auf die neue Verbindung herab, die Sie heute mit der Er- wählten Ihres Herzens eingehen.
"Heil und Segen Gottes über Sie, liebenswürdige Jung- fer Braut! der Freund Ihres Herzens ist der Gatte Ihrer Wahl, Ihrer ganzen Hochachtung, Ihrer zärtlichsten Zunei- gung würdig; getrost dürfen Sie sich in seine nach Ihnen ausgestreckten Arme werfen, ohne Besorgniß von ihm erwarten, was die vollkommenste Freundschaft, eheliche Liebe und unver- brüchliche Treue zu geben vermag. Wer Gott fürchtet, erfül- let Gelübde und hält Bund bis auf den Tod; wer durch ein- same und rauhe Wege gegangen ist, dem ist warme Herzens- freundschaft, was der Labetrunk dem Wanderer ist, der nach durchirrten dürren Einöden eine beschattete Quelle findet; mit innigstem Dankgefühl nähert er sich der Quelle, und heilig ist ihm jeder Wassertropfen, der Erquickung in sein schmachten- des Herz gießt.
"Gott, du erhörest unser Gebet, und segnest sie, die deine Hand zusammengeführt hat, und segnest sie mit allen Freu- den einer reinen und dem Tod unzerstörbaren Liebe! Amen!"
Darauf erfolgte nun die priesterliche Einsegnung: Stil- lings und Selma's Herzen und Hände wurden unzertrenn- lich mit einander vereinigt, und der Allmächtige gab seinen gnädigen Segen zu dieser Verbindung. Herr Schmerz nahm vielen Antheil an dieser freudigen Begebenheit, er veranstaltete das Hochzeitmahl und bewirthete das Brautpaar mit den Freun- den, die ihm beiwohnten, des Mittags und des Abends.
Auch den andern Tag wollte Schmerz durch eine Lust- reise ins Rheingau feierlich machen: es wurden zwei Kut- schen bestellt, in der einen fuhr Madame Schmerz, die Tante und Selma, in der andern er selbst, der Herr Inspektor W.... und Stilling; der Weg ging von Kreuznach auf Bingen, dort fuhren sie über den Rhein, dann auf Gei- senheim, um den Gräflich Osteinischen Pallast zu bese- hen, und dann gegen Bingen über auf den Niederwald, welcher auch dem Herren Grafen von Ostein gehört, und auf die Art eines englischen Parks eingerichtet ist. Die ganze Reise war bezaubernd, allenthalben fanden sich Gegenstände,
auf die neue Verbindung herab, die Sie heute mit der Er- waͤhlten Ihres Herzens eingehen.
„Heil und Segen Gottes uͤber Sie, liebenswuͤrdige Jung- fer Braut! der Freund Ihres Herzens iſt der Gatte Ihrer Wahl, Ihrer ganzen Hochachtung, Ihrer zaͤrtlichſten Zunei- gung wuͤrdig; getroſt duͤrfen Sie ſich in ſeine nach Ihnen ausgeſtreckten Arme werfen, ohne Beſorgniß von ihm erwarten, was die vollkommenſte Freundſchaft, eheliche Liebe und unver- bruͤchliche Treue zu geben vermag. Wer Gott fuͤrchtet, erfuͤl- let Geluͤbde und haͤlt Bund bis auf den Tod; wer durch ein- ſame und rauhe Wege gegangen iſt, dem iſt warme Herzens- freundſchaft, was der Labetrunk dem Wanderer iſt, der nach durchirrten duͤrren Einoͤden eine beſchattete Quelle findet; mit innigſtem Dankgefuͤhl naͤhert er ſich der Quelle, und heilig iſt ihm jeder Waſſertropfen, der Erquickung in ſein ſchmachten- des Herz gießt.
