gewesen. Dies veranlaßte nun Stilling, diesen Freund in den Scenen aus dem Geisterreich aufzuführen, und zwar so: der verklärte Heinrich Heß sollte Lavatern zur Mut- ter Maria abholen, weil ihn diese, als einen treuen Vereh- rer ihres Sohns, gern kennen lernen möchte; dann sollte sich Lavater von Maria den Charakter des Herrn in seinem irdischen Leben erzählen lassen, u. s. w. Dieß ist nun auch im zweiten Band der Scenen genau so ausgeführt worden. Lange nachher, als das Werk schon gedruckt war, las Stil- ling einmal von ungefähr in Lavaters Jesus Messias das 26ste Kapitel des ersten Bandes, die stille Verborgenheit Jesus bis in sein 30stes Jahr, und fand nun hier wiederum mit Verwunderung, daß Lavater sich damit tröstet: die Mutter Maria werde ihm dereinst in den seligen Gefilden erzählen, was ihr Sohn in seinem irdi- schen Leben für einen Charakter gehabt habe u. s. w. Daß Stilling dieß vorher nie in seinem Leben gelesen hatte, das kann man mir auf mein Wort glauben.
Diesen Herbst des 1801sten Jahres kam es auch wieder zu einer Reise. An einem Ort im nördlichen Deutschland befand sich eine sehr würdige, fromme Person, die den Staar hatte: sie war zu arm, um nach Marburg zu kommen, oder auch um Stilling kommen zu lassen. Dieser besprach sich mit Elise über diese Sache, und sie beschlossen, weil der Herr ihre Schweizer-Reise so sehr gesegnet und ihnen so viel Gutes erzeigt hätte, so wollten sie aus Dankbarkeit nun auf ihre eigene Kosten zu der würdigen Patientin reisen, und ihr unter Gottes Beistand zu ihrem Gesicht verhelfen. Sie rüsteten sich also wieder zur Reise, und Stilling schrieb an die Person, daß er kommen wolle. Diese freute sich, wie man leicht den- ken kann, außerordentlich, und machte auch Stillings Vor- haben in dortigen Gegenden bekannt. Da nun die Reise über Braunschweig ging, so wurde er freundlich eingeladen, in dem Stobwasserischen Hause zu logiren -- Stobwas- ser ist ein berühmter Handelsmann, er hat eine beträchtliche Lakierfabrik, und ist ein Mitglied der Brüdergemeinde. Stil- ling nahm dieß Anerbieten mit Dank an, und da nun auch
geweſen. Dies veranlaßte nun Stilling, dieſen Freund in den Scenen aus dem Geiſterreich aufzufuͤhren, und zwar ſo: der verklaͤrte Heinrich Heß ſollte Lavatern zur Mut- ter Maria abholen, weil ihn dieſe, als einen treuen Vereh- rer ihres Sohns, gern kennen lernen moͤchte; dann ſollte ſich Lavater von Maria den Charakter des Herrn in ſeinem irdiſchen Leben erzaͤhlen laſſen, u. ſ. w. Dieß iſt nun auch im zweiten Band der Scenen genau ſo ausgefuͤhrt worden. Lange nachher, als das Werk ſchon gedruckt war, las Stil- ling einmal von ungefaͤhr in Lavaters Jeſus Meſſias das 26ſte Kapitel des erſten Bandes, die ſtille Verborgenheit Jeſus bis in ſein 30ſtes Jahr, und fand nun hier wiederum mit Verwunderung, daß Lavater ſich damit troͤſtet: die Mutter Maria werde ihm dereinſt in den ſeligen Gefilden erzaͤhlen, was ihr Sohn in ſeinem irdi- ſchen Leben fuͤr einen Charakter gehabt habe u. ſ. w. Daß Stilling dieß vorher nie in ſeinem Leben geleſen hatte, das kann man mir auf mein Wort glauben.
