seiner Braut und Schwestern neue Kleider auf die Hochzeit zu machen, und sonst mancherlei zu handthieren. Stillings Töchter verlangten solche ebenfalls. Sie probirten öfters ihre neuen Wämmser und Röcke von feinem schwarzen Tuch; die Zeit wurd' ihnen Jahre lang, bis sie sie einmal einen ganzen Tag anhaben konnten.
Endlich brach dann der längst gewünschte Donnerstag an. Alles war den Morgen vor der Sonne in Stillings Hause wach; nur der Alte, der den Abend vorher spät aus dem Wald gekommen war, schlief ruhig, bis es Zeit war, mit den Braut- leuten zur Kirche zu gehen. Nun ging man in geziemter Ord- nung nach Florenburg, allwo die Braut mit ihrem Gefolge schon angekommen war. Die Copulation ging ohne Wider- spruch vor sich, und alle zusammen verfügten sich nun nach Tiefenbach zum Hochzeitmahle. Zwei lange Bretter wa- ren in der Stube neben einander auf hölzerne Böcke gelegt, anstatt des Tisches; Margareth hatte ihre feinsten Tisch- tücher darüber gespreitet, und nun wurden die Speisen aufge- tragen. Die Löffel waren von Ahornholz, schön glatt, mit ausgestochenen Rosen, Blumen und Laubwerk gearbeitet. Die Zulegmesser hatten schöne gelbe hölzerne Stiele; so waren auch die Teller schön rund und glatt vom härtesten weißen Buchen- holz gedrechselt. Das Bier schäumte in weißen steinernen Krü- gen mit blauen Blumen. Doch stellte Margareth auch einem Jeden frei, anstatt des Biers, von ihrem angenehmen Birnmost zu trinken, wenn Jemand dazu Belieben tragen möchte.
Nachdem alle zur Genüge gegessen und getrunken hatten, so wurden vernünftige Gespräche angestellt. Wilhelm aber und seine Braut wollten lieber allein seyn und reden; sie gin- gen daher tief in den Wald hinein. Mit der Entfernung von den Menschen wuchs ihre Liebe. Ach, wären keine Bedürf- nisse des Lebens! keine Kälte, Frost und Nässe, was würde diesem Paar an einer irdischen Seligkeit gemangelt haben? Die beiden alten Väter, die sich indessen mit dem Krug Bier allein gesetzt hatten, verfielen in ein ernstes Gespräch. Stil- ling redete also:
ſeiner Braut und Schweſtern neue Kleider auf die Hochzeit zu machen, und ſonſt mancherlei zu handthieren. Stillings Toͤchter verlangten ſolche ebenfalls. Sie probirten oͤfters ihre neuen Waͤmmſer und Roͤcke von feinem ſchwarzen Tuch; die Zeit wurd’ ihnen Jahre lang, bis ſie ſie einmal einen ganzen Tag anhaben konnten.
Endlich brach dann der laͤngſt gewuͤnſchte Donnerſtag an. Alles war den Morgen vor der Sonne in Stillings Hauſe wach; nur der Alte, der den Abend vorher ſpaͤt aus dem Wald gekommen war, ſchlief ruhig, bis es Zeit war, mit den Braut- leuten zur Kirche zu gehen. Nun ging man in geziemter Ord- nung nach Florenburg, allwo die Braut mit ihrem Gefolge ſchon angekommen war. Die Copulation ging ohne Wider- ſpruch vor ſich, und alle zuſammen verfuͤgten ſich nun nach Tiefenbach zum Hochzeitmahle. Zwei lange Bretter wa- ren in der Stube neben einander auf hoͤlzerne Boͤcke gelegt, anſtatt des Tiſches; Margareth hatte ihre feinſten Tiſch- tuͤcher daruͤber geſpreitet, und nun wurden die Speiſen aufge- tragen. Die Loͤffel waren von Ahornholz, ſchoͤn glatt, mit ausgeſtochenen Roſen, Blumen und Laubwerk gearbeitet. Die Zulegmeſſer hatten ſchoͤne gelbe hoͤlzerne Stiele; ſo waren auch die Teller ſchoͤn rund und glatt vom haͤrteſten weißen Buchen- holz gedrechſelt. Das Bier ſchaͤumte in weißen ſteinernen Kruͤ- gen mit blauen Blumen. Doch ſtellte Margareth auch einem Jeden frei, anſtatt des Biers, von ihrem angenehmen Birnmoſt zu trinken, wenn Jemand dazu Belieben tragen moͤchte.
