nigter und immer verklärter treten wir aus jedem Läuterungs- feuer hervor; und auch das ist einziges und unschätzbares Verdienst der Religion Jesus, welches keine andere jemals gehabt hat: sie lehrt uns die Sünde und die Leiden kennen. Dazu kam nun noch die frohere Aussicht in die Zu- kunft, eine ganz seiner bisherigen Führung und seinem Cha- rakter angemessene Bestimmung, ein Beruf, der ihm ein ge- wisses Stück Brod verschaffte und Tilgung seiner Schulden hoffen ließ, und endlich ein Publikum, das keine Vorurtheile gegen ihn haben konnte. Das Alles goß tiefen Frieden in seine Seele.
Des Mittags fand er einen Theil der Schönenthaler geschlossenen Gesellschaft im Wirthshause, welche das Abschied- mahl hatten bereiten lassen; hier speiste er und letzte sich mit diesen vortrefflichen Männern, und nun reiste er auf Rüssel- stein zu. Zween seiner Schwäger begleiteten ihn auch bis hie- her, und gingen dann wieder zurück. Von Rüsselstein nahm er einen geringen Wagen bis Kölln, und dort einen andern bis Frankfurt. Zu Koblenz besuchte er die berühmte Frau Kanzlerin Sophia von la Roche, er war ihr durch seine Lebensgeschichte schon bekannt; dann reiste er weiter bis Frank- furt, wo er seine alten Freunde, vorzüglich aber den Herrn Pfarrer Kraft besuchte, der ihm ausserordentliche Liebe und Freundschaft bezeugte.
Nach einem Rasttag ging er wegen des großen Gewäs- sers über Mainz, Worms und Frankenthal nach Mannheim, wo er von Herrn Eisenhart mit offenen Armen empfan- gen wurde. Hier fand er nun, wegen seiner im Druck er- schienenen Geschichte, viel Gönner und Freunde. Allenthalben erwies man ihm Gnade, Freundschaft, Liebe und Zärtlichkeit: wie wohl das ihm und seiner Christine nach so langer Zertretung und Verachtung that, das ist nicht zu beschrei- ben. Nun gab ihm aber auch Eisenhart verschiedene wich- tige Erinnerungen: Stillings Geschichte hatte, bei allem Beifall in dortigen Gegenden, ein Vorurtheil des Pietismus erweckt, Jeder hielt ihn für einen Mann, der denn doch immer ein feiner Schwärmer sey, und vor dem man sich in dieser Rück-
nigter und immer verklaͤrter treten wir aus jedem Laͤuterungs- feuer hervor; und auch das iſt einziges und unſchaͤtzbares Verdienſt der Religion Jeſus, welches keine andere jemals gehabt hat: ſie lehrt uns die Suͤnde und die Leiden kennen. Dazu kam nun noch die frohere Ausſicht in die Zu- kunft, eine ganz ſeiner bisherigen Fuͤhrung und ſeinem Cha- rakter angemeſſene Beſtimmung, ein Beruf, der ihm ein ge- wiſſes Stuͤck Brod verſchaffte und Tilgung ſeiner Schulden hoffen ließ, und endlich ein Publikum, das keine Vorurtheile gegen ihn haben konnte. Das Alles goß tiefen Frieden in ſeine Seele.
Des Mittags fand er einen Theil der Schoͤnenthaler geſchloſſenen Geſellſchaft im Wirthshauſe, welche das Abſchied- mahl hatten bereiten laſſen; hier ſpeiste er und letzte ſich mit dieſen vortrefflichen Maͤnnern, und nun reiste er auf Ruͤſſel- ſtein zu. Zween ſeiner Schwaͤger begleiteten ihn auch bis hie- her, und gingen dann wieder zuruͤck. Von Ruͤſſelſtein nahm er einen geringen Wagen bis Koͤlln, und dort einen andern bis Frankfurt. Zu Koblenz beſuchte er die beruͤhmte Frau Kanzlerin Sophia von la Roche, er war ihr durch ſeine Lebensgeſchichte ſchon bekannt; dann reiste er weiter bis Frank- furt, wo er ſeine alten Freunde, vorzuͤglich aber den Herrn Pfarrer Kraft beſuchte, der ihm auſſerordentliche Liebe und Freundſchaft bezeugte.