Dieſen Herbſt des 1801ſten Jahres kam es auch wieder zu einer Reiſe. An einem Ort im noͤrdlichen Deutſchland befand ſich eine ſehr wuͤrdige, fromme Perſon, die den Staar hatte: ſie war zu arm, um nach Marburg zu kommen, oder auch um Stilling kommen zu laſſen. Dieſer beſprach ſich mit Eliſe uͤber dieſe Sache, und ſie beſchloſſen, weil der Herr ihre Schweizer-Reiſe ſo ſehr geſegnet und ihnen ſo viel Gutes erzeigt haͤtte, ſo wollten ſie aus Dankbarkeit nun auf ihre eigene Koſten zu der wuͤrdigen Patientin reiſen, und ihr unter Gottes Beiſtand zu ihrem Geſicht verhelfen. Sie ruͤſteten ſich alſo wieder zur Reiſe, und Stilling ſchrieb an die Perſon, daß er kommen wolle. Dieſe freute ſich, wie man leicht den- ken kann, außerordentlich, und machte auch Stillings Vor- haben in dortigen Gegenden bekannt. Da nun die Reiſe uͤber Braunſchweig ging, ſo wurde er freundlich eingeladen, in dem Stobwaſſeriſchen Hauſe zu logiren — Stobwaſ- ſer iſt ein beruͤhmter Handelsmann, er hat eine betraͤchtliche Lakierfabrik, und iſt ein Mitglied der Bruͤdergemeinde. Stil- ling nahm dieß Anerbieten mit Dank an, und da nun auch
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ter Maria abholen, weil ihn dieſe, als einen treuen Vereh-
rer ihres Sohns, gern kennen lernen moͤchte; dann ſollte ſich
Lavater von Maria den Charakter des Herrn in ſeinem
irdiſchen Leben erzaͤhlen laſſen, u. ſ. w. Dieß iſt nun auch
im zweiten Band der Scenen genau ſo ausgefuͤhrt worden.
Lange nachher, als das Werk ſchon gedruckt war, las Stil-
ling einmal von ungefaͤhr in Lavaters Jeſus Meſſias
das 26ſte Kapitel des erſten Bandes, die ſtille Verborgenheit
Jeſus bis in ſein 30ſtes Jahr, und fand nun hier wiederum
mit Verwunderung, daß Lavater ſich damit troͤſtet: die
Mutter Maria werde ihm dereinſt in den ſeligen
Gefilden erzaͤhlen, was ihr Sohn in ſeinem irdi-
ſchen Leben fuͤr einen Charakter gehabt habe u. ſ. w.
Daß Stilling dieß vorher nie in ſeinem Leben geleſen hatte,
das kann man mir auf mein Wort glauben.
Dieſen Herbſt des 1801ſten Jahres kam es auch wieder zu
einer Reiſe. An einem Ort im noͤrdlichen Deutſchland befand
ſich eine ſehr wuͤrdige, fromme Perſon, die den Staar hatte:
ſie war zu arm, um nach Marburg zu kommen, oder auch
um Stilling kommen zu laſſen. Dieſer beſprach ſich mit
Eliſe uͤber dieſe Sache, und ſie beſchloſſen, weil der Herr
ihre Schweizer-Reiſe ſo ſehr geſegnet und ihnen ſo viel Gutes
erzeigt haͤtte, ſo wollten ſie aus Dankbarkeit nun auf ihre
eigene Koſten zu der wuͤrdigen Patientin reiſen, und ihr unter
Gottes Beiſtand zu ihrem Geſicht verhelfen. Sie ruͤſteten ſich
alſo wieder zur Reiſe, und Stilling ſchrieb an die Perſon,
daß er kommen wolle. Dieſe freute ſich, wie man leicht den-
ken kann, außerordentlich, und machte auch Stillings Vor-
haben in dortigen Gegenden bekannt. Da nun die Reiſe uͤber
Braunſchweig ging, ſo wurde er freundlich eingeladen, in
dem Stobwaſſeriſchen Hauſe zu logiren — Stobwaſ-
ſer iſt ein beruͤhmter Handelsmann, er hat eine betraͤchtliche
Lakierfabrik, und iſt ein Mitglied der Bruͤdergemeinde. Stil-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/553>, abgerufen am 25.11.2024.
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