gang gesehen und seine Grundsätze, die nichts Geringeres, als Verwandlung der christlichen in Naturreligion, und der monar- chischen Staatsverfassung in demokratische Republiken, oder doch wenigstens unvermerkte Leitung der Regenten, zum Zweck hatten, kennen gelernt, und durch wunderbare Leitung der Vor- sehung von Raschmann erfahren, wie weit die Sache schon gediehen sey, und dieß gerade zu der Zeit, als die französische Revolution ausbrach. Er wußte, in wie fern die deutschen Män- ner von diesem Bunde mit den französischen Demagogen im Einverständniß standen, und war also in der gegenwärtigen Zeitgeschichte, und in ihrem Verhältniß zu den biblischen Weis- sagungen hinlänglich orientirt.
Das Resultat von allen diesen Vorstellungen in Stillings Seele war, daß Deutschland für seine Buhlereien mit Frankreich eben durch diese Macht erschrecklich würde ge- züchtiget werden, er sah den großen Kampf vorher, durch den diese Züchtigung ausgeführt werden sollte: denn womit man sündigt, damit wird man gestraft! Und da der Abfall gleichsam mit beschleunigter Bewegung zunahm, so ahnete er auch schon von weitem die allmählige vorbereitende Gründung des Reichs des Menschen der Sünden. Daß dieß Alles seine Richtigkeit habe, nämlich: daß diese Vorstellungen wirklich in Stillings Seele lebten und webten, ehe Jemand an die französische Revolution und ihre Folgen dachte, das bezeugen gewisse Stellen in seinen Schriften, und besonders eine öffent- liche Rede, die er 1786 in der Kurfürstlichen Deutschen Gesellschaft zu Mannheim gehalten hat, die aber aus leicht zu begreifenden Ursachen nicht gedruckt worden ist. Bei allen diesen Ueberzeugungen und Vorstellungen aber hatte er doch nicht gedacht, daß das Gewitter so schnell und so plötz- lich über Deutschland ausbrechen würde -- das vermuthet er wohl, daß die französische Revolution den entfernten Grund zum großen letzten Kampf zwischen Licht und Finsterniß legen würde, aber daß dieser Kampf so nahe sey, das ahnete er nicht: denn es war ihm gar nicht zweifelhaft, daß die vereinigte Macht der deutschen Fürsten in Frankreich siegen würde -- aber jetzt erfuhr er das ganz anders -- es war ihm unbe-
gang geſehen und ſeine Grundſaͤtze, die nichts Geringeres, als Verwandlung der chriſtlichen in Naturreligion, und der monar- chiſchen Staatsverfaſſung in demokratiſche Republiken, oder doch wenigſtens unvermerkte Leitung der Regenten, zum Zweck hatten, kennen gelernt, und durch wunderbare Leitung der Vor- ſehung von Raſchmann erfahren, wie weit die Sache ſchon gediehen ſey, und dieß gerade zu der Zeit, als die franzoͤſiſche Revolution ausbrach. Er wußte, in wie fern die deutſchen Maͤn- ner von dieſem Bunde mit den franzoͤſiſchen Demagogen im Einverſtaͤndniß ſtanden, und war alſo in der gegenwaͤrtigen Zeitgeſchichte, und in ihrem Verhaͤltniß zu den bibliſchen Weiſ- ſagungen hinlaͤnglich orientirt.
