, sondern Stilling dachte
mern und angenehmern Ort wußte, und weil er auch ſchon da bekannt war, indem er ehemals da gewohnt hatte.
Bei dem Kurfuͤrſten von Heſſen hielt er nun um ſeinen Ab- ſchied an, und er bekam ihn auch, und bei dem Wegziehen ſchrieb Stilling noch einmal an ihn, und dankte ihm fuͤr alle bisher genoſſene Gnade und Wohlthaten, und bat um ferneres gnaͤdi- ges Wohlwollen, welches ihm dann auch der Kurfuͤrſt in einem gnaͤdigen Handſchreiben zuſicherte.
Was fuͤr eine wehmuͤthige Empfindung Stillings Abzug in ganz Heſſen, vorzuͤglich aber in Marburg verurſacht habe, das laͤßt ſich nicht beſchreiben: die ganze Buͤrgerſchaft trauerte, und bei dem Wegziehen, Sonnabends den 10. September des Morgens fruͤh, weinte die ganze Nachbarſchaft — von dieſen ruͤhrenden Auftritten kein Wort mehr. Stillings und Eli- ſens Herzen wurden tief verwundet; beſonders als ſie bei dem Kirchhof vorbei fuhren, wo ſo viele ihrer Lieben ruhen.
Daß Freundin Julie mit zog, das verſteht ſich. Sie fuh- ren des erſten Tages zu ihren Kindern Schwarz nach Muͤn- ſter; hier blieben ſie den Sonntag und den Montag, welcher Stillings Geburtstag war, und jetzt ausnehmend herrlich gefeiert wurde: Schwarz und Julie hatten den Plan dazu entworfen, und er wurde vortrefflich ausgefuͤhrt. Die Geburts- tagsfeiern alle habe ich ſeit 1791 nicht mehr erzaͤhlen moͤgen, ſie enthalten zu viel Schmeichelhaftes und Ruhmvolles, und dieß Alles zu beſchreiben, wuͤrde ekelhaft ſeyn.
Dienſtags den 13. September nahmen ſie von ihren Kindern Schwarz Abſchied, und fuhren bis Frankfurt; hier blieben ſie den Mittwoch und den Donnerſtag; den Freitag fuhren ſie bis Heppenheim und Sonnabends den 17. September Vormit- tags zogen ſie in Heidelberg ein; artig war auch die heutige Loſung, ſie ſteht 2. Moſ. 15, v. 17. Bringe ſie hinein, und pflanze ſie auf den Berg deines Erbtheils, den du, Herr, dir zur Wohnung gemacht haſt, zu deinem Heiligthum, Herr! das deine Hand berei- tet hat. Daß man hier den Berg des Erbtheils Jehovah und ſein Heiligthum nicht auf Heidelberg anwenden duͤrfe, brauch’ ich wohl nicht zu erinnern, ſondern Stilling dachte
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Bei dem Kurfuͤrſten von Heſſen hielt er nun um ſeinen Ab-
ſchied an, und er bekam ihn auch, und bei dem Wegziehen ſchrieb
Stilling noch einmal an ihn, und dankte ihm fuͤr alle bisher
genoſſene Gnade und Wohlthaten, und bat um ferneres gnaͤdi-
ges Wohlwollen, welches ihm dann auch der Kurfuͤrſt in einem
gnaͤdigen Handſchreiben zuſicherte.
Was fuͤr eine wehmuͤthige Empfindung Stillings Abzug
in ganz Heſſen, vorzuͤglich aber in Marburg verurſacht habe,
das laͤßt ſich nicht beſchreiben: die ganze Buͤrgerſchaft trauerte,
und bei dem Wegziehen, Sonnabends den 10. September des
Morgens fruͤh, weinte die ganze Nachbarſchaft — von dieſen
ruͤhrenden Auftritten kein Wort mehr. Stillings und Eli-
ſens Herzen wurden tief verwundet; beſonders als ſie bei dem
Kirchhof vorbei fuhren, wo ſo viele ihrer Lieben ruhen.
Daß Freundin Julie mit zog, das verſteht ſich. Sie fuh-
ren des erſten Tages zu ihren Kindern Schwarz nach Muͤn-
ſter; hier blieben ſie den Sonntag und den Montag, welcher
Stillings Geburtstag war, und jetzt ausnehmend herrlich
gefeiert wurde: Schwarz und Julie hatten den Plan dazu
entworfen, und er wurde vortrefflich ausgefuͤhrt. Die Geburts-
tagsfeiern alle habe ich ſeit 1791 nicht mehr erzaͤhlen moͤgen, ſie
enthalten zu viel Schmeichelhaftes und Ruhmvolles, und dieß
Alles zu beſchreiben, wuͤrde ekelhaft ſeyn.
Dienſtags den 13. September nahmen ſie von ihren Kindern
Schwarz Abſchied, und fuhren bis Frankfurt; hier blieben ſie
den Mittwoch und den Donnerſtag; den Freitag fuhren ſie bis
Heppenheim und Sonnabends den 17. September Vormit-
tags zogen ſie in Heidelberg ein; artig war auch die heutige
Loſung, ſie ſteht 2. Moſ. 15, v. 17. Bringe ſie hinein,
und pflanze ſie auf den Berg deines Erbtheils,
den du, Herr, dir zur Wohnung gemacht haſt, zu
deinem Heiligthum, Herr! das deine Hand berei-
tet hat. Daß man hier den Berg des Erbtheils Jehovah
und ſein Heiligthum nicht auf Heidelberg anwenden duͤrfe,
brauch’ ich wohl nicht zu erinnern, ſondern Stilling dachte
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/590>, abgerufen am 22.11.2024.
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