sich dereinst auf sein Willkommen -- sie freuen sich, daß er mit ihnen zufrieden seyn wird.
Acht Tage nach Vater Wilhelm Stillings Tod traten Stilling und Elise ihre zweite Schweizerreise an: Montags, den 13. September 1802, fuhren sie von Marburg ab; in Frankfurt fand Stilling Augenpatienten, die ihn ein paar Tage aufhielten. Donnerstag den 16. kamen sie des Nach- mittags frühzeitig nach Heidelberg; der Willkommen bei Freundin Mieg war erschütternd von beiden Seiten. Mieg war in Geschäften auf dem Lande, und kam erst gegen Abend wie- der: er hatte des Mittags in Gesellschaft eines angesehenen Man- nes gespeist, der den Gedanken geäußert hatte: Ein großer Herr müsse Stilling blos dafür besolden, daß er seinen wohlthätigen Beruf an Augenkranken un- gehindert ausüben könnte. Dieß machte Stilling wieder aufmerksam auf Alles, was vorhergegangen war. Der Traum jenes Handwerksmannes, Vater Wilhelms Tod, und nun diese Aeußerung -- die weiter von keiner Bedeutung schien, aber gerade jetzt Eindruck machte -- und endlich wieder eine Schweizerreise -- das Alles zusammen brachte eine hochahnende Stimmung in Stillings Gemüth hervor.
Des folgenden Tages, Freitags den 17. September, setzten beide Reisende ihren Weg nach Karlsruhe fort.
Hier muß ich in meiner Erzählung etwas zurückgehen, um Alles unter einen gehörigen Gesichtspunkt zu bringen.
Jakob war -- wie ich oben bemerkte -- im verwichenen Frühjahr Vater geworden; ungeachtet seiner Geschicklichkeit und Rechtschaffenheit, und ungeachtet aller guten Zeugnisse der Mar- burger Regierung, war doch in Kassel für ihn nicht das Ge- ringste auszurichten. Nun konnte er bei seiner Denkungsart von der Rechtspraxis unmöglich leben, sein Vater mußte ihn also beträchtlich unterstützen, und über das Alles sahe er nun den An- wachs einer Familie vor sich; dieß Alles zusammen drückte den guten jungen Mann sehr, er hatte also dringend bei seinem Vater angehalten, er möchte ihn bei seiner Durchreise in Karlsruhe dem Kurfürsten empfehlen; denn er sey ja ursprünglich ein Pfäl- zer, und könne also auch dort Anspruch auf Versorgung machen.
ſich dereinſt auf ſein Willkommen — ſie freuen ſich, daß er mit ihnen zufrieden ſeyn wird.
Acht Tage nach Vater Wilhelm Stillings Tod traten Stilling und Eliſe ihre zweite Schweizerreiſe an: Montags, den 13. September 1802, fuhren ſie von Marburg ab; in Frankfurt fand Stilling Augenpatienten, die ihn ein paar Tage aufhielten. Donnerſtag den 16. kamen ſie des Nach- mittags fruͤhzeitig nach Heidelberg; der Willkommen bei Freundin Mieg war erſchuͤtternd von beiden Seiten. Mieg war in Geſchaͤften auf dem Lande, und kam erſt gegen Abend wie- der: er hatte des Mittags in Geſellſchaft eines angeſehenen Man- nes geſpeist, der den Gedanken geaͤußert hatte: Ein großer Herr muͤſſe Stilling blos dafuͤr beſolden, daß er ſeinen wohlthaͤtigen Beruf an Augenkranken un- gehindert ausuͤben koͤnnte. Dieß machte Stilling wieder aufmerkſam auf Alles, was vorhergegangen war. Der Traum jenes Handwerksmannes, Vater Wilhelms Tod, und nun dieſe Aeußerung — die weiter von keiner Bedeutung ſchien, aber gerade jetzt Eindruck machte — und endlich wieder eine Schweizerreiſe — das Alles zuſammen brachte eine hochahnende Stimmung in Stillings Gemuͤth hervor.
Des folgenden Tages, Freitags den 17. September, ſetzten beide Reiſende ihren Weg nach Karlsruhe fort.
