ihm, die Gräfin Friederike von Ortenburg, Stiftsdame ist; diese hatte ihn ersucht, sie zu besuchen, weil sich dort an den Augen Leidende befänden, die ihn erwarteten.
Die Gräfin Friderike freute sich sehr über Stillings Besuch; überhaupt erzeigte man beiden Reisenden dort viele Ehre: sie speisten des Abends bei der Prinzessin von Co- burg, welche in Abwesenheit der Fürstin Aebtissin ihre Stelle vertritt. Stilling bediente hier verschiedene Patienten, und operirte eine arme alte Frau. Den Abend vor der Abreise stieg seine Schwermuth bis zur Höllenangst; gegen Mitter- nacht aber wendete er sich mit großem Ernst im Gebet zu Gott, daß es durchdringen mußte, und nun schlief er ruhig bis an den Morgen, und setzte dann mit seiner Elise seine Heimreise fort; sie kamen des Abends spät in Minden an, wo wiederum Julie, Klugist und seine Gattin in Freund- schaftsbezeugungen wetteiferten.
Jetzt bemerkte man deutlich, daß es mit Juliens altem Vater zu Ende ging; Stilling und Elise baten sie also, sie möchte, wenn ihr Vater zu seiner Ruhe eingegangen wäre, zum Besuch nach Marburg kommen, denn das würde ihr zur Erholung und Aufheiterung dienen. Julie versprach, sie wolle kommen.
In Kassel bekam Stilling viel zu thun, so daß er vom Morgen bis an den Abend Recepte schreiben, und Rath ertheilen mußte, er operirte auch hier verschiedene Personen.
Meine Leser werden sich erinnern, daß Bruder Coing zu Braach bei Rothenburg an der Fulda, 11 Stunden von Kassel, Prediger geworden sey, und daß Maria Coing nebst den beiden Kindern Friedrich und Malchen auch jetzt da waren. Diese beiden Kinder, auch die Schwe- ster Maria, wenn sie es wünschte, dort abzuholen, dann aber auch und vorzüglich den guten lieben Bruder einmal zu besuchen, war Stillings und Elisens Vorhaben: da sie jetzt in der Nähe waren, um dieses Vorhaben auszuführen, reisten sie Donnerstag den 22. Oktober von Kassel ab; bei dem Ausfahren durchs Leipziger Thor sagte er zu seiner Frau:
Stillings sämmtl. Schriften. I. Band. 36
ihm, die Graͤfin Friederike von Ortenburg, Stiftsdame iſt; dieſe hatte ihn erſucht, ſie zu beſuchen, weil ſich dort an den Augen Leidende befaͤnden, die ihn erwarteten.
Die Graͤfin Friderike freute ſich ſehr uͤber Stillings Beſuch; uͤberhaupt erzeigte man beiden Reiſenden dort viele Ehre: ſie ſpeisten des Abends bei der Prinzeſſin von Co- burg, welche in Abweſenheit der Fuͤrſtin Aebtiſſin ihre Stelle vertritt. Stilling bediente hier verſchiedene Patienten, und operirte eine arme alte Frau. Den Abend vor der Abreiſe ſtieg ſeine Schwermuth bis zur Hoͤllenangſt; gegen Mitter- nacht aber wendete er ſich mit großem Ernſt im Gebet zu Gott, daß es durchdringen mußte, und nun ſchlief er ruhig bis an den Morgen, und ſetzte dann mit ſeiner Eliſe ſeine Heimreiſe fort; ſie kamen des Abends ſpaͤt in Minden an, wo wiederum Julie, Klugiſt und ſeine Gattin in Freund- ſchaftsbezeugungen wetteiferten.
Jetzt bemerkte man deutlich, daß es mit Juliens altem Vater zu Ende ging; Stilling und Eliſe baten ſie alſo, ſie moͤchte, wenn ihr Vater zu ſeiner Ruhe eingegangen waͤre, zum Beſuch nach Marburg kommen, denn das wuͤrde ihr zur Erholung und Aufheiterung dienen. Julie verſprach, ſie wolle kommen.
