last ehrlich abgewälzt hatte, so wurde nun eine andere Sache vorgenommen. Als Stilling und Elise aus der Schweiz zurück kamen, übernachteten sie in Münster bei ihren Kin- dern Schwarz; nachdem sie ihnen nun erzählt hatten, was der Herr an ihnen gethan, und wie er sie gesegnet habe, so schlugen Schwarz und Hannchen vor, ob die Eltern nun nicht des Jakobs und der Amalie sieben Jahre lang ge- prüfte Liebe krönen, und sie trauen lassen wollten, da ja doch in der ganzen Lage dadurch eigentlich nichts geändert oder er- schwert würde? -- Die Eltern fanden nichts dagegen einzu- wenden, und um die beiden Verlobten zu überraschen, und ihnen eine desto höhere Freude zu machen, wollten sie alle Zubereitung geheim halten, dann Freund Schlarbaum mit seiner Familie zum Thee bitten, und der sollte dann auf Ein- mal vortreten und Beide kopuliren. Die Ausführung dieses Planes gerieth aber nur zum Theil: die Sache blieb nicht ganz geheim, die Trauung geschah den 12. Julius in diesem 1801ten Jahre. Jetzt zog nun Jakob wieder zu seinen El- tern, er und seine Gattin blieben an ihrem Tisch und in dem nämlichen ökonomischen Verhältniß wie bisher.
Elise hatte im vorigen Sommer 1800 das Bad zu Hof- geißmar gebraucht, es war mit ihrem Hals aber eher schlim- mer als besser geworden: jetzt wollte man nun auch das Schlangenbad versuchen: sie reiste auf sechs Wochen da- hin, aber auch das half wenig.
In diesem Sommer schrieb Stilling den zweiten Band der Scenen aus dem Geisterreich; bei dieser Gelegen- heit muß ich doch etwas Artiges und Merkwürdiges erzählen, jeder mag daraus machen was er will: ich habe oben gesagt, daß Stilling im verwichenen Winter, bald nach Lavaters Tod, ein Gedicht, unter dem Namen "Lavaters Verklä- rung" herausgegeben habe; in diesem Gedicht holen die bei- den vor Lavater verstorbenen Freunde, Felix Heß und Pfenniger, in Gestalt zweier Engel den müden Kämpfer nach seinem Tode ab und führen ihn nach Neu-Jerusalem. Jetzt, etwa ein halb Jahr nach der Herausgabe dieses Ge- dichts, kam Stillings frommer und treuer Freund, der
laſt ehrlich abgewaͤlzt hatte, ſo wurde nun eine andere Sache vorgenommen. Als Stilling und Eliſe aus der Schweiz zuruͤck kamen, uͤbernachteten ſie in Muͤnſter bei ihren Kin- dern Schwarz; nachdem ſie ihnen nun erzaͤhlt hatten, was der Herr an ihnen gethan, und wie er ſie geſegnet habe, ſo ſchlugen Schwarz und Hannchen vor, ob die Eltern nun nicht des Jakobs und der Amalie ſieben Jahre lang ge- pruͤfte Liebe kroͤnen, und ſie trauen laſſen wollten, da ja doch in der ganzen Lage dadurch eigentlich nichts geaͤndert oder er- ſchwert wuͤrde? — Die Eltern fanden nichts dagegen einzu- wenden, und um die beiden Verlobten zu uͤberraſchen, und ihnen eine deſto hoͤhere Freude zu machen, wollten ſie alle Zubereitung geheim halten, dann Freund Schlarbaum mit ſeiner Familie zum Thee bitten, und der ſollte dann auf Ein- mal vortreten und Beide kopuliren. Die Ausfuͤhrung dieſes Planes gerieth aber nur zum Theil: die Sache blieb nicht ganz geheim, die Trauung geſchah den 12. Julius in dieſem 1801ten Jahre. Jetzt zog nun Jakob wieder zu ſeinen El- tern, er und ſeine Gattin blieben an ihrem Tiſch und in dem naͤmlichen oͤkonomiſchen Verhaͤltniß wie bisher.
