an die Gesellschaft, hier aber fand er keine Ohren, Jeder sagte ihm: er müsse so gut thun, als er könne, Jeder war des ewigen Zahlens müde. Jetzt fehlte es nun Stillingen wie- der an der nöthigen Klugheit; er hätte alsofort abtreten und die Verwaltung wieder abgeben sollen, allein das that er nicht, er war gar zusehr für das ganze Institut eingenommen, und glaubte, seine Ehre sey mit der Ehre desselben aufs ge- naueste verbunden, er müsse es also durchsetzen, und eben dieß war sein Unglück.
Das erste, was er vornahm, war der Verkauf der Hälfte des Viehstandes, denn er hoffte, mit dem daraus gelösten Kapitel so viel Futter und Stroh zu kaufen, daß er die an- dere Hälfte füglich durchbringen könnte. Er veranstaltete also eine gerichtliche Auktion und erstaunte über den Zulauf und über die Preise, so daß er gewiß glaubte, er werde den schwe- ren Berg übersteigen; allein wie erschrack er, als er erfuhr, daß die mehresten Käufer Gläubiger waren, die an dem Gut zu fordern hatten! -- Und die Andern, denen das Gut nichts zu zahlen hatte, waren arm: er bekam also wenig Geld, und wollte er sich helfen, so mußte er in den Sack greifen, und wo das nicht zureichte, Geld auf eigenen Kredit aufnehmen.
Freilich hatte er die gegründete Hoffnung, daß im künfti- gen Sommer die große und gesegnete Erndte alles überflüßig ersetzen, und die großen Klee- und Futterstücke seine Kasse von der Bürde befreien würden, und insofern wäre er zu ent- schuldigen; indessen war es für einen Mann in seinen Um- ständen immer Leichtsinn, so etwas zu unternehmen, beson- ders da er die wahre Lage der Sache erfuhr. Gott! wie leicht ist es aber, nach durchkämpften schweren Trübsalen die Plätz- chen ausfindig zu machen, wo man hätte ausweichen können! Er sey für seine Führung gepriesen!
Zu diesen drohenden Wolken sammelten sich noch andere: zu Rittersburg waren die regierenden Personen alle katholisch, und dieß nach dem platten Sinn des Worts; die Franziska- ner hatten die Pfarrbedienung und Seelsorge ihrer Gemeinde; diesen Geistlichen war also daran gelegen, daß Dummheit und Aberglauben immer unterhalten werden möchte; vorzüg-
Stillings sämmtl. Schriften. I. Band. 25
an die Geſellſchaft, hier aber fand er keine Ohren, Jeder ſagte ihm: er muͤſſe ſo gut thun, als er koͤnne, Jeder war des ewigen Zahlens muͤde. Jetzt fehlte es nun Stillingen wie- der an der noͤthigen Klugheit; er haͤtte alſofort abtreten und die Verwaltung wieder abgeben ſollen, allein das that er nicht, er war gar zuſehr fuͤr das ganze Inſtitut eingenommen, und glaubte, ſeine Ehre ſey mit der Ehre deſſelben aufs ge- naueſte verbunden, er muͤſſe es alſo durchſetzen, und eben dieß war ſein Ungluͤck.
Das erſte, was er vornahm, war der Verkauf der Haͤlfte des Viehſtandes, denn er hoffte, mit dem daraus geloͤsten Kapitel ſo viel Futter und Stroh zu kaufen, daß er die an- dere Haͤlfte fuͤglich durchbringen koͤnnte. Er veranſtaltete alſo eine gerichtliche Auktion und erſtaunte uͤber den Zulauf und uͤber die Preiſe, ſo daß er gewiß glaubte, er werde den ſchwe- ren Berg uͤberſteigen; allein wie erſchrack er, als er erfuhr, daß die mehreſten Kaͤufer Glaͤubiger waren, die an dem Gut zu fordern hatten! — Und die Andern, denen das Gut nichts zu zahlen hatte, waren arm: er bekam alſo wenig Geld, und wollte er ſich helfen, ſo mußte er in den Sack greifen, und wo das nicht zureichte, Geld auf eigenen Kredit aufnehmen.