„Gott, du erhoͤreſt unſer Gebet, und ſegneſt ſie, die deine Hand zuſammengefuͤhrt hat, und ſegneſt ſie mit allen Freu- den einer reinen und dem Tod unzerſtoͤrbaren Liebe! Amen!“
Darauf erfolgte nun die prieſterliche Einſegnung: Stil- lings und Selma’s Herzen und Haͤnde wurden unzertrenn- lich mit einander vereinigt, und der Allmaͤchtige gab ſeinen gnaͤdigen Segen zu dieſer Verbindung. Herr Schmerz nahm vielen Antheil an dieſer freudigen Begebenheit, er veranſtaltete das Hochzeitmahl und bewirthete das Brautpaar mit den Freun- den, die ihm beiwohnten, des Mittags und des Abends.
Auch den andern Tag wollte Schmerz durch eine Luſt- reiſe ins Rheingau feierlich machen: es wurden zwei Kut- ſchen beſtellt, in der einen fuhr Madame Schmerz, die Tante und Selma, in der andern er ſelbſt, der Herr Inſpektor W.... und Stilling; der Weg ging von Kreuznach auf Bingen, dort fuhren ſie uͤber den Rhein, dann auf Gei- ſenheim, um den Graͤflich Oſteiniſchen Pallaſt zu beſe- hen, und dann gegen Bingen uͤber auf den Niederwald, welcher auch dem Herren Grafen von Oſtein gehoͤrt, und auf die Art eines engliſchen Parks eingerichtet iſt. Die ganze Reiſe war bezaubernd, allenthalben fanden ſich Gegenſtaͤnde,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0424"n="416"/>
auf die neue Verbindung herab, die Sie heute mit der Er-<lb/>
waͤhlten Ihres Herzens eingehen.</p><lb/><p>„Heil und Segen Gottes uͤber Sie, liebenswuͤrdige Jung-<lb/>
fer Braut! der Freund Ihres Herzens iſt der Gatte Ihrer<lb/>
Wahl, Ihrer ganzen Hochachtung, Ihrer zaͤrtlichſten Zunei-<lb/>
gung wuͤrdig; getroſt duͤrfen Sie ſich in ſeine nach Ihnen<lb/>
ausgeſtreckten Arme werfen, ohne Beſorgniß von ihm erwarten,<lb/>
was die vollkommenſte Freundſchaft, eheliche Liebe und unver-<lb/>
bruͤchliche Treue zu geben vermag. Wer Gott fuͤrchtet, erfuͤl-<lb/>
let Geluͤbde und haͤlt Bund bis auf den Tod; wer durch ein-<lb/>ſame und rauhe Wege gegangen iſt, dem iſt warme Herzens-<lb/>
freundſchaft, was der Labetrunk dem Wanderer iſt, der nach<lb/>
durchirrten duͤrren Einoͤden eine beſchattete Quelle findet; mit<lb/>
innigſtem Dankgefuͤhl naͤhert er ſich der Quelle, und heilig iſt<lb/>
ihm jeder Waſſertropfen, der Erquickung in ſein ſchmachten-<lb/>
des Herz gießt.</p><lb/><p>„Gott, du erhoͤreſt unſer Gebet, und ſegneſt ſie, die <hirendition="#g">deine</hi><lb/>
Hand zuſammengefuͤhrt hat, und ſegneſt ſie mit allen Freu-<lb/>
den einer reinen und dem Tod unzerſtoͤrbaren Liebe! Amen!“</p><lb/><p>Darauf erfolgte nun die prieſterliche Einſegnung: <hirendition="#g">Stil-<lb/>
lings</hi> und <hirendition="#g">Selma’s</hi> Herzen und Haͤnde wurden unzertrenn-<lb/>
lich mit einander vereinigt, und der Allmaͤchtige gab ſeinen<lb/>
gnaͤdigen Segen zu dieſer Verbindung. Herr <hirendition="#g">Schmerz</hi> nahm<lb/>
vielen Antheil an dieſer freudigen Begebenheit, er veranſtaltete<lb/>
das Hochzeitmahl und bewirthete das Brautpaar mit den Freun-<lb/>
den, die ihm beiwohnten, des Mittags und des Abends.</p><lb/><p>Auch den andern Tag wollte <hirendition="#g">Schmerz</hi> durch eine Luſt-<lb/>
