Wochen hernach ihrem Liebling folgte, so wie es ihre Tochter Mieg schon längst befürchtet hatte.
Um diese Zeit starb auch der Bürgermeister Eicke zu Mün- den, Juliens Vater. Stilling und Elise wiederholten also ihre Einladung an Julie, zu kommen, sobald alle ihre Sachen in Ordnung seyen: sie folgte diesem Ruf, und kam mitten im Januar nach Marburg, wo es ihr in Stillings häuslichem Zirkel und christlichem Umgang so wohl gefiel, daß sie endlich den Wunsch äußerte, in dieser Familie zu le- ben. Stilling und Elise freuten sich über diese Aeuße- rung, und die Sache wurde in Ordnung gebracht: Julie zahlt ein hinlängliches Kostgeld, und beschäftigt sich dann mit der Bildung der kleinen Mädchen Malchen und Christin- chen; gegen die Bezahlung des Kostgeldes protestirte nun zwar Elise ernstlich, aber Julie beharrte dabei, daß sie un- ter keiner andern Bedingung unter ihnen wohnen könne; beide verschwisterte Seelen wurden also endlich einig; im März reiste Julie nach Erfurt, um eine Freundin zu besuchen, und im folgenden August kam sie wieder. Von der Zeit an ist sie nun Stillings häuslichem Zirkel einverliebt, in wel- chem sie durch ihre Gottesfurcht, Heiterkeit, Leidenserfahrun- gen, und besonders durch Leitung und Bildung der Mädchen, ein wahrer Segen Gottes ist.
In diesem Frühjahr kam es auch wieder zu einer Reise: Stilling wurde nach Fulda verlangt, Elise begleitete ihn. Bei der Rückreise nahmen sie den Weg über Hanau und Frankfurt, und besuchten dann auch den Prinzen Frie- drich von Anhalt, und die Gräfin Louise, die den vorigen Herbst von Marburg weg und nach Homburg vor der Höhe gezogen waren. Bei dieser Gelegenheit lernten sie auch die Wittwe des Prinzen Victor von Anhalt kennen; diese ist eine würdige Schwester der Fürstin Christine zur Lippe, eine wahre Christin und personisicirte Demuth. Nach einer Abwesenheit von etwa vier Wochen kamen sie wieder in Mar- burg an. Bald nachher wurde Amalie glücklich von einer jungen Tochter entbunden.
Jetzt nahte sich auch nun der wichtige Zeitpunkt, in wel-
Wochen hernach ihrem Liebling folgte, ſo wie es ihre Tochter Mieg ſchon laͤngſt befuͤrchtet hatte.
Um dieſe Zeit ſtarb auch der Buͤrgermeiſter Eicke zu Muͤn- den, Juliens Vater. Stilling und Eliſe wiederholten alſo ihre Einladung an Julie, zu kommen, ſobald alle ihre Sachen in Ordnung ſeyen: ſie folgte dieſem Ruf, und kam mitten im Januar nach Marburg, wo es ihr in Stillings haͤuslichem Zirkel und chriſtlichem Umgang ſo wohl gefiel, daß ſie endlich den Wunſch aͤußerte, in dieſer Familie zu le- ben. Stilling und Eliſe freuten ſich uͤber dieſe Aeuße- rung, und die Sache wurde in Ordnung gebracht: Julie zahlt ein hinlaͤngliches Koſtgeld, und beſchaͤftigt ſich dann mit der Bildung der kleinen Maͤdchen Malchen und Chriſtin- chen; gegen die Bezahlung des Koſtgeldes proteſtirte nun zwar Eliſe ernſtlich, aber Julie beharrte dabei, daß ſie un- ter keiner andern Bedingung unter ihnen wohnen koͤnne; beide verſchwiſterte Seelen wurden alſo endlich einig; im Maͤrz reiste Julie nach Erfurt, um eine Freundin zu beſuchen, und im folgenden Auguſt kam ſie wieder. Von der Zeit an iſt ſie nun Stillings haͤuslichem Zirkel einverliebt, in wel- chem ſie durch ihre Gottesfurcht, Heiterkeit, Leidenserfahrun- gen, und beſonders durch Leitung und Bildung der Maͤdchen, ein wahrer Segen Gottes iſt.
