Reise zu beschreiben; er beschloß also diesen Gedanken auszu- führen, und da er erst kürzlich jene humoristischen Bücher ge- lesen, diesen Styl und diese Art des Vortrags zu wählen, und dann seinen Vorrath von Sentenzen überall auf eine schickliche Weise mit einzumischen. Zu dem Titel: das Heim- weh, gab ihm eine Idee Anlaß, die er kurz vorher Jemand in sein Stammbuch geschrieben hatte, nämlich: Selig sind, die das Heimweh haben, denn sie sollen nach Haus kommen! -- denn er urtheilte, daß sich dieser Ti- tel gut zu einem Buch schickte, das die leidensvolle Reise eines Christen nach seiner himmlischen Heimath enthalten sollte.
So vorbereitet, fing nun Stilling an, das Heimweh zu schreiben. Da er aber nicht recht traute, ob es ihm auch in dieser Methode gelingen würde, so las er die ersten sechs Hefte zweien seiner Vertrauten Freunde, Michaelis und Schlar- baum, vor; diesen gefiel der Anfang ausserordentlich, und sie munterten ihn auf, so fortzufahren. Um aber doch sicher zu gehen, so wählte er sieben Männer aus dem Kreis seiner Freunde, die sich alle vierzehn Tage bei ihm versammelten, und denen er dann das binnen der Zeit Geschriebene vorlas, und ihr Urtheil darüber anhörte.
Der Gemüthszustand, in welchen Stilling während dem Ausarbeiten dieses, vier große Octavbände starken, Buchs ver- setzt wurde, ist schlechterdings unbeschreiblich; sein Geist war wie in ätherische Kreise emporgehoben; ihn durchwehte ein Geist der Ruhe und des Friedens, und er genoß eine Wonne, die mit Worten nicht beschrieben werden kann. Wenn er an- fing zu arbeiten, so strahlten Ideen seiner Seele vorüber, die ihn so belebten, daß er kaum so schnell schreiben konnte, als es der Ideengang erforderte; daher kam es auch, daß das ganze Werk eine ganz andere Gestalt, und die Dichtung eine ganz andere Tendenz bekam, als er sie sich im Anfang ge- dacht hatte.
Hierzu kam nun noch eine sonderbare Erscheinung: in dem Zustande zwischen Schlafen und Wachen stellten sich seinem innern Sinn ganz überirdisch schöne, gleichsam paradiesische Landschafts-Aussichten vor -- er versuchte sie zu zeichnen,
Reiſe zu beſchreiben; er beſchloß alſo dieſen Gedanken auszu- fuͤhren, und da er erſt kuͤrzlich jene humoriſtiſchen Buͤcher ge- leſen, dieſen Styl und dieſe Art des Vortrags zu waͤhlen, und dann ſeinen Vorrath von Sentenzen uͤberall auf eine ſchickliche Weiſe mit einzumiſchen. Zu dem Titel: das Heim- weh, gab ihm eine Idee Anlaß, die er kurz vorher Jemand in ſein Stammbuch geſchrieben hatte, naͤmlich: Selig ſind, die das Heimweh haben, denn ſie ſollen nach Haus kommen! — denn er urtheilte, daß ſich dieſer Ti- tel gut zu einem Buch ſchickte, das die leidensvolle Reiſe eines Chriſten nach ſeiner himmliſchen Heimath enthalten ſollte.
So vorbereitet, fing nun Stilling an, das Heimweh zu ſchreiben. Da er aber nicht recht traute, ob es ihm auch in dieſer Methode gelingen wuͤrde, ſo las er die erſten ſechs Hefte zweien ſeiner Vertrauten Freunde, Michaelis und Schlar- baum, vor; dieſen gefiel der Anfang auſſerordentlich, und ſie munterten ihn auf, ſo fortzufahren. Um aber doch ſicher zu gehen, ſo waͤhlte er ſieben Maͤnner aus dem Kreis ſeiner Freunde, die ſich alle vierzehn Tage bei ihm verſammelten, und denen er dann das binnen der Zeit Geſchriebene vorlas, und ihr Urtheil daruͤber anhoͤrte.
