ling zeichnete und in Kupfer gestochen hat, und sonst noch einige namhafte Personen zeichneten sich, nächst Lavaters Familie, Verwandten und Freunden, in Freundschaftsbezeu- gungen vorzüglich aus.
Dienstags den 21. April reiste Stilling mit seiner Elise nach einem sehr rührenden Abschied von Zürich weg, der Winterthurer Doktor Steiner, der ihm die Medaille überreichte, und der junge Freund Kirchhofer, Pfarrer zu Schlatt, reisten mit.
Daß auch der Züricher Magistrat Stillingen in einem Schreiben dankte, darf nicht vergessen werden.
Die Reise ging von Zürich über Baden und Lenzburg nach Zofingen, im Kanton Bern, wo Stilling den Schultheiß Senn -- bei dem Wort Schultheiß darf man sich keinen deutschen Dorfschultheiß denken -- operiren sollte; eben deßwegen reiste der Doktor Steiner mit, denn er war ein Verwandter von Senn, und weil sich Stilling nicht aufhalten konnte, so wollte Steiner etliche Tage da bleiben und die Kur vollenden. Senn ist ein ehrwürdiger Mann, und stille, bescheidene, christliche Tugend ist der Hauptzug in seinem und seiner Familie Charakter.
Mittwoch Morgens, den 22. April, operirte Stilling den Schultheiß Senn und noch eine arme Magd, und reiste dann mit seiner Elise das schöne Thal, längs der Aar über Aarburg und Olten herab, und dann den Hauenstein hinan. Dieser Berg würde in Deutschland schon für einen hohen Berg gelten, hier aber kommt er nicht in Betracht. Oben auf der Höhe ist der Weg durch einen Felsen gehauen, und wenn man über den Gipfel weg ist, so sieht man nach Deutschland hinüber; in Nordwesten erscheinen zweifelhaft die Bogesischen Gebirge, und im Norden bemerkt man den obern Anfang des Schwarzwaldes; dreht man sich aber um, so erscheint die ganze Alpenkette am südöstlichen Horizont.
Nachdem sie eine Strecke diesseits herabgefahren waren, so kamen sie vor ein einsames Wirthshaus, aus welchem eine wohlgekleidete artige Frau herausgelaufen kam und sehr freund- lich fragte: ob Stilling in der Kutsche sey? Und als sie
ling zeichnete und in Kupfer geſtochen hat, und ſonſt noch einige namhafte Perſonen zeichneten ſich, naͤchſt Lavaters Familie, Verwandten und Freunden, in Freundſchaftsbezeu- gungen vorzuͤglich aus.
Dienſtags den 21. April reiste Stilling mit ſeiner Eliſe nach einem ſehr ruͤhrenden Abſchied von Zuͤrich weg, der Winterthurer Doktor Steiner, der ihm die Medaille uͤberreichte, und der junge Freund Kirchhofer, Pfarrer zu Schlatt, reisten mit.
Daß auch der Zuͤricher Magiſtrat Stillingen in einem Schreiben dankte, darf nicht vergeſſen werden.
Die Reiſe ging von Zuͤrich uͤber Baden und Lenzburg nach Zofingen, im Kanton Bern, wo Stilling den Schultheiß Senn — bei dem Wort Schultheiß darf man ſich keinen deutſchen Dorfſchultheiß denken — operiren ſollte; eben deßwegen reiste der Doktor Steiner mit, denn er war ein Verwandter von Senn, und weil ſich Stilling nicht aufhalten konnte, ſo wollte Steiner etliche Tage da bleiben und die Kur vollenden. Senn iſt ein ehrwuͤrdiger Mann, und ſtille, beſcheidene, chriſtliche Tugend iſt der Hauptzug in ſeinem und ſeiner Familie Charakter.
