gentenstand und den Adel so sehr herabzuwürdigen, als nur immer möglich ist. Freilich ist das heut zu Tage auch eben keine sonderliche Empfehlung, wenn man Jemand für einen wahren Christen in altevangelischem Verstand erklärt; aber wenn man doch auch einen Nichtchristen, oder Unchristen schil- dert, so ist das doch noch weniger empfehlend. Der Geist unserer Zeit ist sehr inconsequent. Dann fand Stilling noch drei schätzbare Personen in Büdingen, den verdienst- vollen Inspektor Keller; den Regierungsrath Hedebrand, und den jungen Hofprediger Meister, ein Sohn seines Freun- des in Bremen, von dem er eine meisterhafte und ächt christ- liche Predigt hörte.
Nach einem dreitägigen höchst vergnügten Aufenthalt in Büdingen, reiste Stilling mit einem jungen Herrn von Gräfenmeyer, der auf die Universität Göttingen zie- hen wollte, bis Buzbach. Der Weg führte durch eine mo- rastige und wasserreiche Gegend, welche damals im Ruf der Unsicherheit war; es wurde Vieles von einem Zinngießer oder Kupferschmidt erzählt, welcher der Anführer einer Räuberbande seyn sollte, und in dortiger Gegend zu Hause war. Dieß gab dann auch dem Kutscher und dem Bedienten auf dem Bock reichen Stoff zur Unterhaltung. Nächtliche Einbrüche, Raub-, Mord- und Hinrichtungs-Geschichten mancher Art wur- den sehr ernsthaft und schauerlich erzählt, und dann auch wohl ein wenig mit dichterischem Feuer ausgeschmückt. Dieß ging so fort, bis vor den Florstädter Wald. -- Auf einmal sah der Kutscher den Bedienten sehr bedeutend an, und sagte: Wahrhaftig! da ist er! -- Stilling sahe zum Schlag hinaus, und sah da einen starken, großen und gesetzten Mann, in einem blauen Rock, mit messingnen Knöpfen und dicken Waden, den spitzigen Hut auf einem Ohr, und einen Knoten- stock in der Hand, vorwärts gegen den Wald hinschreiten; der Kutscher drehte sich um, furchtsam und bedeutend lispelte er zur Kutsche hinein: Das ist er!
"Wer?
Ei, der Zinngießer!
"So!
Stillings sämmtl. Schriften. I. Band. 34
gentenſtand und den Adel ſo ſehr herabzuwuͤrdigen, als nur immer moͤglich iſt. Freilich iſt das heut zu Tage auch eben keine ſonderliche Empfehlung, wenn man Jemand fuͤr einen wahren Chriſten in altevangeliſchem Verſtand erklaͤrt; aber wenn man doch auch einen Nichtchriſten, oder Unchriſten ſchil- dert, ſo iſt das doch noch weniger empfehlend. Der Geiſt unſerer Zeit iſt ſehr inconſequent. Dann fand Stilling noch drei ſchaͤtzbare Perſonen in Buͤdingen, den verdienſt- vollen Inſpektor Keller; den Regierungsrath Hedebrand, und den jungen Hofprediger Meiſter, ein Sohn ſeines Freun- des in Bremen, von dem er eine meiſterhafte und aͤcht chriſt- liche Predigt hoͤrte.