Nach einem Raſttag ging er wegen des großen Gewaͤſ- ſers uͤber Mainz, Worms und Frankenthal nach Mannheim, wo er von Herrn Eiſenhart mit offenen Armen empfan- gen wurde. Hier fand er nun, wegen ſeiner im Druck er- ſchienenen Geſchichte, viel Goͤnner und Freunde. Allenthalben erwies man ihm Gnade, Freundſchaft, Liebe und Zaͤrtlichkeit: wie wohl das ihm und ſeiner Chriſtine nach ſo langer Zertretung und Verachtung that, das iſt nicht zu beſchrei- ben. Nun gab ihm aber auch Eiſenhart verſchiedene wich- tige Erinnerungen: Stillings Geſchichte hatte, bei allem Beifall in dortigen Gegenden, ein Vorurtheil des Pietismus erweckt, Jeder hielt ihn fuͤr einen Mann, der denn doch immer ein feiner Schwaͤrmer ſey, und vor dem man ſich in dieſer Ruͤck-
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nigter und immer verklaͤrter treten wir aus jedem Laͤuterungs-
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Verdienſt der Religion Jeſus, welches keine andere jemals
gehabt hat: ſie lehrt uns die Suͤnde und die Leiden
kennen. Dazu kam nun noch die frohere Ausſicht in die Zu-
kunft, eine ganz ſeiner bisherigen Fuͤhrung und ſeinem Cha-
rakter angemeſſene Beſtimmung, ein Beruf, der ihm ein ge-
wiſſes Stuͤck Brod verſchaffte und Tilgung ſeiner Schulden
hoffen ließ, und endlich ein Publikum, das keine Vorurtheile
gegen ihn haben konnte. Das Alles goß tiefen Frieden in
ſeine Seele.
Des Mittags fand er einen Theil der Schoͤnenthaler
geſchloſſenen Geſellſchaft im Wirthshauſe, welche das Abſchied-
mahl hatten bereiten laſſen; hier ſpeiste er und letzte ſich mit
dieſen vortrefflichen Maͤnnern, und nun reiste er auf Ruͤſſel-
ſtein zu. Zween ſeiner Schwaͤger begleiteten ihn auch bis hie-
her, und gingen dann wieder zuruͤck. Von Ruͤſſelſtein nahm
er einen geringen Wagen bis Koͤlln, und dort einen andern
bis Frankfurt. Zu Koblenz beſuchte er die beruͤhmte Frau
Kanzlerin Sophia von la Roche, er war ihr durch ſeine
Lebensgeſchichte ſchon bekannt; dann reiste er weiter bis Frank-
furt, wo er ſeine alten Freunde, vorzuͤglich aber den Herrn
Pfarrer Kraft beſuchte, der ihm auſſerordentliche Liebe und
Freundſchaft bezeugte.
Nach einem Raſttag ging er wegen des großen Gewaͤſ-
ſers uͤber Mainz, Worms und Frankenthal nach Mannheim,
wo er von Herrn Eiſenhart mit offenen Armen empfan-
gen wurde. Hier fand er nun, wegen ſeiner im Druck er-
ſchienenen Geſchichte, viel Goͤnner und Freunde. Allenthalben
erwies man ihm Gnade, Freundſchaft, Liebe und Zaͤrtlichkeit:
wie wohl das ihm und ſeiner Chriſtine nach ſo langer
Zertretung und Verachtung that, das iſt nicht zu beſchrei-
ben. Nun gab ihm aber auch Eiſenhart verſchiedene wich-
tige Erinnerungen: Stillings Geſchichte hatte, bei allem
Beifall in dortigen Gegenden, ein Vorurtheil des Pietismus
erweckt, Jeder hielt ihn fuͤr einen Mann, der denn doch immer
ein feiner Schwaͤrmer ſey, und vor dem man ſich in dieſer Ruͤck-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/376>, abgerufen am 24.11.2024.
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