stand, und wie oft er mit ihm zu Abend speisen mußte. Die Sache lief am Ende dahin aus, daß der Jäger bei der Wie- derkunft des Junkers abgesetzt, Moritzen aber zwanzig Tha- ler für seine Schmerzen ausgezahlt wurden. Was ihnen noch schneller durchhalf, war, daß der ganze Platz vor dem Hause voller Bauern stand, welche Tabak rauchten, und sich mit dem Zusehen belustigten; und es nur darauf ankam, daß ei- ner unter ihnen die Frage aufwarf, ob nicht durch diesen Vor- fall Eingriff in ihre Freiheit geschehen sey? Plötzlich würden hundert Fäuste bereit gewesen seyn, ihre christliche Liebe ge- gen Moritzen auf den Nacken Jostens und seiner Gefährten zu beweisen. Auch war der Wirth eine feige Memme, der oft Ohrfeigen von seiner Frau verschlucken mußte; und end- lich muß ich noch hinzufügen, der alte Stilling und seine Söhne hatten sich durch ihre ernste und abgesonderte Auffüh- rung eine solche Hochachtung erworben, daß fast Niemand das Herz hatte, in ihrer Gegenwart nur zu scherzen; wozu noch kommt, was ich oben schon berührt, daß Johann Stil- ling bei dem Junker in großer Gnade stand. Nun wieder zur Geschichte.
Der alte Moritz wurde in wenig Tagen wieder besser, und man vergaß diese verdrießliche Sache um so eher, weil man sich mit viel vergnügteren Dingen beschäftigte, nämlich mit den Zurüstungen zur Hochzeit, welche der alte Stilling und seine Margarethe ein für allemal in ihrem Hause haben wollten. Sie mästeten ein paar Hühner zu Suppen, und ein fettes Milchkalb wurde dazu bestimmt, auf großen irde- nen Schüsseln gebraten zu werden; gebackene Pflaumen die Menge, und Reis zu Breien, nebst Rosinen und Korinthen in die Hühnersuppen, wurden im Ueberfluß angeschafft. Der alte Stilling hat sich wohl verlauten lassen, daß ihn diese Hochzeit, nur allen an Speisen und Viktualien bei zehen Reichs- thaler gekostet habe. Dem sey aber wie ihm wolle, alles war doch aufgeräumt. Wilhelm hatte für die Zeit die Schule ausgesetzt; denn in solchen Zeiten ist man zu keinem Berufs- geschäfte aufgelegt. Auch brauchte er die Tage nothwendig,
ſtand, und wie oft er mit ihm zu Abend ſpeiſen mußte. Die Sache lief am Ende dahin aus, daß der Jaͤger bei der Wie- derkunft des Junkers abgeſetzt, Moritzen aber zwanzig Tha- ler fuͤr ſeine Schmerzen ausgezahlt wurden. Was ihnen noch ſchneller durchhalf, war, daß der ganze Platz vor dem Hauſe voller Bauern ſtand, welche Tabak rauchten, und ſich mit dem Zuſehen beluſtigten; und es nur darauf ankam, daß ei- ner unter ihnen die Frage aufwarf, ob nicht durch dieſen Vor- fall Eingriff in ihre Freiheit geſchehen ſey? Ploͤtzlich wuͤrden hundert Faͤuſte bereit geweſen ſeyn, ihre chriſtliche Liebe ge- gen Moritzen auf den Nacken Joſtens und ſeiner Gefaͤhrten zu beweiſen. Auch war der Wirth eine feige Memme, der oft Ohrfeigen von ſeiner Frau verſchlucken mußte; und end- lich muß ich noch hinzufuͤgen, der alte Stilling und ſeine Soͤhne hatten ſich durch ihre ernſte und abgeſonderte Auffuͤh- rung eine ſolche Hochachtung erworben, daß faſt Niemand das Herz hatte, in ihrer Gegenwart nur zu ſcherzen; wozu noch kommt, was ich oben ſchon beruͤhrt, daß Johann Stil- ling bei dem Junker in großer Gnade ſtand. Nun wieder zur Geſchichte.