Nachdem alle zur Genuͤge gegeſſen und getrunken hatten, ſo wurden vernuͤnftige Geſpraͤche angeſtellt. Wilhelm aber und ſeine Braut wollten lieber allein ſeyn und reden; ſie gin- gen daher tief in den Wald hinein. Mit der Entfernung von den Menſchen wuchs ihre Liebe. Ach, waͤren keine Beduͤrf- niſſe des Lebens! keine Kaͤlte, Froſt und Naͤſſe, was wuͤrde dieſem Paar an einer irdiſchen Seligkeit gemangelt haben? Die beiden alten Vaͤter, die ſich indeſſen mit dem Krug Bier allein geſetzt hatten, verfielen in ein ernſtes Geſpraͤch. Stil- ling redete alſo:
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0045"n="37"/>ſeiner Braut und Schweſtern neue Kleider auf die Hochzeit<lb/>
zu machen, und ſonſt mancherlei zu handthieren. <hirendition="#g">Stillings</hi><lb/>
Toͤchter verlangten ſolche ebenfalls. Sie probirten oͤfters ihre<lb/>
neuen Waͤmmſer und Roͤcke von feinem ſchwarzen Tuch; die<lb/>
Zeit wurd’ ihnen Jahre lang, bis ſie ſie einmal einen ganzen<lb/>
Tag anhaben konnten.</p><lb/><p>Endlich brach dann der laͤngſt gewuͤnſchte Donnerſtag an.<lb/>
Alles war den Morgen vor der Sonne in <hirendition="#g">Stillings</hi> Hauſe<lb/>
wach; nur der Alte, der den Abend vorher ſpaͤt aus dem Wald<lb/>
gekommen war, ſchlief ruhig, bis es Zeit war, mit den Braut-<lb/>
leuten zur Kirche zu gehen. Nun ging man in geziemter Ord-<lb/>
nung nach <hirendition="#g">Florenburg</hi>, allwo die Braut mit ihrem Gefolge<lb/>ſchon angekommen war. Die Copulation ging ohne Wider-<lb/>ſpruch vor ſich, und alle zuſammen verfuͤgten ſich nun nach<lb/><hirendition="#g">Tiefenbach</hi> zum Hochzeitmahle. Zwei lange Bretter wa-<lb/>
ren in der Stube neben einander auf hoͤlzerne Boͤcke gelegt,<lb/>
anſtatt des Tiſches; <hirendition="#g">Margareth</hi> hatte ihre feinſten Tiſch-<lb/>
tuͤcher daruͤber geſpreitet, und nun wurden die Speiſen aufge-<lb/>
tragen. Die Loͤffel waren von Ahornholz, ſchoͤn glatt, mit<lb/>
ausgeſtochenen Roſen, Blumen und Laubwerk gearbeitet. Die<lb/>
Zulegmeſſer hatten ſchoͤne gelbe hoͤlzerne Stiele; ſo waren auch<lb/>
die Teller ſchoͤn rund und glatt vom haͤrteſten weißen Buchen-<lb/>
holz gedrechſelt. Das Bier ſchaͤumte in weißen ſteinernen Kruͤ-<lb/>
gen mit blauen Blumen. Doch ſtellte <hirendition="#g">Margareth</hi> auch einem<lb/>
Jeden frei, anſtatt des Biers, von ihrem angenehmen Birnmoſt<lb/>
zu trinken, wenn Jemand dazu Belieben tragen moͤchte.</p><lb/><p>Nachdem alle zur Genuͤge gegeſſen und getrunken hatten,<lb/>ſo wurden vernuͤnftige Geſpraͤche angeſtellt. Wilhelm aber<lb/>
und ſeine Braut wollten lieber allein ſeyn und reden; ſie gin-<lb/>
gen daher tief in den Wald hinein. Mit der Entfernung von<lb/>
