den als wirklichen Justizrath mit einem ordentlichen Gehalt an Geld und Naturalien nach Mannheim ans Kurfürstliche Hof- gericht berufen habe -- das war eine Vokation, die ihrer Bei- der Erwartung übertraf -- dann war auch eine besondere An- frage an Stilling beigelegt, nämlich: ob er wohl, vor der Hand, bis man seine Besoldung verbessern könnte, für zwölfhundert Gulden jährlich kom- men wollte?
Die Freude über des langgeprüften Jakobs Versorgung, und die nahe und gewisse Aussicht, aus der nunmehro unerträg- lich gewordenen Lage herauszukommen, erfüllten Stilling und Elise mit Wonne und tiefer Beruhigung, mit Thränen opferten sie Gott Dank, und eilten nach Haus, weil der Jakob auch zugleich Befehl bekommen hatte, sobald als möglich zu kom- men, und sein Amt anzutreten. Sie fuhren also Freitags, den 3. Junius, von Wittgenstein ab, und kamen des Nachmit- tags zu Marburg an.
Jetzt wurden nun alle Hände in Wirksamkeit gesetzt, um Ja- kobs und Amaliens Zug nach Mannheim zu beschleuni- gen. In Stillings Seele aber entstand nun ein heftiger Kampf zwischen Vernunft und Glauben.
Wenn man jetzt Stillings Lage blos nach vernünftigen, ökonomischen Gründen beurtheilt, so war es allerdings bedenk- lich, eine Stelle mit Zwölfhundert Thalern im zwanzig Gul- denfuß, gegen Zwölfhundert Gulden Reichscourant zu ver- wechseln, besonders da bei jener starken Besoldung nichts übrig blieb -- es ließen sich sogar Gründe denken, die Stillingen seine Schwierigkeiten benehmen, ihn bestimmen konnten, in Mar- burg zu bleiben und seine Stelle zu behalten, denn er konnte ja ruhig so fortfahren, wie bisher -- in den Ferien reisen, und zwischen denselben sein Amt treulich verwalten; kamen wenige oder gar keine Zuhörer, so war das ja seine Schuld nicht -- und was seinen Grundtrieb, für die Religion zu wirken, betraf, so konnte das ja nebenher, wie bisher, geschehen, und wenn er dann nicht Alles zwingen konnte, so fordert ja Gott nichts über Vermögen, man läßt den Stein liegen, den man nicht heben kann, u. s. w.
den als wirklichen Juſtizrath mit einem ordentlichen Gehalt an Geld und Naturalien nach Mannheim ans Kurfuͤrſtliche Hof- gericht berufen habe — das war eine Vokation, die ihrer Bei- der Erwartung uͤbertraf — dann war auch eine beſondere An- frage an Stilling beigelegt, naͤmlich: ob er wohl, vor der Hand, bis man ſeine Beſoldung verbeſſern koͤnnte, fuͤr zwoͤlfhundert Gulden jaͤhrlich kom- men wollte?
Die Freude uͤber des langgepruͤften Jakobs Verſorgung, und die nahe und gewiſſe Ausſicht, aus der nunmehro unertraͤg- lich gewordenen Lage herauszukommen, erfuͤllten Stilling und Eliſe mit Wonne und tiefer Beruhigung, mit Thraͤnen opferten ſie Gott Dank, und eilten nach Haus, weil der Jakob auch zugleich Befehl bekommen hatte, ſobald als moͤglich zu kom- men, und ſein Amt anzutreten. Sie fuhren alſo Freitags, den 3. Junius, von Wittgenſtein ab, und kamen des Nachmit- tags zu Marburg an.
Jetzt wurden nun alle Haͤnde in Wirkſamkeit geſetzt, um Ja- kobs und Amaliens Zug nach Mannheim zu beſchleuni- gen. In Stillings Seele aber entſtand nun ein heftiger Kampf zwiſchen Vernunft und Glauben.
