du noch, was ich dir zur Antwort gab, in unsern Brautta- gen? Laß uns Wilhelmen mit seiner Frau zu uns nehmen, er kann sein Handwerk treiben. Dorthe soll mir und meinen Töchtern helfen, so viel sie kann. Sie lernt noch immer et- was, denn sie ist noch jung. Sie können mit uns an den Tisch gehen; was er verdient, das gibt er uns, und wir versorgen dann Beide mit dem Nöthigen: so gehts, mein' ich, am besten. Wenn du meinst, erwiederte der Vater, so mag er das Mädchen holen. Wilhelm! Wilhelm! denke was du thust, es ist nichts Geringes. Der Gott deiner Väter segne dich mit allem, was dir und deinem Mädchen nöthig ist. Wilhelmen standen die Thränen in den Augen. Er schüttelte Vater und Mutter die Hand, versprach ihnen alle Treue, und ging zu Bette. Und nachdem der alte Stilling sein Abendlied gesungen, die Thür mit dem hölzernen Wirbel zugeklemmt, Margareth aber nach den Kühen gesehen hatte, ob sie alle lägen und wiederkäueten, so gingen sie auch schlafen.
Wilhelm kam auf seine Kammer, an welcher nur ein Laden war, der aber eben so genau nicht schloß, daß nicht so viel Tag hätte durchschimmern können, um zu wissen, ob man aufstehen müsse. Dieses Fenster war noch offen, daher trat er an dasselbe, es sah gerade gegen den Wald hin; alles war in tiefer Stille, nur zwo Nachtigallen sangen wechsels- weise auf das allerlieblichste. Dieses war Wilhelmen öfters ein Wink gewesen. Er sank an der Wand nieder. "O Gott! seufzte er, dir dank ich, daß du mir solche Eltern gegeben hast! O, laß sie Freude an mir sehen! Laß mich ihnen nicht zur Last seyn! Dir dank ich, daß du mir eine tugend- hafte Frau gibst! O segne mich!" -- Thränen und Empfin- dungen hemmten ihm die Sprache, und da redete sein Herz unaussprechliche Worte, welche nur die Seelen empfinden und kennen, die sich in gleicher Lage befunden haben.
Nie hat Jemand sanfter geschlafen, als der Schulmeister. Sein inniges Vergnügen weckte ihn des Morgens früher als sonst. Er stand auf, ging heraus in den Wald und erneuerte
du noch, was ich dir zur Antwort gab, in unſern Brautta- gen? Laß uns Wilhelmen mit ſeiner Frau zu uns nehmen, er kann ſein Handwerk treiben. Dorthe ſoll mir und meinen Toͤchtern helfen, ſo viel ſie kann. Sie lernt noch immer et- was, denn ſie iſt noch jung. Sie koͤnnen mit uns an den Tiſch gehen; was er verdient, das gibt er uns, und wir verſorgen dann Beide mit dem Noͤthigen: ſo gehts, mein’ ich, am beſten. Wenn du meinſt, erwiederte der Vater, ſo mag er das Maͤdchen holen. Wilhelm! Wilhelm! denke was du thuſt, es iſt nichts Geringes. Der Gott deiner Vaͤter ſegne dich mit allem, was dir und deinem Maͤdchen noͤthig iſt. Wilhelmen ſtanden die Thraͤnen in den Augen. Er ſchuͤttelte Vater und Mutter die Hand, verſprach ihnen alle Treue, und ging zu Bette. Und nachdem der alte Stilling ſein Abendlied geſungen, die Thuͤr mit dem hoͤlzernen Wirbel zugeklemmt, Margareth aber nach den Kuͤhen geſehen hatte, ob ſie alle laͤgen und wiederkaͤueten, ſo gingen ſie auch ſchlafen.