Mittwoch Morgens, den 22. April, operirte Stilling den Schultheiß Senn und noch eine arme Magd, und reiste dann mit ſeiner Eliſe das ſchoͤne Thal, laͤngs der Aar uͤber Aarburg und Olten herab, und dann den Hauenſtein hinan. Dieſer Berg wuͤrde in Deutſchland ſchon fuͤr einen hohen Berg gelten, hier aber kommt er nicht in Betracht. Oben auf der Hoͤhe iſt der Weg durch einen Felſen gehauen, und wenn man uͤber den Gipfel weg iſt, ſo ſieht man nach Deutſchland hinuͤber; in Nordweſten erſcheinen zweifelhaft die Bogeſiſchen Gebirge, und im Norden bemerkt man den obern Anfang des Schwarzwaldes; dreht man ſich aber um, ſo erſcheint die ganze Alpenkette am ſuͤdoͤſtlichen Horizont.
Nachdem ſie eine Strecke diesſeits herabgefahren waren, ſo kamen ſie vor ein einſames Wirthshaus, aus welchem eine wohlgekleidete artige Frau herausgelaufen kam und ſehr freund- lich fragte: ob Stilling in der Kutſche ſey? Und als ſie
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ling zeichnete und in Kupfer geſtochen hat, und ſonſt noch
einige namhafte Perſonen zeichneten ſich, naͤchſt Lavaters
Familie, Verwandten und Freunden, in Freundſchaftsbezeu-
gungen vorzuͤglich aus.
Dienſtags den 21. April reiste Stilling mit ſeiner Eliſe
nach einem ſehr ruͤhrenden Abſchied von Zuͤrich weg, der
Winterthurer Doktor Steiner, der ihm die Medaille
uͤberreichte, und der junge Freund Kirchhofer, Pfarrer zu
Schlatt, reisten mit.
Daß auch der Zuͤricher Magiſtrat Stillingen in einem
Schreiben dankte, darf nicht vergeſſen werden.
Die Reiſe ging von Zuͤrich uͤber Baden und Lenzburg
nach Zofingen, im Kanton Bern, wo Stilling den
Schultheiß Senn — bei dem Wort Schultheiß darf man
ſich keinen deutſchen Dorfſchultheiß denken — operiren ſollte;
eben deßwegen reiste der Doktor Steiner mit, denn er war
ein Verwandter von Senn, und weil ſich Stilling nicht
aufhalten konnte, ſo wollte Steiner etliche Tage da bleiben
und die Kur vollenden. Senn iſt ein ehrwuͤrdiger Mann,
und ſtille, beſcheidene, chriſtliche Tugend iſt der Hauptzug in
ſeinem und ſeiner Familie Charakter.
Mittwoch Morgens, den 22. April, operirte Stilling
den Schultheiß Senn und noch eine arme Magd, und reiste
dann mit ſeiner Eliſe das ſchoͤne Thal, laͤngs der Aar uͤber
Aarburg und Olten herab, und dann den Hauenſtein
hinan. Dieſer Berg wuͤrde in Deutſchland ſchon fuͤr einen
hohen Berg gelten, hier aber kommt er nicht in Betracht.
Oben auf der Hoͤhe iſt der Weg durch einen Felſen gehauen,
und wenn man uͤber den Gipfel weg iſt, ſo ſieht man nach
Deutſchland hinuͤber; in Nordweſten erſcheinen zweifelhaft
die Bogeſiſchen Gebirge, und im Norden bemerkt man
den obern Anfang des Schwarzwaldes; dreht man ſich aber
um, ſo erſcheint die ganze Alpenkette am ſuͤdoͤſtlichen Horizont.
Nachdem ſie eine Strecke diesſeits herabgefahren waren, ſo
kamen ſie vor ein einſames Wirthshaus, aus welchem eine
wohlgekleidete artige Frau herausgelaufen kam und ſehr freund-
lich fragte: ob Stilling in der Kutſche ſey? Und als ſie
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/544>, abgerufen am 25.11.2024.
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