In dieſem Fruͤhjahr kam es auch wieder zu einer Reiſe: Stilling wurde nach Fulda verlangt, Eliſe begleitete ihn. Bei der Ruͤckreiſe nahmen ſie den Weg uͤber Hanau und Frankfurt, und beſuchten dann auch den Prinzen Frie- drich von Anhalt, und die Graͤfin Louiſe, die den vorigen Herbſt von Marburg weg und nach Homburg vor der Hoͤhe gezogen waren. Bei dieſer Gelegenheit lernten ſie auch die Wittwe des Prinzen Victor von Anhalt kennen; dieſe iſt eine wuͤrdige Schweſter der Fuͤrſtin Chriſtine zur Lippe, eine wahre Chriſtin und perſoniſicirte Demuth. Nach einer Abweſenheit von etwa vier Wochen kamen ſie wieder in Mar- burg an. Bald nachher wurde Amalie gluͤcklich von einer jungen Tochter entbunden.
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Mieg ſchon laͤngſt befuͤrchtet hatte.
Um dieſe Zeit ſtarb auch der Buͤrgermeiſter Eicke zu Muͤn-
den, Juliens Vater. Stilling und Eliſe wiederholten
alſo ihre Einladung an Julie, zu kommen, ſobald alle ihre
Sachen in Ordnung ſeyen: ſie folgte dieſem Ruf, und kam
mitten im Januar nach Marburg, wo es ihr in Stillings
haͤuslichem Zirkel und chriſtlichem Umgang ſo wohl gefiel,
daß ſie endlich den Wunſch aͤußerte, in dieſer Familie zu le-
ben. Stilling und Eliſe freuten ſich uͤber dieſe Aeuße-
rung, und die Sache wurde in Ordnung gebracht: Julie
zahlt ein hinlaͤngliches Koſtgeld, und beſchaͤftigt ſich dann mit
der Bildung der kleinen Maͤdchen Malchen und Chriſtin-
chen; gegen die Bezahlung des Koſtgeldes proteſtirte nun
zwar Eliſe ernſtlich, aber Julie beharrte dabei, daß ſie un-
ter keiner andern Bedingung unter ihnen wohnen koͤnne; beide
verſchwiſterte Seelen wurden alſo endlich einig; im Maͤrz
reiste Julie nach Erfurt, um eine Freundin zu beſuchen,
und im folgenden Auguſt kam ſie wieder. Von der Zeit an
iſt ſie nun Stillings haͤuslichem Zirkel einverliebt, in wel-
chem ſie durch ihre Gottesfurcht, Heiterkeit, Leidenserfahrun-
gen, und beſonders durch Leitung und Bildung der Maͤdchen,
ein wahrer Segen Gottes iſt.
In dieſem Fruͤhjahr kam es auch wieder zu einer Reiſe:
Stilling wurde nach Fulda verlangt, Eliſe begleitete ihn.
Bei der Ruͤckreiſe nahmen ſie den Weg uͤber Hanau und
Frankfurt, und beſuchten dann auch den Prinzen Frie-
drich von Anhalt, und die Graͤfin Louiſe, die den vorigen
Herbſt von Marburg weg und nach Homburg vor der
Hoͤhe gezogen waren. Bei dieſer Gelegenheit lernten ſie auch
die Wittwe des Prinzen Victor von Anhalt kennen; dieſe
iſt eine wuͤrdige Schweſter der Fuͤrſtin Chriſtine zur Lippe,
eine wahre Chriſtin und perſoniſicirte Demuth. Nach einer
Abweſenheit von etwa vier Wochen kamen ſie wieder in Mar-
burg an. Bald nachher wurde Amalie gluͤcklich von einer
jungen Tochter entbunden.
Jetzt nahte ſich auch nun der wichtige Zeitpunkt, in wel-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/562>, abgerufen am 22.11.2024.
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