Nach einem dreitaͤgigen hoͤchſt vergnuͤgten Aufenthalt in Buͤdingen, reiste Stilling mit einem jungen Herrn von Graͤfenmeyer, der auf die Univerſitaͤt Goͤttingen zie- hen wollte, bis Buzbach. Der Weg fuͤhrte durch eine mo- raſtige und waſſerreiche Gegend, welche damals im Ruf der Unſicherheit war; es wurde Vieles von einem Zinngießer oder Kupferſchmidt erzaͤhlt, welcher der Anfuͤhrer einer Raͤuberbande ſeyn ſollte, und in dortiger Gegend zu Hauſe war. Dieß gab dann auch dem Kutſcher und dem Bedienten auf dem Bock reichen Stoff zur Unterhaltung. Naͤchtliche Einbruͤche, Raub-, Mord- und Hinrichtungs-Geſchichten mancher Art wur- den ſehr ernſthaft und ſchauerlich erzaͤhlt, und dann auch wohl ein wenig mit dichteriſchem Feuer ausgeſchmuͤckt. Dieß ging ſo fort, bis vor den Florſtaͤdter Wald. — Auf einmal ſah der Kutſcher den Bedienten ſehr bedeutend an, und ſagte: Wahrhaftig! da iſt er! — Stilling ſahe zum Schlag hinaus, und ſah da einen ſtarken, großen und geſetzten Mann, in einem blauen Rock, mit meſſingnen Knoͤpfen und dicken Waden, den ſpitzigen Hut auf einem Ohr, und einen Knoten- ſtock in der Hand, vorwaͤrts gegen den Wald hinſchreiten; der Kutſcher drehte ſich um, furchtſam und bedeutend lispelte er zur Kutſche hinein: Das iſt er!
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Ei, der Zinngießer!
„So!
Stillings ſämmtl. Schriften. I. Band. 34
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gentenſtand und den Adel ſo ſehr herabzuwuͤrdigen, als nur
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wahren Chriſten in altevangeliſchem Verſtand erklaͤrt; aber
wenn man doch auch einen Nichtchriſten, oder Unchriſten ſchil-
dert, ſo iſt das doch noch weniger empfehlend. Der Geiſt
unſerer Zeit iſt ſehr inconſequent. Dann fand Stilling
noch drei ſchaͤtzbare Perſonen in Buͤdingen, den verdienſt-
vollen Inſpektor Keller; den Regierungsrath Hedebrand,
und den jungen Hofprediger Meiſter, ein Sohn ſeines Freun-
des in Bremen, von dem er eine meiſterhafte und aͤcht chriſt-
liche Predigt hoͤrte.
Nach einem dreitaͤgigen hoͤchſt vergnuͤgten Aufenthalt in
Buͤdingen, reiste Stilling mit einem jungen Herrn von
Graͤfenmeyer, der auf die Univerſitaͤt Goͤttingen zie-
hen wollte, bis Buzbach. Der Weg fuͤhrte durch eine mo-
raſtige und waſſerreiche Gegend, welche damals im Ruf der
Unſicherheit war; es wurde Vieles von einem Zinngießer oder
Kupferſchmidt erzaͤhlt, welcher der Anfuͤhrer einer Raͤuberbande
ſeyn ſollte, und in dortiger Gegend zu Hauſe war. Dieß
gab dann auch dem Kutſcher und dem Bedienten auf dem
Bock reichen Stoff zur Unterhaltung. Naͤchtliche Einbruͤche,
Raub-, Mord- und Hinrichtungs-Geſchichten mancher Art wur-
den ſehr ernſthaft und ſchauerlich erzaͤhlt, und dann auch wohl
ein wenig mit dichteriſchem Feuer ausgeſchmuͤckt. Dieß ging
ſo fort, bis vor den Florſtaͤdter Wald. — Auf einmal
ſah der Kutſcher den Bedienten ſehr bedeutend an, und ſagte:
Wahrhaftig! da iſt er! — Stilling ſahe zum Schlag
hinaus, und ſah da einen ſtarken, großen und geſetzten Mann,
in einem blauen Rock, mit meſſingnen Knoͤpfen und dicken
Waden, den ſpitzigen Hut auf einem Ohr, und einen Knoten-
ſtock in der Hand, vorwaͤrts gegen den Wald hinſchreiten;
der Kutſcher drehte ſich um, furchtſam und bedeutend lispelte
er zur Kutſche hinein: Das iſt er!
„Wer?
Ei, der Zinngießer!
„So!
Stillings ſämmtl. Schriften. I. Band. 34
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/525>, abgerufen am 25.11.2024.
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