Freilich hatte er die gegruͤndete Hoffnung, daß im kuͤnfti- gen Sommer die große und geſegnete Erndte alles uͤberfluͤßig erſetzen, und die großen Klee- und Futterſtuͤcke ſeine Kaſſe von der Buͤrde befreien wuͤrden, und inſofern waͤre er zu ent- ſchuldigen; indeſſen war es fuͤr einen Mann in ſeinen Um- ſtaͤnden immer Leichtſinn, ſo etwas zu unternehmen, beſon- ders da er die wahre Lage der Sache erfuhr. Gott! wie leicht iſt es aber, nach durchkaͤmpften ſchweren Truͤbſalen die Plaͤtz- chen ausfindig zu machen, wo man haͤtte ausweichen koͤnnen! Er ſey fuͤr ſeine Fuͤhrung geprieſen!
Zu dieſen drohenden Wolken ſammelten ſich noch andere: zu Rittersburg waren die regierenden Perſonen alle katholiſch, und dieß nach dem platten Sinn des Worts; die Franziska- ner hatten die Pfarrbedienung und Seelſorge ihrer Gemeinde; dieſen Geiſtlichen war alſo daran gelegen, daß Dummheit und Aberglauben immer unterhalten werden moͤchte; vorzuͤg-
Stillings ſämmtl. Schriften. I. Band. 25
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an die Geſellſchaft, hier aber fand er keine Ohren, Jeder ſagte
ihm: er muͤſſe ſo gut thun, als er koͤnne, Jeder war des
ewigen Zahlens muͤde. Jetzt fehlte es nun Stillingen wie-
der an der noͤthigen Klugheit; er haͤtte alſofort abtreten und
die Verwaltung wieder abgeben ſollen, allein das that er
nicht, er war gar zuſehr fuͤr das ganze Inſtitut eingenommen,
und glaubte, ſeine Ehre ſey mit der Ehre deſſelben aufs ge-
naueſte verbunden, er muͤſſe es alſo durchſetzen, und eben dieß
war ſein Ungluͤck.
Das erſte, was er vornahm, war der Verkauf der Haͤlfte
des Viehſtandes, denn er hoffte, mit dem daraus geloͤsten
Kapitel ſo viel Futter und Stroh zu kaufen, daß er die an-
dere Haͤlfte fuͤglich durchbringen koͤnnte. Er veranſtaltete alſo
eine gerichtliche Auktion und erſtaunte uͤber den Zulauf und
uͤber die Preiſe, ſo daß er gewiß glaubte, er werde den ſchwe-
ren Berg uͤberſteigen; allein wie erſchrack er, als er erfuhr,
daß die mehreſten Kaͤufer Glaͤubiger waren, die an dem Gut
zu fordern hatten! — Und die Andern, denen das Gut nichts
zu zahlen hatte, waren arm: er bekam alſo wenig Geld, und
wollte er ſich helfen, ſo mußte er in den Sack greifen, und
wo das nicht zureichte, Geld auf eigenen Kredit aufnehmen.
Freilich hatte er die gegruͤndete Hoffnung, daß im kuͤnfti-
gen Sommer die große und geſegnete Erndte alles uͤberfluͤßig
erſetzen, und die großen Klee- und Futterſtuͤcke ſeine Kaſſe
von der Buͤrde befreien wuͤrden, und inſofern waͤre er zu ent-
ſchuldigen; indeſſen war es fuͤr einen Mann in ſeinen Um-
ſtaͤnden immer Leichtſinn, ſo etwas zu unternehmen, beſon-
ders da er die wahre Lage der Sache erfuhr. Gott! wie leicht
iſt es aber, nach durchkaͤmpften ſchweren Truͤbſalen die Plaͤtz-
chen ausfindig zu machen, wo man haͤtte ausweichen koͤnnen!
Er ſey fuͤr ſeine Fuͤhrung geprieſen!
Zu dieſen drohenden Wolken ſammelten ſich noch andere:
zu Rittersburg waren die regierenden Perſonen alle katholiſch,
und dieß nach dem platten Sinn des Worts; die Franziska-
ner hatten die Pfarrbedienung und Seelſorge ihrer Gemeinde;
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/381>, abgerufen am 24.11.2024.
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