"S.... meine Aufwartung zu machen, und da nun unsere "artige Tischgesellschafterin, die Mademoiselle von St. Flo- "rintin (hier spitzte Stilling die Ohren gewaltig) hörte, "daß ich diesen Abend wieder hieher zurückführe, so ersuchte "sie mich, sie mitzunehmen, weil sie gerne ihren Bruder, den "Herrn Consulenten, besuchen möchte. Diese Gesellschaft war "mir sehr angenehm, sie fuhr also diesen Morgen mit mir "nach S...., ging dann zu ihrem Bruder, und ich zur Frau "von la Roche. Des Mittags über Tisch ließ sie mir sagen, "sie ginge mit ihrem Bruder des Weges nach Reichenburg "spazieren, in einem gewissen Dorf wolle sie auf die Kutsche "warten, ich möchte also da anhalten, und sie wieder mitneh- "men. Ich sagte das auch dem Kutscher, der aber vergißt "es, und nimmt einen andern Weg, folglich müssen wir nun "jetzt ihre Gesellschaft entbehren."
Nun wurde noch vieles zu Selma's Ruhm gesprochen, so daß Stilling genug zu hören hatte; jetzt wußte er, was er wissen mußte, sein Gegenstand war in S....; er machte sich also so geschwind als er konnte auf sein Zimmer, nicht zu schlafen, sondern um zu denken; denn er überlegte nun, ob es vielleicht ein Wink der Vorsehung sey, daß er sie nicht angetroffen habe, um ihn wieder von ihr abzuziehen? Er quälte sich die ganze Nacht mit diesem Gedanken, und wußte nicht, ob er geraden Weges wieder nach Hause zurückkehren, oder erst nach S.... gehen sollte, um vorher mit der Frau von la Roche zu sprechen. Endlich behielt letzter Entschluß die Oberhand; er stand also des Morgens um vier Uhr auf, zahlte seine Zeche, und ging zu Fuß nach S...., wo er also den 25sten Junius 1782 des Morgens um acht Uhr ankam.
So wie er zur Frau von la Roche ins Zimmer trat, schlug diese die Hände zusammen, und rief ihm mit ihrer unaus- sprechlich holden Miene entgegen: Ei, Stilling! wo kommst Du her? -- Stilling versetzte: Sie haben mich nach Rei- chenburg gewiesen, da ist aber Selma nicht, sie ist hier. --
"Hier ist Selma? -- wie geht das zu?"
Nun erzählte er ihr den ganzen Hergang.
"Stilling! das ist vortrefflich -- das ist ein Wink der
„S.... meine Aufwartung zu machen, und da nun unſere „artige Tiſchgeſellſchafterin, die Mademoiſelle von St. Flo- „rintin (hier ſpitzte Stilling die Ohren gewaltig) hoͤrte, „daß ich dieſen Abend wieder hieher zuruͤckfuͤhre, ſo erſuchte „ſie mich, ſie mitzunehmen, weil ſie gerne ihren Bruder, den „Herrn Conſulenten, beſuchen moͤchte. Dieſe Geſellſchaft war „mir ſehr angenehm, ſie fuhr alſo dieſen Morgen mit mir „nach S...., ging dann zu ihrem Bruder, und ich zur Frau „von la Roche. Des Mittags uͤber Tiſch ließ ſie mir ſagen, „ſie ginge mit ihrem Bruder des Weges nach Reichenburg „ſpazieren, in einem gewiſſen Dorf wolle ſie auf die Kutſche „warten, ich moͤchte alſo da anhalten, und ſie wieder mitneh- „men. Ich ſagte das auch dem Kutſcher, der aber vergißt „es, und nimmt einen andern Weg, folglich muͤſſen wir nun „jetzt ihre Geſellſchaft entbehren.“
Nun wurde noch vieles zu Selma’s Ruhm geſprochen, ſo daß Stilling genug zu hoͤren hatte; jetzt wußte er, was er wiſſen mußte, ſein Gegenſtand war in S....; er machte ſich alſo ſo geſchwind als er konnte auf ſein Zimmer, nicht zu ſchlafen, ſondern um zu denken; denn er uͤberlegte nun, ob es vielleicht ein Wink der Vorſehung ſey, daß er ſie nicht angetroffen habe, um ihn wieder von ihr abzuziehen? Er quaͤlte ſich die ganze Nacht mit dieſem Gedanken, und wußte nicht, ob er geraden Weges wieder nach Hauſe zuruͤckkehren, oder erſt nach S.... gehen ſollte, um vorher mit der Frau von la Roche zu ſprechen. Endlich behielt letzter Entſchluß die Oberhand; er ſtand alſo des Morgens um vier Uhr auf, zahlte ſeine Zeche, und ging zu Fuß nach S...., wo er alſo den 25ſten Junius 1782 des Morgens um acht Uhr ankam.