den Menſchen wuchs ihre Liebe. Ach, waͤren keine Beduͤrf-<lb/>
niſſe des Lebens! keine Kaͤlte, Froſt und Naͤſſe, was wuͤrde<lb/>
dieſem Paar an einer irdiſchen Seligkeit gemangelt haben?<lb/>
Die beiden alten Vaͤter, die ſich indeſſen mit dem Krug Bier<lb/>
allein geſetzt hatten, verfielen in ein ernſtes Geſpraͤch. <hirendition="#g">Stil-<lb/>
ling</hi> redete alſo:</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[37/0045]
ſeiner Braut und Schweſtern neue Kleider auf die Hochzeit
zu machen, und ſonſt mancherlei zu handthieren. Stillings
Toͤchter verlangten ſolche ebenfalls. Sie probirten oͤfters ihre
neuen Waͤmmſer und Roͤcke von feinem ſchwarzen Tuch; die
Zeit wurd’ ihnen Jahre lang, bis ſie ſie einmal einen ganzen
Tag anhaben konnten.
Endlich brach dann der laͤngſt gewuͤnſchte Donnerſtag an.
Alles war den Morgen vor der Sonne in Stillings Hauſe
wach; nur der Alte, der den Abend vorher ſpaͤt aus dem Wald
gekommen war, ſchlief ruhig, bis es Zeit war, mit den Braut-
leuten zur Kirche zu gehen. Nun ging man in geziemter Ord-
nung nach Florenburg, allwo die Braut mit ihrem Gefolge
ſchon angekommen war. Die Copulation ging ohne Wider-
ſpruch vor ſich, und alle zuſammen verfuͤgten ſich nun nach
Tiefenbach zum Hochzeitmahle. Zwei lange Bretter wa-
ren in der Stube neben einander auf hoͤlzerne Boͤcke gelegt,
anſtatt des Tiſches; Margareth hatte ihre feinſten Tiſch-
tuͤcher daruͤber geſpreitet, und nun wurden die Speiſen aufge-
tragen. Die Loͤffel waren von Ahornholz, ſchoͤn glatt, mit
ausgeſtochenen Roſen, Blumen und Laubwerk gearbeitet. Die
Zulegmeſſer hatten ſchoͤne gelbe hoͤlzerne Stiele; ſo waren auch
die Teller ſchoͤn rund und glatt vom haͤrteſten weißen Buchen-
holz gedrechſelt. Das Bier ſchaͤumte in weißen ſteinernen Kruͤ-
gen mit blauen Blumen. Doch ſtellte Margareth auch einem
Jeden frei, anſtatt des Biers, von ihrem angenehmen Birnmoſt
zu trinken, wenn Jemand dazu Belieben tragen moͤchte.
Nachdem alle zur Genuͤge gegeſſen und getrunken hatten,
ſo wurden vernuͤnftige Geſpraͤche angeſtellt. Wilhelm aber
und ſeine Braut wollten lieber allein ſeyn und reden; ſie gin-
gen daher tief in den Wald hinein. Mit der Entfernung von
den Menſchen wuchs ihre Liebe. Ach, waͤren keine Beduͤrf-
niſſe des Lebens! keine Kaͤlte, Froſt und Naͤſſe, was wuͤrde
dieſem Paar an einer irdiſchen Seligkeit gemangelt haben?
Die beiden alten Vaͤter, die ſich indeſſen mit dem Krug Bier
allein geſetzt hatten, verfielen in ein ernſtes Geſpraͤch. Stil-
ling redete alſo:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/45>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.