Der alte Moritz wurde in wenig Tagen wieder beſſer, und man vergaß dieſe verdrießliche Sache um ſo eher, weil man ſich mit viel vergnuͤgteren Dingen beſchaͤftigte, naͤmlich mit den Zuruͤſtungen zur Hochzeit, welche der alte Stilling und ſeine Margarethe ein fuͤr allemal in ihrem Hauſe haben wollten. Sie maͤſteten ein paar Huͤhner zu Suppen, und ein fettes Milchkalb wurde dazu beſtimmt, auf großen irde- nen Schuͤſſeln gebraten zu werden; gebackene Pflaumen die Menge, und Reis zu Breien, nebſt Roſinen und Korinthen in die Huͤhnerſuppen, wurden im Ueberfluß angeſchafft. Der alte Stilling hat ſich wohl verlauten laſſen, daß ihn dieſe Hochzeit, nur allen an Speiſen und Viktualien bei zehen Reichs- thaler gekoſtet habe. Dem ſey aber wie ihm wolle, alles war doch aufgeraͤumt. Wilhelm hatte fuͤr die Zeit die Schule ausgeſetzt; denn in ſolchen Zeiten iſt man zu keinem Berufs- geſchaͤfte aufgelegt. Auch brauchte er die Tage nothwendig,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0044"n="36"/>ſtand, und wie oft er mit ihm zu Abend ſpeiſen mußte. Die<lb/>
Sache lief am Ende dahin aus, daß der Jaͤger bei der Wie-<lb/>
derkunft des Junkers abgeſetzt, <hirendition="#g">Moritzen</hi> aber zwanzig Tha-<lb/>
ler fuͤr ſeine Schmerzen ausgezahlt wurden. Was ihnen noch<lb/>ſchneller durchhalf, war, daß der ganze Platz vor dem Hauſe<lb/>
voller Bauern ſtand, welche Tabak rauchten, und ſich mit<lb/>
dem Zuſehen beluſtigten; und es nur darauf ankam, daß ei-<lb/>
ner unter ihnen die Frage aufwarf, ob nicht durch dieſen Vor-<lb/>
fall Eingriff in ihre Freiheit geſchehen ſey? Ploͤtzlich wuͤrden<lb/>
hundert Faͤuſte bereit geweſen ſeyn, ihre chriſtliche Liebe ge-<lb/>
gen Moritzen auf den Nacken Joſtens und ſeiner Gefaͤhrten<lb/>
zu beweiſen. Auch war der Wirth eine feige Memme, der<lb/>
oft Ohrfeigen von ſeiner Frau verſchlucken mußte; und end-<lb/>
lich muß ich noch hinzufuͤgen, der alte <hirendition="#g">Stilling</hi> und ſeine<lb/>
Soͤhne hatten ſich durch ihre ernſte und abgeſonderte Auffuͤh-<lb/>
rung eine ſolche Hochachtung erworben, daß faſt Niemand<lb/>
das Herz hatte, in ihrer Gegenwart nur zu ſcherzen; wozu<lb/>
noch kommt, was ich oben ſchon beruͤhrt, daß <hirendition="#g">Johann Stil-<lb/>
ling</hi> bei dem Junker in großer Gnade ſtand. Nun wieder<lb/>
zur Geſchichte.</p><lb/><p>Der alte <hirendition="#g">Moritz</hi> wurde in wenig Tagen wieder beſſer, und<lb/>
man vergaß dieſe verdrießliche Sache um ſo eher, weil man<lb/>ſich mit viel vergnuͤgteren Dingen beſchaͤftigte, naͤmlich mit<lb/>
den Zuruͤſtungen zur Hochzeit, welche der alte <hirendition="#g">Stilling</hi> und<lb/>ſeine <hirendition="#g">Margarethe</hi> ein fuͤr allemal in ihrem Hauſe haben<lb/>
wollten. Sie maͤſteten ein paar Huͤhner zu Suppen, und<lb/>
ein fettes Milchkalb wurde dazu beſtimmt, auf großen irde-<lb/>
nen Schuͤſſeln gebraten zu werden; gebackene Pflaumen die<lb/>