Wilhelm kam auf ſeine Kammer, an welcher nur ein Laden war, der aber eben ſo genau nicht ſchloß, daß nicht ſo viel Tag haͤtte durchſchimmern koͤnnen, um zu wiſſen, ob man aufſtehen muͤſſe. Dieſes Fenſter war noch offen, daher trat er an daſſelbe, es ſah gerade gegen den Wald hin; alles war in tiefer Stille, nur zwo Nachtigallen ſangen wechſels- weiſe auf das allerlieblichſte. Dieſes war Wilhelmen oͤfters ein Wink geweſen. Er ſank an der Wand nieder. „O Gott! ſeufzte er, dir dank ich, daß du mir ſolche Eltern gegeben haſt! O, laß ſie Freude an mir ſehen! Laß mich ihnen nicht zur Laſt ſeyn! Dir dank ich, daß du mir eine tugend- hafte Frau gibſt! O ſegne mich!“ — Thraͤnen und Empfin- dungen hemmten ihm die Sprache, und da redete ſein Herz unausſprechliche Worte, welche nur die Seelen empfinden und kennen, die ſich in gleicher Lage befunden haben.
Nie hat Jemand ſanfter geſchlafen, als der Schulmeiſter. Sein inniges Vergnuͤgen weckte ihn des Morgens fruͤher als ſonſt. Er ſtand auf, ging heraus in den Wald und erneuerte
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du noch, was ich dir zur Antwort gab, in unſern Brautta-
gen? Laß uns Wilhelmen mit ſeiner Frau zu uns nehmen, er
kann ſein Handwerk treiben. Dorthe ſoll mir und meinen
Toͤchtern helfen, ſo viel ſie kann. Sie lernt noch immer et-
was, denn ſie iſt noch jung. Sie koͤnnen mit uns an den
Tiſch gehen; was er verdient, das gibt er uns, und wir
verſorgen dann Beide mit dem Noͤthigen: ſo gehts, mein’ ich,
am beſten. Wenn du meinſt, erwiederte der Vater, ſo mag
er das Maͤdchen holen. Wilhelm! Wilhelm! denke was
du thuſt, es iſt nichts Geringes. Der Gott deiner Vaͤter
ſegne dich mit allem, was dir und deinem Maͤdchen noͤthig
iſt. Wilhelmen ſtanden die Thraͤnen in den Augen. Er
ſchuͤttelte Vater und Mutter die Hand, verſprach ihnen alle
Treue, und ging zu Bette. Und nachdem der alte Stilling
ſein Abendlied geſungen, die Thuͤr mit dem hoͤlzernen Wirbel
zugeklemmt, Margareth aber nach den Kuͤhen geſehen
hatte, ob ſie alle laͤgen und wiederkaͤueten, ſo gingen ſie
auch ſchlafen.
Wilhelm kam auf ſeine Kammer, an welcher nur ein Laden
war, der aber eben ſo genau nicht ſchloß, daß nicht ſo viel
Tag haͤtte durchſchimmern koͤnnen, um zu wiſſen, ob man
aufſtehen muͤſſe. Dieſes Fenſter war noch offen, daher trat
er an daſſelbe, es ſah gerade gegen den Wald hin; alles
war in tiefer Stille, nur zwo Nachtigallen ſangen wechſels-
weiſe auf das allerlieblichſte. Dieſes war Wilhelmen oͤfters
ein Wink geweſen. Er ſank an der Wand nieder. „O Gott!
ſeufzte er, dir dank ich, daß du mir ſolche Eltern gegeben
haſt! O, laß ſie Freude an mir ſehen! Laß mich ihnen
nicht zur Laſt ſeyn! Dir dank ich, daß du mir eine tugend-
hafte Frau gibſt! O ſegne mich!“ — Thraͤnen und Empfin-
dungen hemmten ihm die Sprache, und da redete ſein Herz
unausſprechliche Worte, welche nur die Seelen empfinden und
kennen, die ſich in gleicher Lage befunden haben.
Nie hat Jemand ſanfter geſchlafen, als der Schulmeiſter.
Sein inniges Vergnuͤgen weckte ihn des Morgens fruͤher als
ſonſt. Er ſtand auf, ging heraus in den Wald und erneuerte
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/39>, abgerufen am 30.01.2025.
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