Der Gemuͤthszuſtand, in welchen Stilling waͤhrend dem Ausarbeiten dieſes, vier große Octavbaͤnde ſtarken, Buchs ver- ſetzt wurde, iſt ſchlechterdings unbeſchreiblich; ſein Geiſt war wie in aͤtheriſche Kreiſe emporgehoben; ihn durchwehte ein Geiſt der Ruhe und des Friedens, und er genoß eine Wonne, die mit Worten nicht beſchrieben werden kann. Wenn er an- fing zu arbeiten, ſo ſtrahlten Ideen ſeiner Seele voruͤber, die ihn ſo belebten, daß er kaum ſo ſchnell ſchreiben konnte, als es der Ideengang erforderte; daher kam es auch, daß das ganze Werk eine ganz andere Geſtalt, und die Dichtung eine ganz andere Tendenz bekam, als er ſie ſich im Anfang ge- dacht hatte.
Hierzu kam nun noch eine ſonderbare Erſcheinung: in dem Zuſtande zwiſchen Schlafen und Wachen ſtellten ſich ſeinem innern Sinn ganz uͤberirdiſch ſchoͤne, gleichſam paradieſiſche Landſchafts-Ausſichten vor — er verſuchte ſie zu zeichnen,
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Reiſe zu beſchreiben; er beſchloß alſo dieſen Gedanken auszu-
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und dann ſeinen Vorrath von Sentenzen uͤberall auf eine
ſchickliche Weiſe mit einzumiſchen. Zu dem Titel: das Heim-
weh, gab ihm eine Idee Anlaß, die er kurz vorher Jemand
in ſein Stammbuch geſchrieben hatte, naͤmlich: Selig ſind,
die das Heimweh haben, denn ſie ſollen nach
Haus kommen! — denn er urtheilte, daß ſich dieſer Ti-
tel gut zu einem Buch ſchickte, das die leidensvolle Reiſe
eines Chriſten nach ſeiner himmliſchen Heimath enthalten ſollte.
So vorbereitet, fing nun Stilling an, das Heimweh zu
ſchreiben. Da er aber nicht recht traute, ob es ihm auch in
dieſer Methode gelingen wuͤrde, ſo las er die erſten ſechs Hefte
zweien ſeiner Vertrauten Freunde, Michaelis und Schlar-
baum, vor; dieſen gefiel der Anfang auſſerordentlich, und ſie
munterten ihn auf, ſo fortzufahren. Um aber doch ſicher zu
gehen, ſo waͤhlte er ſieben Maͤnner aus dem Kreis ſeiner
Freunde, die ſich alle vierzehn Tage bei ihm verſammelten,
und denen er dann das binnen der Zeit Geſchriebene vorlas,
und ihr Urtheil daruͤber anhoͤrte.
Der Gemuͤthszuſtand, in welchen Stilling waͤhrend dem
Ausarbeiten dieſes, vier große Octavbaͤnde ſtarken, Buchs ver-
ſetzt wurde, iſt ſchlechterdings unbeſchreiblich; ſein Geiſt war
wie in aͤtheriſche Kreiſe emporgehoben; ihn durchwehte ein
Geiſt der Ruhe und des Friedens, und er genoß eine Wonne,
die mit Worten nicht beſchrieben werden kann. Wenn er an-
fing zu arbeiten, ſo ſtrahlten Ideen ſeiner Seele voruͤber, die
ihn ſo belebten, daß er kaum ſo ſchnell ſchreiben konnte, als
es der Ideengang erforderte; daher kam es auch, daß das
ganze Werk eine ganz andere Geſtalt, und die Dichtung eine
ganz andere Tendenz bekam, als er ſie ſich im Anfang ge-
dacht hatte.
Hierzu kam nun noch eine ſonderbare Erſcheinung: in dem
Zuſtande zwiſchen Schlafen und Wachen ſtellten ſich ſeinem
innern Sinn ganz uͤberirdiſch ſchoͤne, gleichſam paradieſiſche
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/492>, abgerufen am 22.11.2024.
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