Hier muß ich in meiner Erzaͤhlung etwas zuruͤckgehen, um Alles unter einen gehoͤrigen Geſichtspunkt zu bringen.
Jakob war — wie ich oben bemerkte — im verwichenen Fruͤhjahr Vater geworden; ungeachtet ſeiner Geſchicklichkeit und Rechtſchaffenheit, und ungeachtet aller guten Zeugniſſe der Mar- burger Regierung, war doch in Kaſſel fuͤr ihn nicht das Ge- ringſte auszurichten. Nun konnte er bei ſeiner Denkungsart von der Rechtspraxis unmoͤglich leben, ſein Vater mußte ihn alſo betraͤchtlich unterſtuͤtzen, und uͤber das Alles ſahe er nun den An- wachs einer Familie vor ſich; dieß Alles zuſammen druͤckte den guten jungen Mann ſehr, er hatte alſo dringend bei ſeinem Vater angehalten, er moͤchte ihn bei ſeiner Durchreiſe in Karlsruhe dem Kurfuͤrſten empfehlen; denn er ſey ja urſpruͤnglich ein Pfaͤl- zer, und koͤnne alſo auch dort Anſpruch auf Verſorgung machen.
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ſich dereinſt auf ſein Willkommen — ſie freuen ſich, daß er
mit ihnen zufrieden ſeyn wird.
Acht Tage nach Vater Wilhelm Stillings Tod traten
Stilling und Eliſe ihre zweite Schweizerreiſe an: Montags,
den 13. September 1802, fuhren ſie von Marburg ab; in
Frankfurt fand Stilling Augenpatienten, die ihn ein
paar Tage aufhielten. Donnerſtag den 16. kamen ſie des Nach-
mittags fruͤhzeitig nach Heidelberg; der Willkommen bei
Freundin Mieg war erſchuͤtternd von beiden Seiten. Mieg
war in Geſchaͤften auf dem Lande, und kam erſt gegen Abend wie-
der: er hatte des Mittags in Geſellſchaft eines angeſehenen Man-
nes geſpeist, der den Gedanken geaͤußert hatte: Ein großer
Herr muͤſſe Stilling blos dafuͤr beſolden, daß er
ſeinen wohlthaͤtigen Beruf an Augenkranken un-
gehindert ausuͤben koͤnnte. Dieß machte Stilling
wieder aufmerkſam auf Alles, was vorhergegangen war. Der
Traum jenes Handwerksmannes, Vater Wilhelms Tod, und
nun dieſe Aeußerung — die weiter von keiner Bedeutung ſchien,
aber gerade jetzt Eindruck machte — und endlich wieder
eine Schweizerreiſe — das Alles zuſammen brachte eine
hochahnende Stimmung in Stillings Gemuͤth hervor.
Des folgenden Tages, Freitags den 17. September, ſetzten
beide Reiſende ihren Weg nach Karlsruhe fort.
Hier muß ich in meiner Erzaͤhlung etwas zuruͤckgehen, um
Alles unter einen gehoͤrigen Geſichtspunkt zu bringen.
Jakob war — wie ich oben bemerkte — im verwichenen
Fruͤhjahr Vater geworden; ungeachtet ſeiner Geſchicklichkeit und
Rechtſchaffenheit, und ungeachtet aller guten Zeugniſſe der Mar-
burger Regierung, war doch in Kaſſel fuͤr ihn nicht das Ge-
ringſte auszurichten. Nun konnte er bei ſeiner Denkungsart von
der Rechtspraxis unmoͤglich leben, ſein Vater mußte ihn alſo
betraͤchtlich unterſtuͤtzen, und uͤber das Alles ſahe er nun den An-
wachs einer Familie vor ſich; dieß Alles zuſammen druͤckte den
guten jungen Mann ſehr, er hatte alſo dringend bei ſeinem Vater
angehalten, er moͤchte ihn bei ſeiner Durchreiſe in Karlsruhe
dem Kurfuͤrſten empfehlen; denn er ſey ja urſpruͤnglich ein Pfaͤl-
zer, und koͤnne alſo auch dort Anſpruch auf Verſorgung machen.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/567>, abgerufen am 25.11.2024.
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