Menge, und Reis zu Breien, nebſt Roſinen und Korinthen<lb/>
in die Huͤhnerſuppen, wurden im Ueberfluß angeſchafft. Der<lb/>
alte <hirendition="#g">Stilling</hi> hat ſich wohl verlauten laſſen, daß ihn dieſe<lb/>
Hochzeit, nur allen an Speiſen und Viktualien bei zehen Reichs-<lb/>
thaler gekoſtet habe. Dem ſey aber wie ihm wolle, alles war<lb/>
doch aufgeraͤumt. <hirendition="#g">Wilhelm</hi> hatte fuͤr die Zeit die Schule<lb/>
ausgeſetzt; denn in <hirendition="#g">ſolchen</hi> Zeiten iſt man zu keinem Berufs-<lb/>
geſchaͤfte aufgelegt. Auch brauchte er die Tage nothwendig,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[36/0044]
ſtand, und wie oft er mit ihm zu Abend ſpeiſen mußte. Die
Sache lief am Ende dahin aus, daß der Jaͤger bei der Wie-
derkunft des Junkers abgeſetzt, Moritzen aber zwanzig Tha-
ler fuͤr ſeine Schmerzen ausgezahlt wurden. Was ihnen noch
ſchneller durchhalf, war, daß der ganze Platz vor dem Hauſe
voller Bauern ſtand, welche Tabak rauchten, und ſich mit
dem Zuſehen beluſtigten; und es nur darauf ankam, daß ei-
ner unter ihnen die Frage aufwarf, ob nicht durch dieſen Vor-
fall Eingriff in ihre Freiheit geſchehen ſey? Ploͤtzlich wuͤrden
hundert Faͤuſte bereit geweſen ſeyn, ihre chriſtliche Liebe ge-
gen Moritzen auf den Nacken Joſtens und ſeiner Gefaͤhrten
zu beweiſen. Auch war der Wirth eine feige Memme, der
oft Ohrfeigen von ſeiner Frau verſchlucken mußte; und end-
lich muß ich noch hinzufuͤgen, der alte Stilling und ſeine
Soͤhne hatten ſich durch ihre ernſte und abgeſonderte Auffuͤh-
rung eine ſolche Hochachtung erworben, daß faſt Niemand
das Herz hatte, in ihrer Gegenwart nur zu ſcherzen; wozu
noch kommt, was ich oben ſchon beruͤhrt, daß Johann Stil-
ling bei dem Junker in großer Gnade ſtand. Nun wieder
zur Geſchichte.
Der alte Moritz wurde in wenig Tagen wieder beſſer, und
man vergaß dieſe verdrießliche Sache um ſo eher, weil man
ſich mit viel vergnuͤgteren Dingen beſchaͤftigte, naͤmlich mit
den Zuruͤſtungen zur Hochzeit, welche der alte Stilling und
ſeine Margarethe ein fuͤr allemal in ihrem Hauſe haben
wollten. Sie maͤſteten ein paar Huͤhner zu Suppen, und
ein fettes Milchkalb wurde dazu beſtimmt, auf großen irde-
nen Schuͤſſeln gebraten zu werden; gebackene Pflaumen die
Menge, und Reis zu Breien, nebſt Roſinen und Korinthen
in die Huͤhnerſuppen, wurden im Ueberfluß angeſchafft. Der
alte Stilling hat ſich wohl verlauten laſſen, daß ihn dieſe
Hochzeit, nur allen an Speiſen und Viktualien bei zehen Reichs-
thaler gekoſtet habe. Dem ſey aber wie ihm wolle, alles war
doch aufgeraͤumt. Wilhelm hatte fuͤr die Zeit die Schule
ausgeſetzt; denn in ſolchen Zeiten iſt man zu keinem Berufs-
geſchaͤfte aufgelegt. Auch brauchte er die Tage nothwendig,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/44>, abgerufen am 24.08.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.