Das Reſultat von allen dieſen Vorſtellungen in Stillings Seele war, daß Deutſchland fuͤr ſeine Buhlereien mit Frankreich eben durch dieſe Macht erſchrecklich wuͤrde ge- zuͤchtiget werden, er ſah den großen Kampf vorher, durch den dieſe Zuͤchtigung ausgefuͤhrt werden ſollte: denn womit man ſuͤndigt, damit wird man geſtraft! Und da der Abfall gleichſam mit beſchleunigter Bewegung zunahm, ſo ahnete er auch ſchon von weitem die allmaͤhlige vorbereitende Gruͤndung des Reichs des Menſchen der Suͤnden. Daß dieß Alles ſeine Richtigkeit habe, naͤmlich: daß dieſe Vorſtellungen wirklich in Stillings Seele lebten und webten, ehe Jemand an die franzoͤſiſche Revolution und ihre Folgen dachte, das bezeugen gewiſſe Stellen in ſeinen Schriften, und beſonders eine oͤffent- liche Rede, die er 1786 in der Kurfuͤrſtlichen Deutſchen Geſellſchaft zu Mannheim gehalten hat, die aber aus leicht zu begreifenden Urſachen nicht gedruckt worden iſt. Bei allen dieſen Ueberzeugungen und Vorſtellungen aber hatte er doch nicht gedacht, daß das Gewitter ſo ſchnell und ſo ploͤtz- lich uͤber Deutſchland ausbrechen wuͤrde — das vermuthet er wohl, daß die franzoͤſiſche Revolution den entfernten Grund zum großen letzten Kampf zwiſchen Licht und Finſterniß legen wuͤrde, aber daß dieſer Kampf ſo nahe ſey, das ahnete er nicht: denn es war ihm gar nicht zweifelhaft, daß die vereinigte Macht der deutſchen Fuͤrſten in Frankreich ſiegen wuͤrde — aber jetzt erfuhr er das ganz anders — es war ihm unbe-
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gang geſehen und ſeine Grundſaͤtze, die nichts Geringeres, als
Verwandlung der chriſtlichen in Naturreligion, und der monar-
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doch wenigſtens unvermerkte Leitung der Regenten, zum Zweck
hatten, kennen gelernt, und durch wunderbare Leitung der Vor-
ſehung von Raſchmann erfahren, wie weit die Sache ſchon
gediehen ſey, und dieß gerade zu der Zeit, als die franzoͤſiſche
Revolution ausbrach. Er wußte, in wie fern die deutſchen Maͤn-
ner von dieſem Bunde mit den franzoͤſiſchen Demagogen im
Einverſtaͤndniß ſtanden, und war alſo in der gegenwaͤrtigen
Zeitgeſchichte, und in ihrem Verhaͤltniß zu den bibliſchen Weiſ-
ſagungen hinlaͤnglich orientirt.
Das Reſultat von allen dieſen Vorſtellungen in Stillings
Seele war, daß Deutſchland fuͤr ſeine Buhlereien mit
Frankreich eben durch dieſe Macht erſchrecklich wuͤrde ge-
zuͤchtiget werden, er ſah den großen Kampf vorher, durch den
dieſe Zuͤchtigung ausgefuͤhrt werden ſollte: denn womit man
ſuͤndigt, damit wird man geſtraft! Und da der Abfall
gleichſam mit beſchleunigter Bewegung zunahm, ſo ahnete er
auch ſchon von weitem die allmaͤhlige vorbereitende Gruͤndung
des Reichs des Menſchen der Suͤnden. Daß dieß Alles ſeine
Richtigkeit habe, naͤmlich: daß dieſe Vorſtellungen wirklich in
Stillings Seele lebten und webten, ehe Jemand an die
franzoͤſiſche Revolution und ihre Folgen dachte, das bezeugen
gewiſſe Stellen in ſeinen Schriften, und beſonders eine oͤffent-
liche Rede, die er 1786 in der Kurfuͤrſtlichen Deutſchen
Geſellſchaft zu Mannheim gehalten hat, die aber aus
leicht zu begreifenden Urſachen nicht gedruckt worden iſt. Bei
allen dieſen Ueberzeugungen und Vorſtellungen aber hatte er
doch nicht gedacht, daß das Gewitter ſo ſchnell und ſo ploͤtz-
lich uͤber Deutſchland ausbrechen wuͤrde — das vermuthet er
wohl, daß die franzoͤſiſche Revolution den entfernten Grund
zum großen letzten Kampf zwiſchen Licht und Finſterniß legen
wuͤrde, aber daß dieſer Kampf ſo nahe ſey, das ahnete er
nicht: denn es war ihm gar nicht zweifelhaft, daß die vereinigte
Macht der deutſchen Fuͤrſten in Frankreich ſiegen wuͤrde —
aber jetzt erfuhr er das ganz anders — es war ihm unbe-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/484>, abgerufen am 22.11.2024.
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