Eliſe hatte im vorigen Sommer 1800 das Bad zu Hof- geißmar gebraucht, es war mit ihrem Hals aber eher ſchlim- mer als beſſer geworden: jetzt wollte man nun auch das Schlangenbad verſuchen: ſie reiste auf ſechs Wochen da- hin, aber auch das half wenig.
In dieſem Sommer ſchrieb Stilling den zweiten Band der Scenen aus dem Geiſterreich; bei dieſer Gelegen- heit muß ich doch etwas Artiges und Merkwuͤrdiges erzaͤhlen, jeder mag daraus machen was er will: ich habe oben geſagt, daß Stilling im verwichenen Winter, bald nach Lavaters Tod, ein Gedicht, unter dem Namen „Lavaters Verklaͤ- rung“ herausgegeben habe; in dieſem Gedicht holen die bei- den vor Lavater verſtorbenen Freunde, Felix Heß und Pfenniger, in Geſtalt zweier Engel den muͤden Kaͤmpfer nach ſeinem Tode ab und fuͤhren ihn nach Neu-Jeruſalem. Jetzt, etwa ein halb Jahr nach der Herausgabe dieſes Ge- dichts, kam Stillings frommer und treuer Freund, der
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dern Schwarz; nachdem ſie ihnen nun erzaͤhlt hatten, was
der Herr an ihnen gethan, und wie er ſie geſegnet habe, ſo
ſchlugen Schwarz und Hannchen vor, ob die Eltern nun
nicht des Jakobs und der Amalie ſieben Jahre lang ge-
pruͤfte Liebe kroͤnen, und ſie trauen laſſen wollten, da ja doch
in der ganzen Lage dadurch eigentlich nichts geaͤndert oder er-
ſchwert wuͤrde? — Die Eltern fanden nichts dagegen einzu-
wenden, und um die beiden Verlobten zu uͤberraſchen, und
ihnen eine deſto hoͤhere Freude zu machen, wollten ſie alle
Zubereitung geheim halten, dann Freund Schlarbaum mit
ſeiner Familie zum Thee bitten, und der ſollte dann auf Ein-
mal vortreten und Beide kopuliren. Die Ausfuͤhrung dieſes
Planes gerieth aber nur zum Theil: die Sache blieb nicht
ganz geheim, die Trauung geſchah den 12. Julius in dieſem
1801ten Jahre. Jetzt zog nun Jakob wieder zu ſeinen El-
tern, er und ſeine Gattin blieben an ihrem Tiſch und in dem
naͤmlichen oͤkonomiſchen Verhaͤltniß wie bisher.
Eliſe hatte im vorigen Sommer 1800 das Bad zu Hof-
geißmar gebraucht, es war mit ihrem Hals aber eher ſchlim-
mer als beſſer geworden: jetzt wollte man nun auch das
Schlangenbad verſuchen: ſie reiste auf ſechs Wochen da-
hin, aber auch das half wenig.
In dieſem Sommer ſchrieb Stilling den zweiten Band
der Scenen aus dem Geiſterreich; bei dieſer Gelegen-
heit muß ich doch etwas Artiges und Merkwuͤrdiges erzaͤhlen,
jeder mag daraus machen was er will: ich habe oben geſagt,
daß Stilling im verwichenen Winter, bald nach Lavaters
Tod, ein Gedicht, unter dem Namen „Lavaters Verklaͤ-
rung“ herausgegeben habe; in dieſem Gedicht holen die bei-
den vor Lavater verſtorbenen Freunde, Felix Heß und
Pfenniger, in Geſtalt zweier Engel den muͤden Kaͤmpfer
nach ſeinem Tode ab und fuͤhren ihn nach Neu-Jeruſalem.
Jetzt, etwa ein halb Jahr nach der Herausgabe dieſes Ge-
dichts, kam Stillings frommer und treuer Freund, der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/551>, abgerufen am 22.11.2024.
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