In Kaſſel bekam Stilling viel zu thun, ſo daß er vom Morgen bis an den Abend Recepte ſchreiben, und Rath ertheilen mußte, er operirte auch hier verſchiedene Perſonen.
Meine Leſer werden ſich erinnern, daß Bruder Coing zu Braach bei Rothenburg an der Fulda, 11 Stunden von Kaſſel, Prediger geworden ſey, und daß Maria Coing nebſt den beiden Kindern Friedrich und Malchen auch jetzt da waren. Dieſe beiden Kinder, auch die Schwe- ſter Maria, wenn ſie es wuͤnſchte, dort abzuholen, dann aber auch und vorzuͤglich den guten lieben Bruder einmal zu beſuchen, war Stillings und Eliſens Vorhaben: da ſie jetzt in der Naͤhe waren, um dieſes Vorhaben auszufuͤhren, reisten ſie Donnerſtag den 22. Oktober von Kaſſel ab; bei dem Ausfahren durchs Leipziger Thor ſagte er zu ſeiner Frau:
Stillings ſämmtl. Schriften. I. Band. 36
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ihm, die Graͤfin Friederike von Ortenburg, Stiftsdame
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den Augen Leidende befaͤnden, die ihn erwarteten.
Die Graͤfin Friderike freute ſich ſehr uͤber Stillings
Beſuch; uͤberhaupt erzeigte man beiden Reiſenden dort viele
Ehre: ſie ſpeisten des Abends bei der Prinzeſſin von Co-
burg, welche in Abweſenheit der Fuͤrſtin Aebtiſſin ihre Stelle
vertritt. Stilling bediente hier verſchiedene Patienten, und
operirte eine arme alte Frau. Den Abend vor der Abreiſe
ſtieg ſeine Schwermuth bis zur Hoͤllenangſt; gegen Mitter-
nacht aber wendete er ſich mit großem Ernſt im Gebet zu
Gott, daß es durchdringen mußte, und nun ſchlief er ruhig
bis an den Morgen, und ſetzte dann mit ſeiner Eliſe ſeine
Heimreiſe fort; ſie kamen des Abends ſpaͤt in Minden an,
wo wiederum Julie, Klugiſt und ſeine Gattin in Freund-
ſchaftsbezeugungen wetteiferten.
Jetzt bemerkte man deutlich, daß es mit Juliens altem
Vater zu Ende ging; Stilling und Eliſe baten ſie alſo,
ſie moͤchte, wenn ihr Vater zu ſeiner Ruhe eingegangen waͤre,
zum Beſuch nach Marburg kommen, denn das wuͤrde ihr
zur Erholung und Aufheiterung dienen. Julie verſprach,
ſie wolle kommen.
In Kaſſel bekam Stilling viel zu thun, ſo daß er
vom Morgen bis an den Abend Recepte ſchreiben, und Rath
ertheilen mußte, er operirte auch hier verſchiedene Perſonen.
Meine Leſer werden ſich erinnern, daß Bruder Coing zu
Braach bei Rothenburg an der Fulda, 11 Stunden
von Kaſſel, Prediger geworden ſey, und daß Maria
Coing nebſt den beiden Kindern Friedrich und Malchen
auch jetzt da waren. Dieſe beiden Kinder, auch die Schwe-
ſter Maria, wenn ſie es wuͤnſchte, dort abzuholen, dann
aber auch und vorzuͤglich den guten lieben Bruder einmal zu
beſuchen, war Stillings und Eliſens Vorhaben: da ſie
jetzt in der Naͤhe waren, um dieſes Vorhaben auszufuͤhren,
reisten ſie Donnerſtag den 22. Oktober von Kaſſel ab; bei
dem Ausfahren durchs Leipziger Thor ſagte er zu ſeiner Frau:
Stillings ſämmtl. Schriften. I. Band. 36
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/557>, abgerufen am 25.11.2024.
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