Wenn man jetzt Stillings Lage blos nach vernuͤnftigen, oͤkonomiſchen Gruͤnden beurtheilt, ſo war es allerdings bedenk- lich, eine Stelle mit Zwoͤlfhundert Thalern im zwanzig Gul- denfuß, gegen Zwoͤlfhundert Gulden Reichscourant zu ver- wechſeln, beſonders da bei jener ſtarken Beſoldung nichts uͤbrig blieb — es ließen ſich ſogar Gruͤnde denken, die Stillingen ſeine Schwierigkeiten benehmen, ihn beſtimmen konnten, in Mar- burg zu bleiben und ſeine Stelle zu behalten, denn er konnte ja ruhig ſo fortfahren, wie bisher — in den Ferien reiſen, und zwiſchen denſelben ſein Amt treulich verwalten; kamen wenige oder gar keine Zuhoͤrer, ſo war das ja ſeine Schuld nicht — und was ſeinen Grundtrieb, fuͤr die Religion zu wirken, betraf, ſo konnte das ja nebenher, wie bisher, geſchehen, und wenn er dann nicht Alles zwingen konnte, ſo fordert ja Gott nichts uͤber Vermoͤgen, man laͤßt den Stein liegen, den man nicht heben kann, u. ſ. w.
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gericht berufen habe — das war eine Vokation, die ihrer Bei-
der Erwartung uͤbertraf — dann war auch eine beſondere An-
frage an Stilling beigelegt, naͤmlich: ob er wohl, vor
der Hand, bis man ſeine Beſoldung verbeſſern
koͤnnte, fuͤr zwoͤlfhundert Gulden jaͤhrlich kom-
men wollte?
Die Freude uͤber des langgepruͤften Jakobs Verſorgung,
und die nahe und gewiſſe Ausſicht, aus der nunmehro unertraͤg-
lich gewordenen Lage herauszukommen, erfuͤllten Stilling
und Eliſe mit Wonne und tiefer Beruhigung, mit Thraͤnen
opferten ſie Gott Dank, und eilten nach Haus, weil der Jakob
auch zugleich Befehl bekommen hatte, ſobald als moͤglich zu kom-
men, und ſein Amt anzutreten. Sie fuhren alſo Freitags, den
3. Junius, von Wittgenſtein ab, und kamen des Nachmit-
tags zu Marburg an.
Jetzt wurden nun alle Haͤnde in Wirkſamkeit geſetzt, um Ja-
kobs und Amaliens Zug nach Mannheim zu beſchleuni-
gen. In Stillings Seele aber entſtand nun ein heftiger Kampf
zwiſchen Vernunft und Glauben.
Wenn man jetzt Stillings Lage blos nach vernuͤnftigen,
oͤkonomiſchen Gruͤnden beurtheilt, ſo war es allerdings bedenk-
lich, eine Stelle mit Zwoͤlfhundert Thalern im zwanzig Gul-
denfuß, gegen Zwoͤlfhundert Gulden Reichscourant zu ver-
wechſeln, beſonders da bei jener ſtarken Beſoldung nichts uͤbrig
blieb — es ließen ſich ſogar Gruͤnde denken, die Stillingen
ſeine Schwierigkeiten benehmen, ihn beſtimmen konnten, in Mar-
burg zu bleiben und ſeine Stelle zu behalten, denn er konnte
ja ruhig ſo fortfahren, wie bisher — in den Ferien reiſen, und
zwiſchen denſelben ſein Amt treulich verwalten; kamen wenige
oder gar keine Zuhoͤrer, ſo war das ja ſeine Schuld nicht —
und was ſeinen Grundtrieb, fuͤr die Religion zu wirken, betraf,
ſo konnte das ja nebenher, wie bisher, geſchehen, und wenn er
dann nicht Alles zwingen konnte, ſo fordert ja Gott nichts
uͤber Vermoͤgen, man laͤßt den Stein liegen, den man nicht
heben kann, u. ſ. w.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/586>, abgerufen am 25.11.2024.
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