reiſe ins <hirendition="#g">Rheingau</hi> feierlich machen: es wurden zwei Kut-<lb/>ſchen beſtellt, in der einen fuhr Madame <hirendition="#g">Schmerz</hi>, die Tante<lb/>
und <hirendition="#g">Selma</hi>, in der andern er ſelbſt, der Herr Inſpektor<lb/>
W.... und <hirendition="#g">Stilling</hi>; der Weg ging von <hirendition="#g">Kreuznach</hi> auf<lb/><hirendition="#g">Bingen</hi>, dort fuhren ſie uͤber den <hirendition="#g">Rhein</hi>, dann auf <hirendition="#g">Gei-<lb/>ſenheim</hi>, um den Graͤflich <hirendition="#g">Oſteiniſchen</hi> Pallaſt zu beſe-<lb/>
hen, und dann gegen <hirendition="#g">Bingen</hi> uͤber auf den <hirendition="#g">Niederwald</hi>,<lb/>
welcher auch dem Herren Grafen von <hirendition="#g">Oſtein</hi> gehoͤrt, und auf<lb/>
die Art eines engliſchen Parks eingerichtet iſt. Die ganze<lb/>
Reiſe war bezaubernd, allenthalben fanden ſich Gegenſtaͤnde,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[416/0424]
auf die neue Verbindung herab, die Sie heute mit der Er-
waͤhlten Ihres Herzens eingehen.
„Heil und Segen Gottes uͤber Sie, liebenswuͤrdige Jung-
fer Braut! der Freund Ihres Herzens iſt der Gatte Ihrer
Wahl, Ihrer ganzen Hochachtung, Ihrer zaͤrtlichſten Zunei-
gung wuͤrdig; getroſt duͤrfen Sie ſich in ſeine nach Ihnen
ausgeſtreckten Arme werfen, ohne Beſorgniß von ihm erwarten,
was die vollkommenſte Freundſchaft, eheliche Liebe und unver-
bruͤchliche Treue zu geben vermag. Wer Gott fuͤrchtet, erfuͤl-
let Geluͤbde und haͤlt Bund bis auf den Tod; wer durch ein-
ſame und rauhe Wege gegangen iſt, dem iſt warme Herzens-
freundſchaft, was der Labetrunk dem Wanderer iſt, der nach
durchirrten duͤrren Einoͤden eine beſchattete Quelle findet; mit
innigſtem Dankgefuͤhl naͤhert er ſich der Quelle, und heilig iſt
ihm jeder Waſſertropfen, der Erquickung in ſein ſchmachten-
des Herz gießt.
„Gott, du erhoͤreſt unſer Gebet, und ſegneſt ſie, die deine
Hand zuſammengefuͤhrt hat, und ſegneſt ſie mit allen Freu-
den einer reinen und dem Tod unzerſtoͤrbaren Liebe! Amen!“
Darauf erfolgte nun die prieſterliche Einſegnung: Stil-
lings und Selma’s Herzen und Haͤnde wurden unzertrenn-
lich mit einander vereinigt, und der Allmaͤchtige gab ſeinen
gnaͤdigen Segen zu dieſer Verbindung. Herr Schmerz nahm
vielen Antheil an dieſer freudigen Begebenheit, er veranſtaltete
das Hochzeitmahl und bewirthete das Brautpaar mit den Freun-
den, die ihm beiwohnten, des Mittags und des Abends.
Auch den andern Tag wollte Schmerz durch eine Luſt-
reiſe ins Rheingau feierlich machen: es wurden zwei Kut-
ſchen beſtellt, in der einen fuhr Madame Schmerz, die Tante
und Selma, in der andern er ſelbſt, der Herr Inſpektor
W.... und Stilling; der Weg ging von Kreuznach auf
Bingen, dort fuhren ſie uͤber den Rhein, dann auf Gei-
ſenheim, um den Graͤflich Oſteiniſchen Pallaſt zu beſe-
hen, und dann gegen Bingen uͤber auf den Niederwald,
welcher auch dem Herren Grafen von Oſtein gehoͤrt, und auf
die Art eines engliſchen Parks eingerichtet iſt. Die ganze
Reiſe war bezaubernd, allenthalben fanden ſich Gegenſtaͤnde,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/424>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.