So wie er zur Frau von la Roche ins Zimmer trat, ſchlug dieſe die Haͤnde zuſammen, und rief ihm mit ihrer unaus- ſprechlich holden Miene entgegen: Ei, Stilling! wo kommſt Du her? — Stilling verſetzte: Sie haben mich nach Rei- chenburg gewieſen, da iſt aber Selma nicht, ſie iſt hier. —
„Hier iſt Selma? — wie geht das zu?“
Nun erzaͤhlte er ihr den ganzen Hergang.
„Stilling! das iſt vortrefflich — das iſt ein Wink der
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„S.... meine Aufwartung zu machen, und da nun unſere
„artige Tiſchgeſellſchafterin, die Mademoiſelle von St. Flo-
„rintin (hier ſpitzte Stilling die Ohren gewaltig) hoͤrte,
„daß ich dieſen Abend wieder hieher zuruͤckfuͤhre, ſo erſuchte
„ſie mich, ſie mitzunehmen, weil ſie gerne ihren Bruder, den
„Herrn Conſulenten, beſuchen moͤchte. Dieſe Geſellſchaft war
„mir ſehr angenehm, ſie fuhr alſo dieſen Morgen mit mir
„nach S...., ging dann zu ihrem Bruder, und ich zur Frau
„von la Roche. Des Mittags uͤber Tiſch ließ ſie mir ſagen,
„ſie ginge mit ihrem Bruder des Weges nach Reichenburg
„ſpazieren, in einem gewiſſen Dorf wolle ſie auf die Kutſche
„warten, ich moͤchte alſo da anhalten, und ſie wieder mitneh-
„men. Ich ſagte das auch dem Kutſcher, der aber vergißt
„es, und nimmt einen andern Weg, folglich muͤſſen wir nun
„jetzt ihre Geſellſchaft entbehren.“
Nun wurde noch vieles zu Selma’s Ruhm geſprochen,
ſo daß Stilling genug zu hoͤren hatte; jetzt wußte er, was
er wiſſen mußte, ſein Gegenſtand war in S....; er machte
ſich alſo ſo geſchwind als er konnte auf ſein Zimmer, nicht
zu ſchlafen, ſondern um zu denken; denn er uͤberlegte nun,
ob es vielleicht ein Wink der Vorſehung ſey, daß er ſie nicht
angetroffen habe, um ihn wieder von ihr abzuziehen? Er
quaͤlte ſich die ganze Nacht mit dieſem Gedanken, und wußte
nicht, ob er geraden Weges wieder nach Hauſe zuruͤckkehren,
oder erſt nach S.... gehen ſollte, um vorher mit der Frau
von la Roche zu ſprechen. Endlich behielt letzter Entſchluß
die Oberhand; er ſtand alſo des Morgens um vier Uhr auf,
zahlte ſeine Zeche, und ging zu Fuß nach S...., wo er alſo
den 25ſten Junius 1782 des Morgens um acht Uhr ankam.
So wie er zur Frau von la Roche ins Zimmer trat, ſchlug
dieſe die Haͤnde zuſammen, und rief ihm mit ihrer unaus-
ſprechlich holden Miene entgegen: Ei, Stilling! wo kommſt
Du her? — Stilling verſetzte: Sie haben mich nach Rei-
chenburg gewieſen, da iſt aber Selma nicht, ſie iſt hier. —
„Hier iſt Selma? — wie geht das zu?“
Nun erzaͤhlte er ihr den ganzen Hergang.
„Stilling! das iſt vortrefflich — das iſt ein Wink der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/406>, abgerufen am 25.11.2024.
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